Herbstzeit ist Pilzzeit. Doch die Klimakrise setzt auch Pfifferling und Co. zu. Mehr noch: Sie bekommen Konkurrenz von neuen Pilzarten. Was das für heimische Arten bedeutet, weiß Peter Karasch.
Ab in die Pilze, heißt es schon seit einigen Wochen. Beim Sammeln kann es aber passieren, dass Sie neben so bekannten Arten wie Maronenröhrling oder Wiesenchampignon auch neue entdecken, die Sie vielleicht noch nicht kennen.
Im Interview erzählt Peter Karasch von der Deutschen Gesellschaft für Mykologie e. V., ob neue Pilzarten eine ernstzunehmende Konkurrenz für die etablierten sind, welche heimischen Arten gefährdet sind und ob der Pilz des Jahres 2022 – der am kommenden Samstag vorgestellt wird – auch ein bedrohtes Exemplar ist.
t-online: Herr Karasch, vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass sich eine neue Pilzart, die Falsche Rotkappe, in Deutschland stark ausbreitet. Wie gefährlich sind diese für heimische Arten wie Steinpilz, Marone und Co.?
Peter Karasch: Die Falsche Rotkappe kommt ursprünglich aus Nordamerika und ist über Pflanzware aus dem Ausland nach Europa eingeschleppt worden. Hierzulande fühlt sie sich vor allem in Kiefernforsten wohl. Der Verdacht liegt nahe, dass sich der Pilz durch die drei vergangenen, warmen und trockenen Jahre sehr gut ausbreiten konnte und konkurrenzstärker ist als heimische Pilzarten. Deshalb die vielen Funde in Brandenburg und Sachsen, zuletzt auch in Niedersachsen. In dem Moment, wo die neuen Pilzarten Lebensräume besetzen, die vorher heimischen gehörten, können sie diese freilich auch verdrängen.
Von wie vielen neuen Pilzarten reden wir hierzulande?
Es gibt eine Studie vom Bundesamt für Naturschutz, die mehr als 100 eingeschleppte Pilzarten nennt. Relevant werden sie, wenn sie unsere heimischen Kulturpflanzen schädigen. Dazu gehört zum Beispiel eine Pilzart, die ursprünglich in wärmeren Gegenden vorkommt und unserem Ahorn stark zusetzt. Der Pilz heißt Cryptostroma corticale und löst die tödliche Rußrindenkrankheit aus. Daneben gibt es das „Falsche Weiße Stengelbecherchen“, besser bekannt als Eschentriebsterben. Es stammt aus Asien und hat in den letzten 10 bis 15 Jahren schon große Eschenbestände vernichtet, weil der Baum gegen die Pilzart nicht immun ist. Dabei entstehen auch immer wirtschaftliche Schäden.
Ist denn jede neue Pilzart eine Gefahr?
Nein, zu den ungefährlichen gehört beispielsweise der sehr auffällige, aber weitgehend harmlose Tintenfischpilz. Er ist ursprünglich in Australien zu Hause und hat sich in den vergangenen 120 Jahren über ganz Europa von Frankreich bis in die Ukraine ausgebreitet. Der riecht halt ein bisschen streng, so wie eine Stinkmorchel, ist ungenießbar, tut aber nichts und verdrängt kaum andere Pilzarten.
Wie viele heimische Pilzarten sind vom Aussterben bedroht?
Das Bundesamt für Naturschutz hat für seine Rote Liste von etwa 14.000 heimischen Pilz- und Flechtenarten gut 8.800 auf ihre Gefährdung untersucht. Obgleich die letzten Zahlen von 2016 sind, ist das Ergebnis ernüchternd: Etwa ein Drittel der bewerteten Arten gehören in eine Gefährdungsstufe. Das heißt, sie sind entweder auf einer Vorwarnliste, extrem selten, gefährdet oder stark gefährdet. Fünf Prozent, also 200 bis 250 Arten, sind vom Aussterben bedroht oder sogar bereits ausgestorben.