„Fritze erzählt Tünkram“
Merz verspottet Scholz – der reagiert ungewöhnlich
Aktualisiert am 17.12.2024 – 01:40 UhrLesedauer: 3 Min.
Friedrich Merz unterstellt dem Kanzler Führungsschwäche, der keilt nun zurück. Daraufhin ergreift der CDU-Chef wieder das Wort – und zeigt sich empört.
Olaf Scholz gilt als gleichmütig. Der Norddeutsche lässt sich nicht leicht aus der Ruhe bringen, so beschreiben es jene, die den Sozialdemokraten kennen. Eine Kritik des Oppositionsführers scheint den am Montag durch eine verlorene Vertrauensfrage abgewählten Kanzler allerdings nicht kaltgelassen zu haben. „Fritze Merz erzählt gern Tünkram“, sagte er am Abend im „heute journal“.
Der Begriff Tünkram ist Plattdeutsch und heißt so viel wie dummes Zeug oder Unsinn. Der in Hamburg aufgewachsene Regierungschef nahm mit dem Dialektwort Bezug auf harsche Kritik von Merz, die dieser am Wochenende geäußert hatte. Ungewöhnlich an der Antwort des Kanzlers ist auch der Umstand, dass er Merz‘ Vornamen zu „Fritze“ verulkt. Ähnliche Verballhornungen sind zuletzt vor allem im US-Wahlkampf durch Donald Trump bekannt geworden.
In seinem Newsletter „MerzMail“ hatte der CDU-Chef zuvor gepoltert, Scholz sei im Kreise der EU-Chefs ein „Totalausfall“. Kaum jemand habe noch Lust, mit dem SPD-Mann zusammenzuarbeiten, weil dieser entweder belehrend auftrete oder „stundenlang schweigend dasitzt“. Im Bundestag hatte Merz am Montagnachmittag nachgelegt, der CDU-Parteichef sagte, es sei „zum Fremdschämen“, wie der Kanzler sich in der EU bewege.
Tatsächlich war Scholz zuletzt nicht bei einem Treffen zwischen Emmanuel Macron, Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj in Paris dabeigewesen. Auch einen Austausch zwischen dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk und Macron in Warschau schwänzte Scholz. Bereits Ende November fiel seine Abwesenheit auch bei der Zusammenkunft Nordic-Baltic-8 (NB8) der baltischen und nordischen Staaten auf.
Bei diesen Treffen ging es unter anderem um die Ukraine und die Bedrohung durch Russland – und wie die europäischen Länder eine gemeinsame Strategie angesichts dieser Herausforderungen finden können. Scholz war bei den Gipfeln entweder erst gar nicht eingeladen oder verhindert.
Daraufhin hatte unter anderem der grüne Außenexperte Anton Hofreiter dem Kanzler mangelnden Führungswillen vorgeworfen. „Es ist ein Problem, dass Olaf Scholz nicht in der Lage ist, der deutschen Führungsrolle in Europa gerecht zu werden und sich mit unseren europäischen Partnern zu koordinieren“, sagte Hofreiter dem „Spiegel“. Bereits der frühere britische Verteidigungsminister Ben Wallace hatte Scholz im Frühjahr harsche Vorwürfe im Hinblick auf dessen Ukrainepolitik gemacht. „Er ist der falsche Mann am falschen Platz zur falschen Zeit“, so Wallace.
Merz schlug nun in die gleiche Kerbe. Scholz konterte die Attacke seines Kontrahenten im ZDF. Alles „Tünkram“, sei das. Zugleich stellte er den Charakter des Christdemokraten infrage. „Das wird ja nicht die einzige Sache sein, wo er sich so verhält“, sagte Scholz. „Er hat es schon oft gezeigt und wird es auch noch im Wahlkampf oft zeigen. Die Bürger werden sich ihren Reim darauf machen“.
Auf die Vorwürfe des Ex-Kanzlers reagierte Merz – ebenfalls im „heute journal“ – empört. „Ich verbitte mir das, dass der Herr Bundeskanzler mich in dieser Art und Weise hier persönlich bezeichnet und angreift. Aber das ist offensichtlich ein Muster, das wir jetzt sehen“.
Merz führte als Beispiel an, dass Scholz am Nachmittag im Bundestag auch FDP-Chef Christian Lindner „die sittliche Reife“ für ein Regierungsamt abgesprochen habe. „Er redet ständig über Respekt. Aber in dem Augenblick, wo jemand anderer Meinung ist als er, hört sein Respekt eben auf. Ich werde mich auf dieses Niveau nicht begeben“, sagte Merz.
Weiter sagte Merz: „Ich erwarte diesen Respekt im Umgang miteinander, damit unsere Demokratie am Ende des Tages nicht noch mehr Schaden nimmt, als sie jetzt schon Schaden genommen hat unter der Regierung, die gerade auseinandergebrochen ist.“
Angesichts von Scholz‘ Auftritt am Montag im Bundestag warf der neue Grünen-Chef Felix Banaszak dem Kanzler einen fatalen Mangel an Selbstkritik vor. „Ich meine, wenn man nach drei Jahren es nicht mehr schafft, eine Regierung zusammenzuhalten und dann mit einem Selbstbewusstsein vors Plenum tritt, als hätte man alles richtig gemacht und als würde es nur darum gehen, genau das Gleiche weiterzumachen, dann sendet man doch das Signal an die Menschen in diesem Land: Wir haben nichts von dem verstanden und mitbekommen, was auch es an Kritik gab“, sagte Banaszak in der Fernsehsendung „RTL direkt“. Die Grünen dagegen würden lieber zeigen, dass sie aus den Debatten der letzten Jahre gelernt hätten.