New York, Düsseldorf Nach mehr als einer Woche Krieg steht die Ukraine unter massivem Druck und macht dem Westen Vorwürfe. Die wichtigsten Geschehnisse der Nacht im Überblick.
Russische Truppen setzen nach ukrainischen Armeeangaben ihre Offensive gegen die Ukraine mit Luftunterstützung und dem Einsatz von Hochpräzisionswaffen fort. Die Hauptanstrengungen der russischen Seite bestünden darin, die Städte Kiew und Charkiw zu umzingeln, heißt es in einem in der Nacht zu Samstag veröffentlichten Bericht der ukrainischen Armee.
Russische Truppen versuchten zudem weiter, die administrativen Grenzen der Regionen Luhansk und Donezk zu erreichen, um so einen Landkorridor von der von Russland annektierten Halbinsel Krim zu den Separatistengebieten zu schaffen. Die Verteidigungskräfte Kiews schlügen weiter die „feindliche Offensive“ zurück und brächten angreifenden Truppen Niederlagen bei.
Auch die Großstadt Mariupol mit 440.0000 Einwohnern stand unter Druck. Die russischen Truppen hörten nicht auf, Schwachstellen in der Verteidigung der Stadt Mariupol zu identifizieren, hieß es weiter. Bürgermeister Wadym Boitschenko sprach in der Nacht zu Samstag auf Telegram von einer „Blockade“ und sagte, er hoffe auf einen humanitären Korridor aus der Stadt.
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Das russische Militär kündigte dann am Samstagmorgen eine Feuerpause für eben solche Korridore in Mariupol und auch für die Stadt Wolnowacha an. Die Einstellung des Feuers trete um 8 Uhr (MEZ) in Kraft, damit Zivilisten die eingekesselten Städte verlassen können, teilte das russische Verteidigungsministerium der Agentur Interfax zufolge mit.
Auf der anderen Seite berichtet die russische Agentur Tass mit Bezug auf Vertreter der LNR in der Nacht zu Samstag, die ukrainische Armee habe binnen 24 Stunden dreimal zwei Siedlungen in der selbst ernannten Volksrepublik Luhansk (LNR) beschossen. Particulars zu möglichen Opfern oder Schäden gebe es noch nicht.
Weder die Angaben von ukrainischer Seite noch die russischen Berichte konnten unabhängig überprüft werden.
Dritte Verhandlungsrunde der Kriegsparteien
Die angekündigte dritte Verhandlungsrunde über einen Waffenstillstand soll an diesem Wochenende vermutlich wieder in Belarus stattfinden. Ein genauer Termin wurde zunächst nicht genannt.
Der russische Regierungssprecher Dmitri Peskow erklärte laut Agentur Tass, es gehe Moskau um Sicherheitsgarantien. Er hoffe, dass die Ukraine bei den Verhandlungen die russischen Forderungen akzeptiere. Putin hat unter anderem das Ziel ausgegeben, die ukrainische Führung abzusetzen.
Präsident Selenski warnt: „Wenn die Ukraine fällt, fallen wir alle“
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski macht der Nato bittere Vorwürfe, weil sich die westliche Allianz nicht militärisch in den Konflikt einbringen will. In einer Reside-Schalte zu Solidaritätsdemos in Europa warnte Selenski vor den Auswirkungen des Krieges auf den ganzen Kontinent: „Wenn die Ukraine fällt, werden alle fallen.“
Er reagierte enttäuscht, dass die Nato es ablehnt, eine Flugverbotszone über dem Kriegsgebiet durchzusetzen, wie es die Ukraine zuletzt gefordert hatte. Damit habe die Allianz grünes Licht für eine weitere Bombardierung ukrainischer Städte und Dörfer gegeben, sagte er in seiner Videoansprache.
Das westliche Bündnis lehnt das Ansinnen ab, weil es eine direkte Beteiligung an Kriegshandlungen nach sich ziehen könnte. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg machte dies am Freitag erneut deutlich.
Selenski rief die unter anderem in Frankfurt, Paris, Bratislava, Vilnius, Prag und Tiflis versammelten Menschen zu einer Schweigeminute für die Männer, Frauen und Kinder, Soldaten, Polizisten und Zivilisten auf, die bisher seit dem Angriff Russlands auf das osteuropäische Land ums Leben kamen. In Frankfurt waren nach Polizeiangaben intestine 2000 Menschen zusammengekommen, viele von ihnen mit ukrainischen Flaggen oder Kleidung in den ukrainischen Landesfarben Gelb und Blau.
Der Präsident der Ukraine forderte die Menschen in Europa auf: „Schweigt nicht, geht auf die Straße, unterstützt die Ukraine.“ Wenn die Ukraine in diesem Konflikt siege, dann werde das auch der Sieg der ganzen demokratischen Welt sein, „der Sieg des Lichts über die Dunkelheit.“ Der Präsident verabschiedete sich mit kämpferisch gereckter Faust und den Worten „Ruhm der Ukraine“.
Die Flüchtlingslage spitzt sich zu
Das Welternährungsprogramm (WFP) der Vereinten Nationen äußert sich besorgt über die Versorgungslage der Zivilbevölkerung in der Ukraine. „Die Lage für die Menschen in der Ukraine hat sich durch die erbitterten Kämpfe dramatisch zugespitzt.“, sagte Martin Frick, Direktor des WFP in Deutschland, der Funke Mediengruppe zufolge. Nahrungsmittel und Trinkwasser könnten an einigen Orten der Ukraine knapp werden.
Die Priorität der UN-Organisation sei es jetzt, Versorgungswege nach Kiew und in die Epizentren des Konflikts zu etablieren, bevor die Kämpfe weiter eskalieren. Es sei ein Wettlauf gegen die Zeit.
In Deutschland und anderen EU-Staaten kommen indes immer mehr Flüchtlinge an, die sich vor dem Krieg in Sicherheit bringen. Nach Schätzung des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR waren bis Freitag mehr als 1,25 Millionen Menschen geflohen. Der Migrationsforscher Gerald Knaus sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, Europa müsse sich auf bis zu zehn Millionen Flüchtende einstellen.
Wichtige internationale Medien stellen Arbeit in Russland ein
Verlässliche Informationen zum Krieg dürften nun noch spärlicher werden. Denn in Reaktion auf ein neues Mediengesetz in Russland stellen mehrere internationale Sender und Agenturen ihre Arbeit auf dem Gebiet der Russischen Föderation ganz oder teilweise ein, darunter der US-Fernsehsender CNN, die britische BBC, der kanadische Sender CBC und die US-Nachrichtenagentur Bloomberg.
„Angesichts dieser Scenario und aus Sorge um das Risiko für unsere Journalisten und Mitarbeiter in Russland haben wir unsere Berichterstattung vor Ort in Russland vorübergehend ausgesetzt, während wir uns Klarheit über diese Gesetzgebung verschaffen“, erklärte die BBC am Freitagabend by way of Twitter. Gemeinsam mit anderen Medien setze man sich „für eine freie Presse und ungehinderten Zugang zu korrektem, unabhängigem Journalismus in der Ukraine und in Russland ein“.
Bloomberg-Chefredakteur John Micklethwait erklärte, die Änderung des Gesetzes scheine darauf abzuzielen, jeden unabhängigen Journalisten zu einem Kriminellen zu machen. Das mache es unmöglich, „irgendeinen Anschein von normalem Journalismus im Lande fortzusetzen“.
Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am Freitagabend mehrere Gesetze unterzeichnet, mit denen die freie Meinungsäußerung in Russland weiter eingeschränkt und unabhängige Medienberichterstattung beschnitten wird. Bis zu 15 Jahre Haft drohen demnach für die Verbreitung von angeblichen „Falschinformationen“ über die russischen Streitkräfte. Strafen drohen auch jenen, die öffentlich die Armee „verunglimpfen“.
Bereits seit vergangener Woche ist es Medien in Russland verboten, in der Berichterstattung über den Krieg gegen die Ukraine Begriffe wie „Angriff“, „Invasion“ und „Kriegserklärung“ zu verwenden. Moskau bezeichnet den Krieg als militärische „Spezialoperation“.
Im ukrainischen Kriegsgebiet wiederum sind Journalisten in Gefahr. Ein Fernsehteam des britischen Senders Sky Information geriet am Freitag in der Nähe von Kiew unter Beschuss.
So berichtet das Handelsblatt aktuell über den Ukrainekrieg:
S&P Dow Jones streicht russische Aktien aus Börsenindizes
Russland wird an den Finanzmärkten angesichts seines Krieges gegen die Ukraine und den deshalb verhängten Sanktionen immer weiter abgeschottet. Am Freitag gab der US-Finanzdienstleister S&P Dow Jones in New York bekannt, Aktien von in Russland ansässigen oder dort börsennotierten Firmen aus seinen Indizes zu streichen.
Das zum großen Finanzkonzern S&P International gehörende Unternehmen ist für die US-Leitindizes Dow Jones und S&P 500 zuständig, aber auch für eine ganze Reihe von Schwellenländer-Portfolios. S&P Dow Jones will Russland davon nun isolieren und nur noch Daten für sechs bestehende Indizes ermitteln, die ausschließlich russische Aktien umfassen.
Die Maßnahmen sollen am kommenden Mittwoch greifen. S&P Dow Jones nannte die jüngsten Sanktionen gegen Russland und einen beschränkten Marktzugang als Begründung. Zuvor hatten bereits der Index-Betreiber Nasdaq und andere Finanzdatendienstleister wie MSCI und Bloomberg angekündigt, russische Aktien aus ihren Indizes zu streichen.
Mehr: Schlangen wie zur Sowjetzeit – der Krieg ist angekommen im Alltag der Russen
Mit Agenturmaterial