In welcher Welt möchte ich eigentlich leben? Diese Frage treibt AnNa R. mehr denn je um, wie sie in einem nachdenklichen Gespräch mit t-online verrät.
Fünf Nummer-eins-Alben, drei Jahrzehnte in der Musikbranche und ein Bundesverdienstkreuz für ihr Engagement im Kampf gegen Aids: So lautet die Zwischenbilanz von Sängerin AnNa R., die mit bürgerlichem Namen Andrea Neuenhofen heißt. Zusammen mit ihrem Bandkollegen Peter Plate war sie als Rosenstolz für den einen oder anderen Ohrwurm verantwortlich, bis das Duo eine Pause auf unbestimmte Zeit einlegte. Das war 2012.
Seitdem ist viel passiert: „Ich bin älter und vielleicht reifer geworden“, sinniert AnNa R. im Gespräch mit t-online. Und weiß dabei mit Blick auf das Frauenbild in der Musikindustrie, dass sie sich damit einer Regel in der Branche widersetzt: „Alt sollte man trotzdem nicht werden, denke ich.“
Mit 54 bewegt sich die gebürtige Berlinerin auf neuen Pfaden: Nach ihrer Zeit bei Rosenstolz und Ausflügen zu den Bands Gleis 8 und Silly startete sie 2023 ihre Solokarriere. Der Name ihres Debütalbums lautet „König:in“. Der Genderdoppelpunkt soll zum Nachdenken anregen, ob das Gendern unserer Sprache wirklich der Emanzipation helfe, erklärt die Sängerin. Sie nennt es eine „Denksportaufgabe“.
„Es sollte in erster Linie um Menschenrechte gehen“
Als „Feministin“ werde sie ohnehin nicht gern bezeichnet, dabei setzte sie sich in der Vergangenheit immer wieder für die Rechte von Frauen ein. Doch, so stellt AnNa R. klar: „Ich finde, es sollte in erster Linie um Menschenrechte gehen. Und ich bin nicht sicher; ob Frauen die Welt retten können. Gegen Machtmissbrauch ist wohl leider niemand immun.“
„Die Welt hat sich massiv verändert und verlangt noch mehr Aufmerksamkeit, Zuwendung und Hinterfragen. Die Menschen auch“, so AnNa R. Wohl auch deswegen hat sich ihre Musik verändert. Die unverkennbare, melancholische Stimme ist geblieben, aber die Songs wirken politischer als je zuvor. In „Meer voller Seelen“ scheint sie das Sterben Geflüchteter im Mittelmeer und im Atlantik zu besingen. Hoffnung, dass sich an dieser menschenunwürdigen Situation bald etwas ändert, hat sie nicht: „Im Moment sehe ich da keine Verbesserung, das tut weh.“
Menschlichkeit und ein tolerantes Miteinander – dafür plädiert AnNa R. mit ihrem ersten Soloalbum. Denn sie bemerkt: „Zivilcourage, Mitgefühl und Verständnis scheinen gerade ein wenig zu fehlen.“ Aus diesem Grund weiß sie genau, was sie als Erstes durchsetzen würde, wäre sie „König:in“ von Deutschland: „Toleranz und Nächstenliebe per Dekret ins Gesetz aufnehmen“, erklärt die Musikerin. Bis dahin wirbt sie auf ihrer Tour, die ab dem 7. März in die Verlängerung geht, für ein friedliches Zusammenleben.
Bei ihren mehr als zehn Auftritten wird sie vor allem mit einer ganz bestimmten Angst zu kämpfen haben, wie sie gesteht. Trotz mehr als dreißig Jahren im Showbusiness hat sie noch heute Lampenfieber. „Furchtbar, leider! Ein bisschen weniger wäre wohl schön. Kann ich aber nicht ändern.“
Dass sie sich als mentale Unterstützung aber ihren Rosenstolz-Kollegen Peter Plate mit auf die Bühne holen wird, scheint in absehbarer Zeit nicht der Fall zu sein. Einem Comeback der Band erteilt sie eine klare Abfuhr: „Nein, nicht in absehbarer Zeit“, sagt AnNa R.