Sedanstraße im Ostviertel
Sollte diese Straße umbenannt werden?
20.09.2024 – 10:55 UhrLesedauer: 3 Min.
Im Aachener Ostviertel entfachte ein Straßenname eine hitzige Debatte. Warum?
Ist der Name „Sedanstraße“ noch zeitgemäß? Einige Aachener finden: nein. Und haben deswegen den Antrag gestellt, die Straße im Ostviertel umzubenennen. Doch der Ratsausschuss Bürgerforum hat das abgelehnt.
Der Name spielt auf die letzte Schlacht von Sedan im Deutsch-Französischen Krieg vor rund 150 Jahren an. Die fand in der Festungsstadt an der Maas nahe der Grenze zu Belgien statt. Mit dieser Schlacht hatte der Krieg eine entscheidende Wendung genommen.
Denn im Laufe der Kampfhandlungen wurde Napoleon III., Sohn eines Bruders des berühmtesten französischen Eroberers, von den Preußen gefangen genommen. Auch wenn der Krieg damit nicht vorbei war: mit der Gefangennahme des Kaisers kapitulierte die gesamte französische Armee.
Die deutsche Besatzungsarmee hatte damals nicht nur einen blutigen Kampf gegen die französischen Soldaten geführt, sondern auch einen ideologischen gegen die gesamte französische Republik. Franzosen waren unter den Preußen als sittlich und religiös verkommenes Volk verschrien. Das „Feindbild Franzose“ hielt sich hartnäckig.
An die Schlacht von Sedan ist bis heute nicht zu denken, ohne auch die Erinnerungen an dieses Feindbild wachzurufen. Viele Brücken und Plätze wurden aus Stolz über den Sieg über das „verkommene“ Volk nach dieser Schlacht benannt. Viele wurden inzwischen aber auch wieder umbenannt. Nicht nur in Aachen, sondern auch in vielen anderen Großstädten haben sich Initiativen gebildet, die auf Umbenennung der übrigen Sedan-Straßen pochen.
Aber gerade in Aachen sei die Erinnerung an dieses Feinbild ein seltsames Signal, fanden zuerst einige Aachener Studenten und starteten am 10. Juli 2023 eine Petition für die Umbenennung. In der Begründung heißt es: Dieser Straßenname dient dazu, täglich an die Erniedrigung Frankreichs durch Deutschland zu erinnern und das in einer Stadt, die durch ihren Dom und die Verleihung des Karlspreises regelmäßig an die deutsch-französische Freundschaft erinnert.“
Die Gruppe schlug vor, die Straße in Ingeborg-Kaufmann-Straße umzubennen. Sie half im zweiten Weltkrieg als Ortskundige jüdischen Menschen bei der Flucht über die grüne Grenze und war Kopf eines Helfernetzwerks, das französischen Kriegsgefangenen die Flucht in ihre Heimat ermöglichte. Sie wurde auch selbst von den Nazis verfolgt. „Die Straße nach Inge zu benennen würde schon deshalb passen, da Inge die deutsch-französische Freundschaft verkörperte“, heißt es in der Begründung.
Stadtarchivdirektor René Rohrkamp findet es nach einer fachhistorischen Einordnung allerdings nicht sinnvoll, die Straße umzubenennen. Das sagte er dem Ratsausschuss Bürgerforum, berichtet die „Aachener Zeitung“. Die Straße läge gemeinsam mit den anderen Straßen, die in ihrem Umfeld liegen und nach preußischen Schlachten benannt sind, ein städtebauliches Zeugnis ab, so Rohrkamp.
Würde man nun bei der Sedanstraße anfangen, so müsste man Straßennamen in der ganzen Stadt prüfen. Das führe zum einen zu identitätspolitischen Problemen, zum anderen zu praktischen. Denn für die Anwohner der betroffenen Straßen sei das mit enormem Aufwand und Kosten verbunden.
Rohrkamp schlug aber entgegenkommend auch vor, den Straßennamen zu kommentieren. Etwa so: „Ursprgl. 1894 benannt nach der dt.-franz. Schlacht von Sedan 1870. Erinnerung an voreurop. dt.-franz. Geschichte“. Zum Vorschlag der Umbenennung sagte er, dass tatsächlich an das Wirken von Ingeborg Kaufmann erinnert werden sollte. Dies müsse aber auf andere Art geschehen.
Dies fand die Zustimmung der Politiker. Umbenennung der Sedanstraße: zu kompliziert. Ehrung von Ingeborg Kauffmann: Wird im Rahmen des Projekts „Wege gegen das Vergessen“ geprüft. Am Mittwoch, 25. September, entscheidet die Bezirksvertretung Aachen-Mitte darüber.