Gerichte spielen beim Erstarken des Extremismus eine Rolle, kritisiert Herbert Reul (CDU). Journalistin Mekhennet kritisiert fehlendes Geschichtsverständnis.
Kurz nachdem er die Organisation „Palästina Solidarität Duisburg“ verboten hatte, stand der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) bei „Maybrit Illner“. Rede und Antwort. „Es geht um die Frage: Wo sind die Grenzen von Meinungsfreiheit, weil sie unsere Substanz, Republik und unser Zusammenleben gefährden?“, so Reul.
Die Gäste
- Omid Nouripour, Grünen-Vorsitzender
- Herbert Reul (CDU), NRW-Innenminister
- Ahmad Mansour, Extremismusforscher
- Souad Mekhennet, Journalistin „Washington Post“
- Ronen Steinke, Journalist und Autor
Reul betonte, Verbote müssten gerichtsfest sein. Er monierte jedoch: Teils würden Gerichte Slogans erlauben, die für ihn klar extremistisch seien. Dass beispielsweise der auch von der Hamas verwendete Slogan „From the River to the Sea“ (gemeint ist: ein Palästina vom Jordan bis zum Mittelmeer) von einigen Verwaltungsgerichten gestattet werde, mache ihn unruhig, sagte Reul. Ähnliches gelte für rechtsextremistische Parolen wie „Anne Frank in den Schrank“ (ein Verweis auf das Versteck des jüdischen Mädchens).
„Protest gegen Israel – was unterscheidet Kritik von Hass?“, fragte Illner am Donnerstagabend. Die Meinungsfreiheit müsse als wichtiges Gut von Polizei geschützt werden, betonte Reul. Bei verfassungsfeindlichen Positionen müsse der wehrhafte Staat jedoch klarmachen: „Aus, wir wollen das nicht.“
Kritik an Brief von Dozenten zu Polizeieinsätzen
Kritik an den Unterzeichnern kam auch vom Grünen-Co-Vorsitzenden Omid Nouripour. Die Forderung, Polizei nicht auf einen Campus zu lassen, zeuge von einem seltsamen Rechtsstaatsverständnis. Die Dozenten hatten die Uni-Leitungen aufgefordert, „von Polizeieinsätzen gegen ihre eigenen Studierenden abzusehen“. Nouripour attestierte den Verfassern zudem, einseitig auf die Bombardierung Rafahs einzugehen, nicht aber auf den Terrorangriff der Hamas. „Deshalb ist der Brief maximal schlecht formuliert“, urteilte er.
Der deutsch-israelische Psychologe Ahmad Mansour sagte, viele jüdische Studenten würden sich seit dem 7. Oktober 2023 aus Angst vor Gewalt nicht mehr an deutsche Universitäten trauen. „Da versagen vor allem die Leitungen dieser Universitäten“, sagte der Extremismusforscher bei „Maybrit Illner“.
Journalistin: „Es ist koordiniert“
Souad Mekhennet von der Zeitung „Washington Post“ berichtete, sie habe in Protestcamps an US-Universitäten „teilweise naive“ Studenten getroffen, die überhaupt keine Ahnung von der Geschichte Israels oder vom Holocaust gehabt hätten. Zugleich seien bei Demonstrationen in New York oder Washington, D. C. dieselben Slogans zu hören gewesen.
„Es ist koordiniert“, sagte die aus Frankfurt am Main stammende Journalistin und sprach von „Ansätzen einer Meinungsdiktatur“. Jede Person, die nicht explizit ein „freies Palästina“ fordere, gelte da automatisch als „Zionist. Zugleich werde versucht, Begriffe wie “Genozid“ und „Apartheid“ umzudeuten: „Man versucht, Israel gleichzusetzen mit all dem Schlechten, was es auf der Welt gibt“.
Ronen Steinke von der „Süddeutschen Zeitung“ sagte bei „Illner“, er fände es seltsam, wenn die Bilder aus Gaza einen kaltlassen würden. „Ich bin selbst entsetzt“, stellte er klar. Auch sei Antisemitismus aus dem linken politischen Spektrum nicht neu. Aber ähnlich wie Mekhennet sah auch er in der Neubesetzung von Begriffen zu historischen Verbrechen eine neue Qualität erreicht.
„Illner“: Israel-Kritik oder Antisemitismus?
Dazu gehört für den Juristen, dass Israel von pro-palästinensischen Demonstranten als Kolonialmacht dargestellt wird. Diese Art von linkem „Antikolonialismus“ sei falsch, „beschämend“ und historisch an den Fakten vorbei. Die Menschen in Israel und deren Vorfahren seien „nicht da hingekommen, um Beute zu machen oder um reich zu werden. Sondern die sind da hingekommen, um ihr Leben zu retten“, sagte Steinke.
Antisemitismus verfängt laut Steinke deshalb so gut bei der Linken, weil hier anders als bei Rassismus nicht gegen Schwächere, sondern gegen eine vermeintlich mächtige Gruppe agiert werde. Doch wer so rede, helfe dabei, die nächste Generation von Juden heimatlos zu machen.