Düsseldorf Bislang ist die Hauptstadt Kiew von größeren Kämpfen im Krieg verschont geblieben, die Lage bleibt dort jedoch angespannt. In vielen Landesteilen mehren sich die Angriffe der russischen Armee. Nach Angaben der USA sind rund 82 Prozent der Truppen, die Russland zuvor an der Grenze zusammengezogen hatte, inzwischen in der Ukraine.
Aktuell wird um Charkiw im Nordosten gekämpft. In der zweitgrößten Stadt des Landes sollen russische Soldaten nach einem Medienbericht ein medizinisches Zentrum des Militärs angegriffen haben. Auch die Universität soll bei Einschlägen getroffen worden sein. Es sei zum Kampf mit ukrainischen Einheiten gekommen, meldete die ukrainische Nachrichtenagentur Unian.
Sich widersprechende Meldungen gibt es zur Lage im südukrainischen Cherson. So meldete die Nachrichtenagentur RIA unter Berufung auf das Moskauer Verteidigungsministerium, die russischen Streitkräfte hätten die Stadt eingenommen. Die ukrainischen Behörden meldeten, Cherson sei zwar von russischen Truppen umzingelt, aber nicht gefallen. Die Stadt liegt nordwestlich der von Russland 2014 annektierten ukrainischen Halbinsel Krim.
Auch die südukrainische Stadt Mariupol am Asowschen Meer steht unter starkem Beschuss. Noch sei sie in ukrainischer Hand, hieß es vom Stadtrat. Russisches Militär greife zivile Einrichtungen an, darunter Wohnblocks, Krankenhäuser und behelfsmäßige Unterkünfte für Menschen, die durch die Kämpfe vertrieben wurden.
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Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) konnte bislang einen Fall bestätigen, bei dem ein Krankenhaus in der vergangenen Wochen unter Beschuss geriet. Vier Menschen seien getötet und zehn verletzt worden. Berichte über weitere Angriffe würden noch geprüft. Russland hat seit Beginn des Einmarschs behauptet, zivile Ziele würden nicht angegriffen.
Gespräche am Donnerstag über Feuerpause möglich
Am Mittwochabend gab Russland bekannt, dass es die Unterhändler der ukrainischen Regierung für eine zweite Gesprächsrunde am Donnerstagmorgen erwarte. Dann solle über eine Feuerpause gesprochen werden, meldet die russische Nachrichtenagentur TASS unter Berufung auf den russischen Verhandler Wladimir Medinsky.
Die ukrainische Seite gab sich am Abend bedeckt zu der angekündigten zweiten Gesprächsrunde. „Es ist zweifelhaft, dass ohne die Anwesenheit der anderen (ukrainischen) Seite am Verhandlungstisch wirklich Verhandlungen stattfinden können“, twitterte4 der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak.
Schon am Mittag hatten beide Seiten eigentlich angekündigt, sich noch am Mittwoch zur zweiten Verhandlungsrunde zu treffen. Nach den ersten Gesprächen am Montag hatten beide Seiten die belarussisch-polnische Grenze als Ort für Verhandlungen genannt. Die erste Runde warfare ohne greifbare Ergebnisse geblieben.
Zugeständnisse im Voraus will Moskau nicht machen. Kreml-Sprecher Peskow stellte klar, dass Russland auf den von Präsident Wladimir Putin formulierten Forderungen bestehe.
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Die Regierung in Kiew müsse demnach die „Volksrepubliken“ Luhansk und Donezk sowie Russlands Souveränität über die Schwarzmeer-Halbinsel Krim anerkennen. Zudem fordert Russland eine „Demilitarisierung“ der Ukraine. Von ukrainischer Seite hieß es derweil, man sei bereit zu reden, aber nicht bereit, russische Ultimaten hinzunehmen.
UN-Vollversammlung verurteilt russische Invasion
Die UN-Vollversammlung hat am Nachmittag mit großer Mehrheit eine Decision beschlossen, die Russland zur Einstellung des Angriffs auf die Ukraine auffordert. Im Textual content heißt es, Russland müsse seine Streitkräfte aus dem Land abziehen. Außerdem wird die Entscheidung Moskaus verurteilt, die atomaren Land-, Luft- und Seestreitkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft zu versetzen.
Mit der Rekordzahl von 141 Stimmen, bei fünf Gegenstimmen sowie 35 Enthaltungen hat die Vollversammlung nach einer drei Tage dauernden Debatte für die Decision gestimmt. Zwölf Nationen blieben der Abstimmung fern. Zusammen mit Russland stimmten lediglich Belarus, Syrien, Nordkorea und Eritrea gegen die Decision. Für einen Erfolg mussten zwei Drittel der abgegebenen Stimmen eine Zustimmung sein. Die 141 von letztlich 181 Stimmen werden als enormer Erfolg gewertet: 100 galten als Minimal, 120 als realistisch.
Der Krieg vertreibt derzeit hunderttausende Ukrainer aus ihrer Heimat. In Polen sind nach Regierungsangaben mittlerweile rund 500.000 Flüchtlinge aus dem Nachbarland angekommen. „Wir sind verpflichtet, unseren Nachbarn zu helfen, und wir tun es auch. Wir haben einen humanitären Korridor eingerichtet, wir haben alle Verfahren beschleunigt, die wir von unserer Seite aus beschleunigen konnten“, sagte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki.
Die EU-Kommission will den Kriegsflüchtlingen schnell Schutz in den EU-Staaten gewähren. Die Brüsseler Behörde schlug offiziell vor, EU-Regeln für den Fall eines „massenhaften Zustroms“ von Vertriebenen in Kraft zu setzen, die den vorübergehenden Schutz der Ukrainer ohne langes Asylverfahren ermöglichen würden.
Sollten die Regeln in Kraft treten, dürften Ukrainer den Schutzstatus in jedem EU-Land beantragen. Der Schutz gilt zunächst für ein Jahr, kann jedoch um insgesamt ein weiteres Jahr verlängert werden. Das Recht, einen Asylantrag zu stellen, besteht weiter.
Nawalny ruft zu Protesten auf
Der im russischen Straflager inhaftierte Kremlgegner Alexej Nawalny hat die Menschen in Russland zu Protesten gegen den Krieg im Nachbarland Ukraine aufgerufen. Protestiert werden solle jeden Tag – „wo auch immer ihr seid: in Russland, Belarus oder auf der anderen Seite des Planeten“, hieß es auf Nawalnys Twitter-Account.
„Wir, Russland, wollen eine Nation des Friedens sein. Leider Gottes würden uns nur wenige Menschen derzeit so nennen. Aber lasst uns zumindest nicht zu einer Nation ängstlicher stiller Menschen werden“, hieß es weiter.
Der 45-Jährige rief dazu auf, sich trotz drohender Festnahme auf die Straße zu trauen. Die russischen Behörden warnen eindringlich vor einer Teilnahme an von Behörden nicht genehmigten Kundgebungen. In den vergangenen Tagen wurden Bürgerrechtlern zufolge russlandweit bereits Tausende Menschen bei Anti-Kriegs-Demos festgenommen.
„Um den Krieg zu stoppen, müssen wir die Gefängnisse und Gefangenentransporter füllen“, hieß es nun auf Nawalnys Account. „Alles hat seinen Preis. Und nun, im Frühling 2022, müssen wir diesen Preis bezahlen.“
EU und USA kündigen neue Sanktionen an
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte unterdessen bei seinem Antrittsbesuch in Israel, dass die Nato nicht militärisch in den Krieg eingreifen wird. „Das wäre in dieser State of affairs falsch“, sagte er in Jerusalem.
„Was wir tun ist zu unterstützen“, ergänzte der Bundeskanzler. Konkret nannte er Finanzhilfen und Hilfsgüter. Die Sanktionen gegen Russland hätten zudem bereits Wirkung erzielt. Das zeige, dass die Haltung zwischen Konsequenz und der gebotenen Vorsicht richtig sei. „Ich glaube, dass das die richtigen Entscheidungen sind.“
Weil die Nato die Ukraine mit Waffenlieferungen unterstützt, hat Russland vor einem Konflikt mit dem Verteidigungsbündnis gewarnt. Es gebe „keine Garantien, dass es keine Zwischenfälle geben wird“, sagte Vizeaußenminister Alexander Gruschko am Mittwoch dem Staatssender Rossija-24. Mehrere Nato-Mitglieder, darunter auch Deutschland, haben nach dem russischen Angriff auf die Ukraine Waffenlieferungen an Kiew geliefert.
Die US-Regierung hat am Mittwochabend weitere Sanktionen gegen Russland und die Einführung strikter Kontrollen für den Export von Hightech-Produkten nach Belarus angekündigt. Die neuen Sanktionen richten sich gegen 22 russische Rüstungsunternehmen, wie das Weiße Haus erklärte.
Zudem würden Exportkontrollen für Technologien eingeführt, die Russland langfristig für die Raffinerien zur Verarbeitung von Öl und Fuel brauche. Die USA und ihre Verbündeten teilten ein „großes Interesse daran, Russlands Standing als führender Energielieferant zu schwächen“, erklärte das Weiße Haus weiter. Damit greife man „Russlands größte Einnahmequelle“ an.
Hier finden Sie weitere Berichte des Handelsblatts:
Die Europäische Union kündigte weitere Sanktionen zu Krypto-Währungen an: „Insbesondere werden wir Maßnahmen zu Kryptowährungen ergreifen, die nicht dafür verwendet werden dürfen, um die von der Europäischen Union beschlossenen Finanzsanktionen zu umgehen“, erklärte der französische Finanzminister Bruno Le Maire nach einem On-line-Sondertreffen der EU-Finanz- und Wirtschaftsminister.
Bereits am Mittag hatte die EU neue Sanktionen gegen Belarus wegen der Unterstützung des russischen Einmarsches in die Ukraine beschlossen. Betroffen seien vor allem die belarussische Holz-, Kali- und Stahlindustrie, teilte die französische EU-Ratspräsidentschaft auf Twitter mit.
Die Maßnahmen träten in Kraft, sobald sie im EU-Amtsblatt veröffentlicht seien. Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko gilt als Verbündeter und militärischer Unterstützer von Kremlchef Putin im Krieg gegen die Ukraine. Russische Angriffe auf das Nachbarland werden auch von belarussischem Gebiet ausgeführt. Belarus bestreitet dies allerdings.
Mit Agenturmaterial