Verbraucherschützer beklagen so viele versteckte Preiserhöhungen wie nie. Neue gesetzliche Vorgaben sollen künftig besser vor Täuschungen schützen.
Bis Ende des Jahres kostete der 1.000-Gramm-Beutel Milchreis im Supermarkt noch 2,29 Euro. Dann wurde die Packung kleiner und damit teurer. Kunden müssen seitdem für 800 Gramm 2,99 Euro berappen. Eine satte Erhöhung um mehr als 60 Prozent.
Der Milchreis, hergestellt von der Euryza GmbH, ist nur ein Beispiel von vielen. Weniger Inhalt zum gleichen oder sogar zu einem höheren Preis, das Phänomen wird als „Shrinkflation“ bezeichnet. Lesen Sie hier alles zur Euryza-Mogelpackung.
Mehr als 1.000 Mogelpackungen
Der Trend weitet sich aus. Die Verbraucherzentrale Hamburg meldet einen Rekord, es gebe so viele „Mogelpackungen“ wie noch nie. 2023 haben die Verbraucherschützer 104 Produkte neu aufgenommen, 2022 waren es 76. Insgesamt stehen mehr als 1.000 Artikel auf der Liste.
Armin Valet, Lebensmittelexperte der Verbraucherzentrale, konzentriert sich bei der Suche auf Lebensmittel und Drogeriewaren. Im Laufes des Monats kürt er erneut die Mogelpackung des Jahres.
Valet berichtet von einem Domino-Effekt. So beginne ein Markenhersteller damit, ein Produkt zu schrumpfen, andere folgten dann dem Beispiel. Das Vorgehen ist bei Herstellern beliebt, weil Kunden die versteckte Preiserhöhung nicht so schnell bemerken.
Betroffene Produkte im klassischen Supermarkt gering
Handelsexperten wie Martin Fassnacht und Kai Hudetz bestätigen den Trend. „Die Kosten sind für Hersteller und Händler gestiegen. Jetzt stellt sich die Frage, wie die gestiegenen Kosten von Herstellern an Händler und von Händlern an Verbraucher weitergegeben werden“, sagt Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU Düsseldorf.
Hudetz vom Institut für Handelsforschung verweist darauf, dass der Anteil der betroffenen Produkte bei fast 15.000 gelisteten Artikel in einem klassischen Supermarkt vergleichsweise gering sei. Viele Verbraucher ärgern sich dennoch.
Umfrage: 77 Prozent der Verbraucher für Kennzeichnung
Laut einer Yougov-Umfrage achten gut 70 Prozent auf die Füllmenge eines Produktes, „um Mogelpackungen zu erkennen und dem Kauf möglicherweise vorzubeugen“. 77 Prozent sind demnach dafür, dass Supermärkte entsprechende Hinweise anbringen, um „Mogelpackungen“ zu kennzeichnen.
Die Euryza GmbH rechtfertigt die Preiserhöhung für Milchreis mit „signifikanten Kostensteigerungen entlang der gesamten Lieferkette“. Auch das Oreo-Stieleis ist geschrumpft. Seit dem vergangenen Jahr enthält die Packung nicht mehr vier Portionen mit jeweils 110 Milliliter, sondern nur noch drei mit je 90, bei gleichem Preis.
Hersteller Froneri gibt an, man sei gezwungen, „Mehrkosten weiterzugeben“ und verweist auf einen „Trend hin zu kleineren Portionsgrößen“. Katjes reduzierte den Inhalt seiner Yoghurt Gums und anderer Fruchtgummis von 200 auf 175 Gramm, der Preis blieb gleich. Das Unternehmen wollte sich auf Anfrage dazu nicht äußern.
Netto testet in einigen Filialen
Experten wie Fassnacht und Valet sehen die Verantwortung bei dem Thema auch beim Handel. Die französische Supermarktkette Carrefour warnt seit September mit Aufklebern vor versteckten Preiserhöhungen. „Das Gewicht dieses Produktes hat sich verringert, und der Preis unseres Lieferanten ist gestiegen“, heißt es. Und: „Wir setzen uns dafür ein, den Preis neu zu verhandeln.“
Carrefour griff damit einem Gesetzesentwurf vor, mit dem die französische Regierung die Industrie verpflichten will, auf Produkten kenntlich zu machen, wenn sich bei gleicher Packung der Inhalt verringert. Wenn die Kommission keinen Einwand hat, könnte der Erlass in Frankreich Ende März kommen.
Auch der zur Edeka-Gruppe gehörende Discounter Netto testet eine Kennzeichnung seit kurzem in einzelnen Filialen. Das Feedback der Kunden sei positiv, heißt es. Ob eine Ausweitung auf alle Märkte geplant ist, will das Unternehmen nicht beantworten.
Die Markenindustrie versuche alles, „um ihre Margen zu maximieren. Dazu gehört neben unverhältnismäßig hohen Preissteigerungsforderungen eben auch der Trick der Shrinkflation“, sagt eine Edeka-Sprecherin.
Edeka selbst hatte im Herbst ebenfalls angekündigt, entsprechende Produkte zu kennzeichnen. „Leider wissen wir nicht, wer von unseren selbstständigen Kaufleuten diese Vorlagen aufgegriffen hat“, heißt es. Der Verbraucherorganisation Foodwatch zufolge ist dies bisher nicht geschehen.