Rom Wenn man in einem italienischen Restaurant Nachschlag bestellt, heißt das „bis“. Am Samstagabend, nach sechs zähen Wahltagen und nunmehr acht Wahlgängen ist klar: Italien bekommt „Mattarella bis“, wie die zweite Amtszeit von Sergio Mattarella schon genannt wird. Der 80-Jährige hatte schon seinen Auszug aus dem Quirinalspalast organisiert, eine neue Wohnung in Rom angemietet. Immer wieder schloss er aus, noch einmal sieben Jahre dranzuhängen. Nun tut er es doch – wohl aus Pflichtbewusstsein, aus Angst vor instabilen Verhältnissen.
Italien hat in den vergangenen Tagen ein politisches Chaos erlebt. Immer wieder wurden leere Wahlzettel abgegeben, ganze Fraktionen enthielten sich, auf den Stimmzetteln landeten aus Protest Namen von Profi-Kickern oder Schauspielern. Die Parteien, die derzeit in einer breiten Koalition die Regierung stellen, konnten sich nicht auf einen Kandidaten für das vor allem repräsentative Amt einigen. Dutzende Namen kursierten, niemand bekam die erforderliche Mehrheit. Auch nicht Premier Mario Draghi, der seit Monaten als Favorit auf den Präsidentenposten galt.
Samstag dann die überraschende Wende: Am Vormittag traf sich ebenjener Draghi mit Mattarella, wie Quellen aus dem politischen Rom bestätigen. Dort soll Draghi den Präsidenten gebeten haben, erneut zu kandidieren: für das Wohl des Landes, für politische Stabilität. Anschließend trafen sich die Fraktionschefs aus dem Parlament mit Mattarella – und drückten ihr Wohlwollen für die Lösung aus. Abends um 20:22 Uhr ist es dann endlich soweit: Bei der Auszählung im Parlament schafft Mattarella das erforderliche Quorum von 505 Stimmen, die Abgeordneten stehen auf, applaudieren minutenlang.
Regierungskrise und Neuwahlen sind abgewendet
Damit ist auch direkt das nächste politische Fragezeichen abgeräumt, vor dem Italien bei einer Wahl Draghis zum Präsidenten gestanden hätte: Wer hätte dem ehemaligen Notenbanker als Premier nachfolgen sollen? Es gab sogar die berechtigte Angst, dass dann die breite Koalition, die von Linken und Sozialdemokraten über Liberale bis hin zu Rechtspopulisten reicht, zusammengebrochen wäre. Dann hätte Italien zwar einen im In- wie Ausland angesehen Präsidenten gehabt – aber möglicherweise direkt vor vorgezogenen Neuwahlen gestanden. Ein Szenario, das vor allem Unternehmer und Finanzmärkte gefürchtet hatten.
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Dank Mattarellas Einlenken bleibt nun alles beim Established order: Draghi kann weiter die Regierung führen, bis die Legislatur spätestens im Mai 2023 endet. Dann stehen Parlamentswahlen an. Die Frage ist nur, wie stark Draghis Mandat nun ist, ob er weiter so durchregieren kann wie bisher – oder ob bald ein langer Wahlkampf zwischen den linken und rechten Polen in der Regierung beginnt, der die Koalition lähmen könnte?
„Nach dem Sommer, spätestens im September, kommen wir in die Wahlkampfphase“, erklärte Giovanni Orsina von der römischen Universität Luiss. Egal wer regiere: In der Vorwahl-Periode werde es schwierig, tiefgreifende Reformen durchzubringen. Doch bis dahin ist noch viel Zeit. Und Draghis Regierung, in der in Schlüsselpositionen Technokraten und keine Politiker sitzen, hat in weniger als einem Jahr bewiesen, wie ernst Reformeifer und Wille sind, um das Land nachhaltig zu modernisieren.
Auch wenn Mattarella nie für die zweite Amtszeit kandidiert hat, wuchs die Zahl der Wahlzettel mit seinem Namen in den vergangenen Tagen immer weiter an. Am Montag, im ersten Wahlgang, holte der Sizilianer 16 Stimmen, am Donnerstag waren es bereits 166. Nur am Freitagmorgen gab es einen Einbruch: Dort versuchten die Parteien des Mitte-Rechts-Blocks eine Kandidatin durchzudrücken. Doch Maria Elisabetta Alberti Casellati, Präsidentin des Senats, scheiterte. Am Samstagmorgen schnellten die Stimmen für den neuen und alten Präsidenten dann wieder auf ein neues Hoch: 387.
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