Dass die AfD „keine Partei der kleinen Leute“ ist, wie sie gerne vorgibt, betont ein führender deutscher Ökonom. Er warnt vor Planspielen der AfD-Spitze.
Unter Rechtspopulisten ist die Forderung beliebt: Deutschland möge doch bitte aus der Europäischen Union austreten und zurück zur D-Mark gehen. Erst kürzlich hatte die AfD-Vorsitzende Alice Weidel ein Referendum über einen EU-Austritt Deutschlands ins Spiel gebracht.
„Wenn eine Reform [der EU] nicht möglich ist, wenn wir daran scheitern sollten, die Eigenständigkeit der europäischen Mitgliedsstaaten zu erneuern, dann sollten wir die Bürger abstimmen lassen, so wie Großbritannien es getan hat“, sagte Weidel in einem Interview mit der „Financial Times“. „Wir könnten einen Volksentscheid über den ‚Dexit‘ machen – einen Austritt Deutschlands aus der EU.“
Für Großbritannien hatte der „Brexit“ jedoch schwerwiegende Nachwirkungen. So geriet die britische Wirtschaft in langfristige Turbulenzen, unter anderem wird das Land seit dem EU-Austritt von einem Fachkräftemangel geplagt. Auch wanderten zahlreiche Unternehmen ab.
Londons Bürgermeister Sadiq Khan forderte jüngst eine Wiederannäherung seines Landes an den Europäischen Wirtschaftsraum. Er verwies etwa auf eine Studie, wonach die geschätzte Bruttowertschöpfung in Großbritannien 2023 ohne Brexit um 140 Milliarden Pfund (etwa 162 Mrd. Euro) geringer ausfiel.
Wirtschaftsexperte: AfD „keine Partei der kleinen Leute“
Dass ein „Dexit“ auch für Deutschland unabsehbare wirtschaftliche Konsequenzen haben könnte, darauf weist nun das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) hin. Dessen Ökonomen warnen vor den Folgen der AfD-Politik für Deutschland als Wirtschaftsstandort. Wenn Deutschland aus der Europäischen Union und der Eurozone austräte, „könnte es rund zehn Prozent seiner Wirtschaftsleistung verlieren“, sagte der Leiter des Berliner IW-Büros, Knut Bergmann, der „Rheinischen Post“.
„Das bedeutete einen Wohlstandsverlust von 400 bis 500 Milliarden Euro jährlich, wie die Übertragung einer Studie zu den tatsächlichen Brexit-Folgen zeigt. Als Exportland würde Deutschland von einer solchen Entscheidung stark getroffen – und die Bürger auch: 2,2 Millionen Arbeitsplätze wären bedroht“, sagte Bergmann. Laut einer IW-Umfrage sei es schon jetzt schwierig, in AfD-Hochburgen ausländische Fachkräfte zu gewinnen, erklärte Bergmann.
Dass sich diese Entwicklung, ähnlich wie nach dem Brexit in Großbritannien, im Fall eines „Dexits“ noch verstärken könnte, darauf verweisen Experten seit Langem. Mit womöglich gravierenden Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland und seine Bürger, insbesondere jene am unteren Rand der Gesellschaft. Das betrifft auch andere Bereiche der AfD-Politik, so Bergmann.
„Die AfD ist – anders als sie gerne vorgibt – keine Partei für kleine Leute. Von ihren Steuerplänen würden vor allem Spitzenverdiener profitieren“, sagte der IW-Experte. Es sei wichtig, die Partei inhaltlich zu stellen und den Wählern die Folgen klarzumachen, betonte er.