Zentralbanken versuchen, einer hohen Inflation mit hohen Leitzinsen entgegenzuwirken. Aber was passiert, wenn die Börsen eine Leitzinssenkung erwarten?
Die Konjunktur besorgt viele. Da ist es naheliegend, eine Senkung der Leitzinsen zu fordern. Doch die Euro-Währungshüter geben nicht nach: Der Zins bleibt bei 4,5 Prozent. Das entschied der EZB-Rat bei seiner ersten Sitzung im neuen Jahr. EZB-Präsidentin Christine Lagarde sagte in Frankfurt nach den Beratungen, „dass es verfrüht ist, über Zinssenkungen zu diskutieren“.
Etliche Volkswirte rechnen nun frühestens im Juni mit einem ersten Zinsschritt nach unten. Aber was passiert an den Aktienmärkten, wenn die Leitzinsen sinken? Und wie können Anleger sich darauf vorbereiten?
Kommt es zum Crash?
Irgendwann dürfte es einen Crash am Aktienmarkt geben, oder zumindest eine starke Korrektur. Das haben wir bereits 2008, 2015, 2018 oder im Februar 2020 gesehen. Richtig ist auch: Die Aktienrallye endet – aber niemand weiß, wann.
Die jüngsten Zinssenkungsfantasien der Anleger haben vor allem eines bewirkt: die Aktienkurse befeuert. Dass die Leitzinsen schnell sinken, ist nicht ausgemacht. Weder in der EU noch in den USA. Laut US-Währungshüterin Mary Daly liegt viel Arbeit vor der amerikanischen Zentralbank (Fed), um die Inflation wieder auf das Zwei-Prozent-Ziel zu bringen. Den genauen Termin kennen auch Experten nicht. Ein Grund, um zu spekulieren.
Zinssenkungen zur Jahresmitte erwartet
Nach Ansicht vieler Ökonomen wird die US-Notenbank Federal Reserve im zweiten Quartal die Zinsen senken. Die Nachrichtenagentur Reuters hatte 123 Volkswirte befragt: 16 Befragte erwarten, dass die Zinssenkung bereits im März erfolgt. 86 gehen davon aus, dass die Währungshüter die von Anlegern und Investoren erhoffte Zinswende im Mai oder Juni vollziehen werden.
Die Präsidentin des US-Notenbankbezirks San Francisco stellte in einem Interview mit Fox Business Network in der vergangenen Woche fest, dass man mehr Hinweise auf eine sinkende Inflation benötige, um sich zuversichtlich genug zu fühlen, die Geldpolitik entsprechend zu ändern.
„Wir sind fest entschlossen, die Preisstabilität wiederherzustellen und natürlich so behutsam wie möglich, aber wir haben noch viel zu tun. Wir sind noch nicht am Ziel und es ist viel zu früh, um den Sieg zu verkünden“, ergänzte Daly. Fed-Direktoriumsmitglied Christopher Waller hatte jüngst betont, es dürfe „nicht überstürzt“ gehandelt werden. Er dämpfte damit Markterwartungen einer raschen Zinswende.
Gute Laune bei Anlegern
Noch immer ist die Laune bei Anlegern gut. Aber wie heißt die alte Börsenweisheit: „The Trend is your friend“. Was nichts anderes bedeutet, als dass Investoren und Anleger nicht gegen einen stabilen Aufwärtstrend spekulieren sollten. Bestätigung kam am vergangenen Dienstag vom Nasdaq 100: Der Index erreichte ein neues Allzeithoch bei 17.566 Punkten, angetrieben von guten Zahlen des südkoreanischen Halbleiterherstellers TSMC.
Davon profitierten auch Konkurrenten wie AMD, Nvidia und Marvell. „Der KI-Boom scheint in der Tat die nächste große Welle des technologischen Wandels zu sein“, sagte Aaron Clark, Portfoliomanager bei der Investmentfirma GW&K. Aber auch hier gilt: Welche Auswirkungen künstliche Intelligenz auf die Produktivität der Unternehmen hat, ist noch unklar.
Auch starke Geschäftszahlen des Streaming-Dienstleisters Netflix und des niederländischen Chipherstellers ASML trieben den US-Index S&P 500 auf ein neues Allzeithoch am Mittwoch bei 4.889 Punkten – so hoch wie noch nie. Der Dax kletterte um anderthalb Prozent auf 16.879 Zähler, der Eurostoxx50 legte um zwei Prozent auf 4.548 Punkte zu.
Eigenheime als Gradmesser für die US-Konjunktur
Ein guter Indikator, wie gut der Motor der amerikanischen Wirtschaft läuft, ist der Eigenheimverkauf. Im vergangenen Jahr sanken die Wiederverkäufe von Eigenheimen in den USA um 18,7 Prozent auf 4,09 Millionen Einheiten – und damit auf den niedrigsten Stand seit 1995. Mit Verzögerung von drei Tagen brachen die Kurse der Hausverkäufer D.R. Horton, Lennar, KB Home, NVR um teilweise mehr als zehn Prozent ein.