Düsseldorf Die Münchner Staatsanwaltschaft hat im Finanzskandal um den Zahlungsdienstleister Wirecard Anklage gegen einen ehemals engen Vertrauten des flüchtigen Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek erhoben. Sie wirft dem Geschäftsmann V. 26 Fälle der vorsätzlichen Geldwäsche, des besonders schweren Betrugs und Verletzung der Buchführungspflicht vor.
Es ist die erste Anklage in Komplex um den in die Insolvenz gerutschten einstigen Dax-Konzern – wenn sie auch nicht den Kern des milliardenschweren Betrugs betrifft, der zum Kollaps von Wirecard führte. Zuerst berichtet hatte darüber die Süddeutsche Zeitung.
Im Verfahren gegen V. geht es darum, dass dieser veruntreute Wirecard-Gelder „über Investitionen in deutsche Begin-up-Unternehmen in den legalen Wirtschaftskreislauf“ überführt haben soll. Das Ganze soll über die Gesellschaft IMS Capital gelaufen sein, bei der V. in verantwortlicher Place tätig battle.
V. battle demnach spätestens ab 2019 daran beteiligt, „Vermögen aus der Wirecard-Gruppe in Höhe von mehr als 22 Millionen Euro zu veruntreuen und die inkriminierte Herkunft des Vermögens aus der Wirecard-Gruppe anhand eines installierten Geldwäschesystems planvoll zu verschleiern“, so die Staatsanwaltschaft.
Mit ihm zusammen agierten demnach Marsalek, der frühere libyschen Geheimdienstchef O. und ein weiterer Geschäftspartner.
V. soll dabei überdies einen Teil des bei Wirecard veruntreuten Vermögen nicht wie vereinbart investiert, sondern rund acht Millionen Euro für non-public Zwecke verwendet haben, unter anderem seinen Hausbau und für Investments in eine eigene Beteiligungsfirma. Es existieren allerdings Chatverläufe, die nahelegen, dass die Verwendungen der Gelder mit Marsalek abgesprochen waren. Weitere Chats dokumentieren zudem, dass V. nach dem Auffliegen des Wirecard-Skandals und Marsaleks Abtauchen mit dem Ex-Vorstand gebrochen hat.
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Der Verteidiger von V. wollte sich zu den Inhalten der Anklage äußern und bestätigte lediglich deren Eingang.
V. und Marsalek lernten sich vor mehr als 20 Jahren kennen und waren nicht nur geschäftlich miteinander verbunden, sondern trafen sich auch privat. Intern bei Wirecard galt V. manchem als „enger Freund von Jan“. Er investierte für Marsalek jahrelang Gelder und mietete für Deutschlands wohl meistgesuchten Mann auch in der Münchener Prinzregentenstraße eine Villa an, die als Rückzugsort diente.
Über die inzwischen ebenfalls insolvente Gesellschaft IMS Capital tätigte er für vermögende Privatleute Firmeninvestments, meist in Begin-ups. Unter anderem battle IMS Capital größter Anteilseigner des On-line-Supermarkts Getnow und beteiligte sich auch an einem Hersteller von Corona-Schnelltests. Einer der Hauptinvestoren bei IMS soll Marsalek gewesen sein, der einen höheren zweistelligen Millionenbetrag beigesteuert haben könnte. Marsalek soll auch, obwohl ohne offizielle Rolle bei IMS, maßgeblich mitbestimmt haben, was dort mit Geldern bei geschieht
Offizielle Geldgeber von IMS Capital waren zwei türkische Gesellschaften, die von O. kontrolliert wurden. O. soll im möglichen Prozess gegen V. als Zeuge gehört werden.
Die Staatsanwaltschaft sieht laut Handelsblatt-Informationen Fluchtgefahr bei V. und wollte einen aktuell ausgesetzten Haftbefehl gegen ihn wieder in Kraft setzen. Das Oberlandesgericht München wies den Antrag aber offenbar zurück.
Im Hauptkomplex um den milliardenschweren Betrugsskandal bei Wirecard arbeiten die Strafverfolger der Staatsanwaltschaft München I derzeit unter Hochdruck an einer Anklage gegen den früheren Vorstandschef Markus Braun. Diese soll noch im ersten Quartal 2022 erhoben werden.
Mehr: Wirecard und Marsalek: Neue Spuren führen in die Türkei.