Die größte Nebelkerze zündete Kai Wegner
Stellen Sie sich vor, ich halte in meinen Händen einen Stein und verspreche, dieser schütze gegen Haiattacken in der Havel. Das offensichtliche Ausbleiben jener Angriffe kann ich dann als hinreichenden Beweis für die Wirksamkeit meines Talismans anführen.
An diese Geschichte erinnert das Gebaren der Berliner Regierung nach der großspurig angekündigten „Nacht der Repression“. Das Ausbleiben großer Krawallen wird als Erfolg der massiven Polizeipräsenz gewertet. Die Erleichterung ist verständlich – nach dem unruhigen Silvester 2022/23 und mit Blick auf die Stimmung auf den Berliner Straßen in Folge des entflammten Nahostkonflikts. Ebenso ist es verständlich, dass die Regierung unter Kai Wegner (CDU) endlich einen öffentlichkeitswirksamen Erfolg für sich verbuchen will, der auch bundesweit wahrgenommen wird. Allzu viele Pluspunkte konnte man ja bisher nicht sammeln, weder bundesweit noch in Berlin.
In einer öffentlichen Debatte, in der schnell nach härteren Strafen gerufen wird, machen sich markige Worte und der scheinbare Erfolg einer „harten Hand“ oder eben „Repression“ besser als die – wie immer – etwas komplexere Realität. Präventionsmaßnahmen, die sich auch abseits von Strafen und Vorverurteilungen an Jugendliche in Problembezirke wenden, haben wohl ebenso zu einem Silvester geführt, das verhältnismäßig normal war. Dazu kommen Schreckensszenarien, die im Vorfeld beschworen wurden, durchzogen von rassistischen Ressentiments und pauschalen Vorverurteilungen ganzer Stadtteile.
Wenn diese dann nicht eintreten, kann man das natürlich als Erfolg einer Politik der Härte verkaufen, sich beruhigt zurücklehnen und die Menschen in Problembezirken wieder allein lassen. Nur, um sich dann wieder, pünktlich ein Jahr später, auf sie zu stürzen und für die eigene PR zu missbrauchen. Oder man könnte sich auch abseits von Silvester um sie kümmern, mit echten Perspektiven anstatt Abwertung und Ausgrenzung. Aber das wäre wohl zu viel verlangt.