Kanzlerkandidatur
Taurus und Schuldenbremse: Scholz startet in den Wahlkampf
Aktualisiert am 22.11.2024 – 13:11 UhrLesedauer: 4 Min.
Die Entscheidung in der K-Frage der SPD ist erst nach quälenden Debatten gefallen. Scholz macht es noch einmal. Bei seinem ersten Wahlkampfauftritt versucht er sich und seiner Partei Mut zu machen.
Nach der Klärung der K-Frage durch die SPD-Spitze ist der Kanzler und designierte Kanzlerkandidat Olaf Scholz mit einer Rede vor gut 100 Kommunalpolitikern in den Wahlkampf gestartet. Er bekräftigte darin sein Nein zur Lieferung des Marschflugkörpers Taurus in die Ukraine, warb für eine Reform der Schuldenbremse und für mehr bezahlbaren Wohnraum. Auf die Querelen bei der Entscheidung über die Kanzlerkandidatur ging er mit keinem Wort ein.
14 Stunden vor seinem Auftritt auf dem Kommunalkongress war die Entscheidung über die K-Frage gefallen, aber erst nach einer quälenden Debatte darüber, ob der weitaus beliebtere Verteidigungsminister Boris Pistorius als Ersatzkandidat einspringen soll. Pistorius erklärte zuerst seinen Verzicht. Anschließend kündigte die Parteispitze an, dass der Parteivorstand Scholz am Montag nominieren werde. Das letzte Wort hat dann der Parteitag am 11. Januar, auf dem sich die Partei für die Wahl am 23. Februar aufstellt.
„An diesem Datum wollen wir zeigen, wofür wir stehen, wie wir dieses Land weiterhin führen können“, sagte Scholz in seiner Rede. Dabei solle die SPD auch auf die Erfolge aufbauen, die sie bisher erreicht habe. Auf die schwierige Ausgangslage mit einem Rückstand von bis zu 19 Prozentpunkten auf die Union ging Scholz nicht ein. Er versuchte aber mit einem Scherz, sich und seiner Partei Mut zu machen: Die Wahl finde am Geburtstag von Parteichef Lars Klingbeil und seiner Frau Britta Ernst statt. „Es muss also gut gehen.“
Gleich als erstes Thema sprach Scholz den Ukraine-Krieg an und bekräftigte seinen Kurs der „Besonnenheit“. Es sei richtig gewesen, Deutschland zum wichtigsten Unterstützer der Ukraine nach den USA zu machen, sagte er. Es gehe aber auch darum, einen Krieg zwischen Russland und der Nato zu verhindern. „Das habe ich getan.“ Den Einsatz von russischen Mittelstreckenraketen nannte er „eine furchtbare Eskalation“ und er machte klar, dass er von seinem Nein zur Lieferung der Taurus-Marschflugkörper nicht abrücken werde.
Von den bisherigen Errungenschaften würdigte Scholz unter anderem die Reformen in der Migrationspolitik. Und er warb für die Reform der Schuldenbremse, an der die Ampel-Koalition mit zerbrochen ist. „Wir werden sie nicht wegkriegen, wir wollen sie auch nicht wegkriegen“, sagte er. Aber eine „moderate Reform“ sei notwendig.
Gegenwind bekam Scholz beim Kommunalkongress nicht. In einer Fragerunde wurde die holprige Klärung der K-Frage genauso wenig angesprochen wie die Entscheidung selbst. Der Kanzler wurde nach seiner Rede mit stehendem Applaus gefeiert.
SPD-Chef Lars Klingbeil rief die Kommunalpolitiker auf, nach den Querelen der letzten Tage geschlossen in den Wahlkampf zu ziehen: „Wenn die SPD was kann, dann ist das kämpfen.“ Er schwor seine Partei auf einen harten Wahlkampf ein: „Die Aufholjagd, die beginnt jetzt, und da brauchen wir Euch“, sagte Klingbeil. „Ich habe Lust auf diesen Wahlkampf und ich will mit Euch gewinnen.“
Klingbeil ist wegen des Managements der K-Frage selbst in die Kritik geraten. Die Parteiführung hatte darauf verzichtet, Scholz gleich nach dem Platzen der Ampel-Regierung und der Entscheidung für eine Neuwahl als Kanzlerkandidaten zu nominieren. Sie ermöglichte so erst die Debatte über Pistorius, die mit einer Äußerung von Fraktionschef Rolf Mützenich über „Grummeln“ in der Partei begann. Immer mehr SPD-Politiker auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene sprachen sich anschließend offen für Pistorius aus.
Klingbeil verteidigte sein Vorgehen aber. „Natürlich muss diskutiert werden in der Partei. „Ich bin ein Parteivorsitzender, der nicht sagt Basta (…), sondern ich will auch reinhorchen in die Partei, ich will auch ernst nehmen, was diskutiert wird.“
Die Ausgangslage für Scholz könnte ungünstiger kaum sein. Wenn er wiedergewählt werden will, muss er eine extreme Aufholjagd hinlegen. In den Umfragen liegt die SPD aktuell mit Werten zwischen 14 und 16 Prozent noch hinter der AfD mit 17 bis 19 Prozent und weit hinter der Union mit Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU), die auf Werte zwischen 32 und 34 Prozent kommt. Im aktuellen ARD-Deutschlandtrend haben jetzt sogar die Grünen mit der SPD gleichgezogen.