Berlin Es blieb den Ärztinnen und Ärzten und den Pflegekräften nicht viel Zeit, um nach den Belastungen der zweiten und dritten Welle der Coronapandemie mal durchzuschnaufen. Nun, wenige Monate nach dem gefühlten Ende der dritten Welle füllen sich die Regular- und Intensivstationen der Krankenhäuser nicht nur in Berlin wieder mit Patientinnen und Patienten, bei denen die Erkrankung mit Covid-19 einen schweren Verlauf nimmt
Warum werden Menschen, die sich mit dem Virus angesteckt haben, so schwer krank? Wie werden sie dann in den Krankenhäusern behandelt, welche neuen Therapien gibt es und
wie haben sich seit dem Beginn der Pandemie die Chancen für die Betroffenen entwickelt? Und wie kann man überhaupt vermeiden, dass man erkrankt?
Diese und viele weitere Fragen haben wir mit Norbert Suttorp besprochen, dem Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie der Charité. Daraus entstand der folgende Textual content, der viele Antworten auf die wieder drängender werdenden Fragen enthält.
Welche Symptome hat man bei Covid-19 und wie unterscheiden sich die von einer Grippe?
Covid-19 steht für „Coronavirus Illness 2019“, additionally die vom Coronavirus verursachte Krankheit. Die ist am Anfang eine Infektion des Rachens und der Atemwege, weshalb die Symptome ähnlich wie bei einer Grippe sein können. Bei beiden Krankheiten treten Fieber und trockener Husten häufig auf: Bei Grippe sind außerdem Kopf- und Gliederschmerzen sowie Müdigkeit typische Begleiterscheinungen, die zwar auch bei Corona auftreten, dort aber seltener.
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Läuft auch noch die Nase, dann ist das eher ein Hinweis auf eine saisonale Erkältung, denn das Symptom anschwellende Schleimhäute in der Nase ist bei Covid-19 oder einer Grippe vergleichsweise selten zu finden.
Neben den Symptomen in den oberen Atemwegen treten bei Covid-19 neurologische Anzeichen hinzu, denn das Virus attackiert auch Nervenzellen. Geht der Geruchs- und Geschmackssinn vorübergehend verloren, ist das ein zu quick 100 Prozent sicherer Hinweis, dass es sich um Covid-19 handelt, und nicht um eine Grippe oder Erkältung.
Es ist nachgewiesen, dass Personen infiziert sein und mit dem Virus fertig werden können, ohne Symptome zu zeigen. Auch Personen, die Beschwerden haben, erkranken meist nicht ernsthaft. Derzeit wird davon ausgegangen, dass der Anteil der eher milden, erkältungsähnlichen Verläufe bei etwa 80 Prozent derer, die überhaupt Symptome zeigen, liegen könnte.
Sicher ist, dass es bei etwa fünf Prozent der Infizierten zu ernsthaften Problemen kommt. In der Regel verschlimmert sich deren Zustand in der zweiten Woche ab dem Auftreten der ersten Symptome. Sie entwickeln dann eine Lungenentzündung. Etwa in der dritten Woche kann sich der Zustand weiter verschlechtern.
Charakterisiert ist diese Part unter anderem durch überschießende, unspezifische Immunreaktionen, die sich vor allem in der Lunge „austoben“, aber auch andere Organe angreifen können. Nach Expertenschätzung nimmt bei einem von 100 Corona-Infizierten die Krankheit Covid-19 einen so schweren Verlauf, dass sie letztlich auf einer Intensivstation behandelt werden müssen. Durch die massenhafte Impfung habe sich dieser Anteil etwa halbiert, sagen Experten.
In der Klinik beginnt dann oft eine Spirale der Verschlechterung. Mehr als 60 Prozent derjenigen, die auf der Intensivstation versorgt werden müssen, benötigen wegen einer stark geschädigten Lunge eine invasive Beatmung, additionally die Sauerstoffversorgung über einen Tubus und Schlauch in der Lunge. Von diesen Patienten stirbt rund die Hälfte, wie eine im April 2021 veröffentlichte Datenanalyse des Wissenschaftlichen Institutes der AOK zeigt.
Welche Behandlungsmöglichkeiten bestehen, wenn man wegen Covid-19 ins Krankenhaus muss?
Bei manchen, besonders anfälligen Menschen, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben und Krankheitssymptome zeigen, verschlechtert sich der Zustand nach etwa zehn Tagen so sehr, dass sie stationär in einem Krankenhaus aufgenommen werden müssen. Erfahrungen aus besonders von der Pandemie betroffenen Ländern lassen vermuten, dass rund fünf Prozent der Coronavirus-Infizierten eine intensivmedizinische Versorgung benötigen. Wenn die Patienten beatmet werden müssen, überlebt im Durchschnitt nur jeder Zweite, einige Kliniken schaffen es mit großem Aufwand, die Sterblichkeit auf 30 Prozent zu senken.
Bei der Therapie im Krankenhaus geht es vor allem darum, die schweren Symptome zu lindern, Folgeerkrankungen wie bakterielle Infektionen oder eine Herzschädigung zu behandeln und der beeinträchtigten Lunge Zeit zu verschaffen, sich zu erholen. Deshalb kommt der Beatmung im Krankenhaus eine besondere Bedeutung zu. Laut den Therapieempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für internistische Intensivmedizinsollen Patienten mit Kurzatmigkeit mit mehr als 30 Atemzügen professional Minute auf der Intensivstation versorgt und überwacht werden.
Für eine Beatmung auf der Intensivstation gibt es vier technische Verfahren, die je nach Schwere der Lungenschädigung eingesetzt werden:
- Bei der Excessive-Movement-Sauerstoff -Therapie muss der Affected person noch selbstständig atmen können. Mit speziellen Schlauchsystemen, die in den Nasenlöchern enden, können ihm 50 Liter Sauerstoff professional Minute zugeführt werden. Zudem lässt sich diese Luft befeuchten und erwärmen und so die Schleimhaut der Atemwege entlasten.
- Bei der zweiten nichtinvasiven Methode gibt es schon etwas mehr Hilfe beim Atmen. In eine fest auf dem Gesicht sitzende Maske wird mit Sauerstoff angereicherte Luft gedrückt und damit das Einatmen unterstützt.
- Bei invasiven Beatmungsgeräten übernimmt das ein Schlauch, der Tubus, der die Luft direkt in die Lunge leitet. Oft wählen Ärzte auf der Intensivstation die Bauchlage für ihre so beatmeten Patienten, weil die Erfahrungen gezeigt haben, dass die Lunge so besser belüftet werden kann. Dabei sind die Patienten medikamentös ruhiggestellt, weil der Tubus als Fremdkörper in Rachen und Lunge steckt, was für die meisten Menschen bei Bewusstsein schwer erträglich ist.
- Ein viertes Verfahren kommt zum Einsatz, wenn die Lunge komplett versagt. Dann wird mithilfe einer sogenannten ECMO („Extrakorporale Membranoxygenierung“) das Blut des Patienten in ein Gerät geleitet, wo es mit Sauerstoff gesättigt und zurück in den Körper geführt wird.
Stationär versorgte Covid-Patienten müssen oft lange im Krankenhaus bleiben, was die Belastung des Personals und die Auslastung der Intensivstationen zusätzlich erhöht. Durchschnittlich liegen Covid-19-Patienten 14 Tage in der Klinik. Bei den nicht beatmeten Patienten ist die Aufenthaltsdauer mit zwölf Tagen deutlich kürzer als bei den Beatmungspatienten mit durchschnittlich 25 Tagen. Knapp jeder vierte Affected person benötigt sogar länger als drei Wochen Beatmung.
Die Sterblichkeit von invasiv beatmeten Covid-Patienten auf den Intensivstationen ist mit etwa 50 Prozent sehr hoch. Besonders gefährdet sind hochbetagte Menschen, die dazu noch unter Begleiterkrankungen leiden, wie zum Beispiel Herz-, Lungen- und Gefäßerkrankungen.
Welche Medikamente können einen schweren Verlauf von Covid-19 mildern?
Liegen die Patienten mit schweren Symptomen erst einmal in der Klinik, verabreichen die Ärzte den Betroffenen vor allem Dexamethason, ein kortisonhaltiges Präparat, das das Immunsystem dämpft und Entzündungsreaktionen verringert. Erfahrungen zeigen, dass das Mittel die Sterblichkeit in der Klinik um 30 Prozent reduzieren kann.
Kann man verhindern, dass es überhaupt zu einem schweren Krankheitsverlauf kommt?
Neu entwickelte Medikamente, die kurz vor der Zulassung stehen oder bereits zugelassen wurden, machen Hoffnung, dass die hohe Sterberate nicht so bleibt. Dabei handelt es sich zum einen um Präparate, die in den Prozess der Vervielfältigung des Viruserbgutes in der infizierten Zelle stören. Dadurch entstehen zwar weiter neue Viruskopien. Diese sind allerdings so fehlerhaft zusammengesetzt, dass sie nicht mehr in weitere Körperzellen eindringen können.
Die zweite Gruppe sind Medikamente, die in Zellkulturen hergestellte, sogenannte monoklonale Antikörper enthalten. Diese richten sich gegen die Spikes auf der Oberfläche des Virus‘, mit deren Hilfe der Erreger in die Körperzellen eindringt, um sie zu Virusfabriken umzuprogrammieren. Die Medikamente sollen die Ausbreitung der Infektion unterbinden, bevor
das Immunsystem entgleist und zu den schweren Krankheitsverläufen führt, die eine intensivmedizinische Therapie erfordern.
Denn ist das erst einmal passiert, bringen die antiviralen Medikamente keinen Nutzen mehr. Deshalb müssen diese frühzeitig nach der Infektion eingesetzt werden, lange bevor die Betroffenen so schwere Symptome zeigen, wegen derer sie ins Krankenhaus müssten. Die Mittel ergeben additionally nur Sinn bei Menschen, bei denen wegen hohen Alters, weiterer Begleiterkrankungen oder genetischer Veranlagung ein schwerer Covid-Verlauf wahrscheinlich ist.
Eine altbewährte Methode, eine Infektion gar nicht erst gefährlich werden zu lassen, sondern im Keim zu ersticken, ist eine Impfung. Mithilfe von toten, abgeschwächten Erregern oder deren Bestandteilen wird das Immunsystem geschult, einen Krankheitserreger schnell zu erkennen und zu bekämpfen. Gegen das Coronavirus wurden Impfstoffe bereits nach sehr kurzer Zeit entwickelt, bei denen Erbinformationen des Erregers – die sogenannte Messenger-RNA oder mRNA – dem Körper injiziert werden. Diese Baupläne lesen die Körperzellen ab und vervielfältigen so selbst die Spikeproteine, mit denen das Coronavirus in die Körperzellen eindringt.
An diesem quasi selbst hergestellten Impfstoff kann das Immunsystem für den Ernstfall trainieren. Der Impfstoff soll erreichen, dass das Immunsystem zum einen Antikörper
bildet, die die Spikes an den echten Viren sofort blockieren und so deren Vermehrung im Körper verhindert. Zum anderen sollen passende T-Zellen entstehen, die erkennen können, wenn eine Körperzelle mit dem Coronavirus befallen ist, und diese zerstören.
Zudem gibt es auch „herkömmliche“ Impfstoffe. Das sind zum einen die sogenannten Vektorimpfstoffe. Diese nutzen einen harmlosen, nicht vermehrungsfähigen Vektorvirus, um mit ihm die genetischen Informationen für das Spikeprotein des Coronavirus in die Zellen zu schleusen, wo es vermehrt wird und dann ebenso wie beim mRNA-Impfstoff als Trainingsmodell für das Immunsystem dient. Zu dieser Klasse zählen die Impfstoffe von Astra-Zeneca und Johnson&Johnson.
Außerdem gibt es die klassischen Impfstoffe. Bei diesem seit Jahrzehnten etablierten Verfahren werden ungefährliche Teile des ursprünglichen Erregers oder dessen inaktivierte Versionen injiziert. Noch sind diese für das Coronavirus in der EU nichtzugelassen. Aber ein entsprechender Antrag wurde jetzt von Novavax gestellt. Deren Impfstoff enthält das nachgebaute Spikeprotein des Coronavirus.
Dieser Textual content ist zuerst im Tagesspiegel erschienen.
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