Innenminister Dobrindt hat die Grenzkontrollen verschärft, Asylsuchende sollen zurückgewiesen werden. Doch mancherorts erweisen sich diese Vorgaben als Luftnummer. Unterwegs an der Grenze.
Für einen kurzen Moment herrscht Aufregung im deutsch-tschechischen Grenzgebiet: Ein Verdächtiger ist auf der Flucht. Mehrere Polizeibehörden beider Länder sind alarmiert und fahnden nach einem Mann in orangefarbenen Hosen und mit tätowierten Armen. Auch eine Streife der Bundespolizei ist in der Nähe und entdeckt ihn schließlich am Grenzübergang zum tschechischen Jiříkov. Die Beamten rennen ihm nach, überqueren dabei die Grenzen und überwältigen ihn letztlich auf tschechischem Staatsgebiet. Die Gefahr ist gebannt.
Kurz darauf treffen die tschechischen Kollegen ein, nach und nach kommen weitere Polizeiautos von beiden Seiten der Grenze angefahren. Beamte von fünf verschiedenen Polizeibehörden schauen so letztlich dabei zu, wie zwei tschechische Polizisten den Mann an eine Häuserwand stellen und ihn filzen.
Der Mann kooperiert, leistet keinen Widerstand – auch wenn er kurz zuvor noch eine 47-jährige Frau in Deutschland zu Boden geschlagen und anschließend auf sie eingetreten hat, weil sie ihn beim Einbruch in ihr Haus erwischt hatte. Die tschechischen Kollegen nehmen ihren Landsmann erst einmal mit, der deutsche Kriminaldienst übernimmt die Ermittlungen.
Möglich wurde diese grenzübergreifende Zusammenarbeit auch durch die Anweisung von Innenminister Alexander Dobrindt, die deutschen Grenzen stärker zu kontrollieren. Dabei ging es dem Innenminister eigentlich nicht um grenzüberschreitenden Einbruchsdiebstahl, sondern um Asylsuchende, als er am 7. März, seinem ersten Arbeitstag, ankündigte, diese künftig bis auf wenige Ausnahmen an den deutschen Grenzen direkt abzuweisen. Eine Vorgehensweise, von der bis heute nicht zweifelsfrei geklärt ist, ob sie im Einklang mit dem europäischen Recht steht.
Doch weil nun an den Grenzen mehr Personal unterwegs ist, steigt die Trefferquote im Bereich der allgemeinen Kriminalität. Wie sehr sie bei den Asylsuchenden steigt, ist umstritten. Zumindest im Gebiet der Bundespolizeiinspektion im sächsischen Ebersbach im Dreiländereck mit 119 Grenzkilometern zu Polen und Tschechien ist von einem großen Andrang Asylsuchender wenig zu spüren.
Dort zeigt Dobrindts Anordnung noch keine Wirkung. Bislang gab es hier genau null solcher Zurückweisungen. Der groß angekündigte Vorstoß der neuen Regierung, die Zahl der Asylsuchenden durch schärfere Kontrollen deutlich zu reduzieren, läuft hier ins Leere. Alles also nur viel Lärm um nichts?
Am Grenzübergang im Bereich der Friedensstraße im sächsischen Zittau nach Polen ist an diesem Morgen wenig Verkehr. Drei Beamte schauen in die Autos, hin und wieder kommt eine kurze Nachfrage, mal kontrollieren sie Ausweise, dann dürfen die Insassen weiterfahren. Einer der Polizisten erzählt nebenbei, am stärksten wirkten sich die zusätzlichen Kontrollen auf die Anzahl seiner Schichten aus: Die steige. Aber noch sei auch das im erträglichen Bereich.
Weil es mehr Kontrollen geben soll, muss es an den Grenzen auch mehr Schichten geben. Da gleichzeitig aber das Personal nicht aufgestockt wird, steigt vielerorts die Arbeitsbelastung. Andreas Roßkopf, Vorsitzender des Bereichs Bundespolizei der Gewerkschaft der Polizei, warnte jüngst: „In diesem Umfang können wir die Kontrollen nur wenige Wochen oder ein paar Monate durchführen.“ Schließlich seien Fortbildungen gestrichen worden, Überstunden könnten nicht abgebaut werden.
An der Grenze zu Tschechien trifft nun Polizeihauptkommissar Alfred Klaner in einem schwarzen Kombi ein. „Ein Streifenwagen war heute Morgen nicht mehr verfügbar“, erklärt er die Fahrzeugwahl. Klaner ist 52, hat kurze graue Haare und trägt unter der Schutzweste eine blaue Strickjacke, denn draußen ist es kühl und regnerisch. Klaner ist eigentlich Pressesprecher der Bundespolizeiinspektion Eberswalde, nun muss auch er Schichten an der Grenze übernehmen.
