1867 machte Russland ein Millionengeschäft, das sich historisch als ziemlich schlechte Idee erweisen sollte. Heute fordert die Kreml-Propaganda Alaska zurück. Was dahintersteckt.
Nach Westen! Mit aller Gewalt will Wladimir Putin Russland in diese Himmelsrichtung ausdehnen: Russische Truppen sollen gegenwärtig die Ukraine unterwerfen. Doch auch in Moskaus Osten haben die Sprachrohre des Kremls ein Stück Land aufgestöbert, das einst „russischer Boden“ gewesen ist. Ein großes Stück Land, ein reiches Stück Land, das obendrein seit mehr als 150 Jahren zu den USA gehört: Alaska.
„Alaska gehört uns!“, tönte es der Realität zum Trotz 2022 auf Plakaten in der russischen Stadt Krasnojarsk, wie das US-Magazin „Newsweek“ berichtete. Befeuert wurde diese Forderung von Wjatscheslaw Wolodin, seines Zeichens Putin-Vertrauter und Sprecher der Duma. Angesichts des westlichen Wirtschaftskriegs gegen Russland wäre die Rückkehr Alaskas ins Russische Reich nur recht und billig – so Wolodins Argumentation.
„Höchst provokativ“
Das derart bemühte „Sammeln der russischen Erde“ war damit aber noch lange nicht zu Ende. Oleg Matveychev, Berater des Kremls, forderte im letzten Sommer laut „Daily Mail“ nicht nur Alaska zurück, sondern auch noch das nördlich von San Francisco gelegene Fort Ross in Kalifornien. Warum? Weil dort einst eine russische Siedlung bestanden hatte. Der Putin-Vertraute Sergej Mironow filetierte die USA auf dem Portal X (vormals Twitter) dann kürzlich in Gedankenspielen noch weiter. Denn deren Bundesstaat Texas etwa hatte einst zu Mexiko gehört.
Worte sind Worte, aber ein Ereignis aus dem Sommer 2023 löste handfeste Beunruhigung in Washington, D.C. aus. Kriegsschiffe aus Russland und China fuhren in der Nähe Alaskas gemeinsam „Patrouille“ zur See. Als „höchst provokativ“ schätzte laut „Spiegel“ ein Experte die Aktion ein. Denn so weit Russland und die Vereinigten Staaten aus europäischer Perspektive auch geografisch voneinander entfernt zu sein scheinen: Sie sind es nicht.
Lediglich 85 Kilometer trennen Russland und Alaska in Form der Beringstraße voneinander, eine Nähe, die auch den US-Streitkräften unbehaglich ist. Seit längerer Zeit wollen sie Russland durch eine verstärkte militärische Präsenz in Alaska demonstrieren, dass die Vereinigten Staaten das Treiben Moskaus auch in dieser einst den Zaren gehörenden Region im Auge behalten.
Wie aber waren Alaska und Fort Ross überhaupt in russischen Besitz gelangt? Dies geht in gewisser Weise auf einen Dänen zurück: Vitus Bering – auch als „Kolumbus des Zaren“ bekannt – leitete zwischen 1733 und 1743 die sogenannte Große Nordische Expedition. Ihr gelang die „zweite Entdeckung“ Amerikas, dieses Mal im Pazifik anstelle des Atlantiks, über den einst Christoph Kolumbus gen Westen gesegelt war.
„Ohne jegliche Nahrungsmittel“
Den eigentlichen Bewohnern Alaskas, deren Vorfahren einst die wahren Entdecker Amerikas gewesen sind, waren die Neuankömmlinge von jenseits der Beringstraße alles andere als willkommen. Die russischen Pelzjäger nahmen unter anderem etwa Geiseln bei den Ureinwohnern der Aleuten, um Pelze zu erpressen, berichtet der Historiker Henner Kropp in seinem lesenswerten Buch „Russlands Traum von Amerika. Die Alaska-Kolonisten, Russland und die USA, 1733–1867“. Diese brutale Vorgehensweise erschien ihnen einfacher, als selbst auf die Jagd zu gehen.
Gewinnmaximierung war das Gebot der Stunde, die 1799 gegründete Russländisch-Amerikanische Kompagnie (RAK) sollte die Ausbeutung des Landes gewährleisten. Russlands Zugriff auf Alaska schien gelungen zu sein. „Um die Jahrhundertwende gab es mehr als ein Dutzend russischer Niederlassungen in Russisch-Amerika“, schreibt Historiker Kropp.
Doch der nähere Blick offenbart etwas ganz anderes: „Im Mittel befanden sich zwischen den 1780er-Jahren und 1867 wohl circa 500 aus Russland stammende Menschen in Alaska“. Was bedeutet, dass sich zu keinem Zeitpunkt mehr als ein paar Hundert Untertanen des Zaren in diesem riesigen Gebiet aufgehalten haben. Und denen ging es alles andere als gut.