Eine junge Familie hat Angst, die eigene Wohnung zu verlassen. Die Mutter fürchtet sich nach einem Übergriff vor noch heftigeren Attacken und sucht Hilfe.
Eine schwarze Familie aus Hamburg-Altona lebt nach einem rassistischen Übergriff am Montagmorgen in Angst. „Ich will hier nur noch weg“, sagt die 34-jährige Mutter zu t-online. Am Montagmorgen hatten Nachbarn rassistische Plakate an ihrer Wohnungstür entdeckt, auf der Fußmatte darunter lag Hausmüll. Von dem gerade erst angeschafften Kinderwagen, der im Treppenhaus abgestellt war, sind nur noch die Metallstangen übrig: Er wurde auf dem Gehweg vor dem Haus angezündet.
Die aus Ghana stammende alleinerziehende Mary (Name von der Redaktion geändert) ist verstört und traut sich nicht mehr vor die Tür. „Wir können hier nicht bleiben. Wer weiß, was noch passiert“, sagt sie. Sie kann ihre Tränen kaum zurückhalten. Mary lebt mit ihren beiden Kindern, einem dreijährigen Sohn und seiner fünfjährigen Schwester, in einer Etagenwohnung im Stadtteil Ottensen.
Hassplakate im Stil der AfD beschlagnahmt
Die Plakate, die an der Tür hingen, hat die Polizei mitgenommen. Der Staatsschutz ermittelt wegen Volksverhetzung und Beleidigung. „First class nach Afghanistan – Es sind noch Plätze frei“ oder „Mehr Wohnraum auch durch Abschiebung“ steht auf zwei Zetteln. Drei der an der Tür aufgehängten Plakate lassen sich auch auf offiziellen Kanälen der AfD finden. Ein weiterer Zettel enthält brutale Gewaltfantasien.
Es sei nicht das erste Mal, dass sie in ihrem Haus mit Rassismus zu tun gehabt habe, erzählt Mary. Mit einem Paar, das im Haus lebe, gebe es oft Streit wegen Lärms. Der Dreijährige sei Autist und deswegen hyperaktiv, berichtet die Mutter. Deswegen sei er oft laut. Das Paar hätte sie schon als „Tiere“ und „Buschleute“ beleidigt – und gedroht: „Wait and see“, soll der Mann mehrfach gesagt haben.
Wohnt der Täter im selben Haus?
Die Polizei ermittelt gegen unbekannt. Dabei werde auch das nachbarschaftliche Umfeld in Betracht gezogen, heißt es aus Polizeikreisen. Eine andere Hausbewohnerin, die anonym bleiben möchte, bestätigt t-online, dass sie schon länger von dem Konflikt wisse. „Das ging schon kurz nach dem Einzug der Familie los“, sagt sie. Und: Wegen Problemen mit Lautstärke hätten auch schon andere Parteien in dem Haus Streit gehabt. „Das Gebäude ist mehr als nur hellhörig, jedes dumpfe Geräusch geht durch das ganze Haus.“
In der Gegend leben mehrere schwarze Personen, erzählen die Betroffene und andere Anwohner. Über andere rassistische Übergriffe sei nichts bekannt. Eine wahllose Attacke scheint daher unwahrscheinlich zu sein, vielmehr muss von einem gezielten Einschüchterungsversuch gegen Mary ausgegangen werden. Ob der Nachbarschaftsstreit damit im Zusammenhang steht, ist offen.
Auch bei der kommunalen Wohnungsgesellschaft Saga, der das Haus gehört, weiß man von dem Vorfall. Die Saga sei „mit der betroffenen Mietpartei im engen Austausch und wird alle erforderlichen Maßnahmen diesbezüglich veranlassen“, heißt es auf Anfrage. Sollte sich rausstellen, dass der oder die Täter Mieter der Saga seien, würden alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, „was eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses ausdrücklich einschließt“.
Schock im Viertel sitzt tief
Der Hass, unter dem die Familie leidet, ist alles andere ein Einzelfall: Die Fallzahlen in Hamburg steigen. Im Jahr 2023 wurden 539 Straftaten im Bereich Hasskriminalität gezählt, wie aus einer aktuellen Anfrage in der Bürgerschaft hervorgeht – 400 davon fallen unter den Phänomenbereich „rechts“. Laut NDR hatte es 2022 noch 361 Fälle von Hasskriminalität gegeben.
Für Mary steht das Finden einer neuen Wohnung an oberster Stelle. „Ich brauche einen sicheren Platz für meine Kinder“, sagt sie. Wie sie das anstellen soll, weiß sie noch nicht. Weil die Erziehung ihres Sohnes so schwierig sei, habe sie kaum soziale Kontakte. Möglicherweise gebe es schon in wenigen Tagen eine Besichtigungsmöglichkeit, heißt es vom Bezirksamt auf Anfrage. So lange wird Mary noch aushalten müssen. „Ich muss hier weg“, wiederholt sie zum Abschied.