Er ist gelernter Automobilkaufmann, arbeitete bei der Post und ist heute einer der größten Schlagerstars des Landes: Roland Kaiser. Wie denkt er über Leistung?
Die Wirtschaft stagniert. Schuld daran sei auch, dass Deutschland sich vom Leistungsgedanken verabschiede, kritisieren Politiker und Unternehmer. Stimmt das? Wie denken die Menschen im Land darüber? Und was verstehen wir eigentlich unter Leistung? t-online geht diesen Fragen in einer Serie nach, lässt dazu bekannte und unbekannte Menschen zu Wort kommen. In dieser Folge:
Roland Kaiser, 71, Sänger, lebt in Münster
„Es ist schwer, den Begriff Leistung zu definieren. Für mich und meinen Beruf heißt das, Spitzenleistung abzuliefern. Es geht darum, die optimale Arbeit zu machen und sich dafür bestmöglich ins Zeug zu legen. Ich glaube nicht, dass sich die Definition von Leistung verändert hat. Eher im Gegenteil. Mit der jüngeren Generationen gehen wir nicht gerecht um und stempeln sie zu Unrecht als Faulenzer ab.
Oft wird behauptet, die jungen Menschen wollen nicht mehr so hart arbeiten, nicht mehr so viel leisten. Das kann ich aus meiner Sicht nicht bestätigen, überhaupt nicht. Ich glaube, dass meine Kinder Leistung genauso sehen wie ich: also in seinem Leben etwas zu erreichen, Erwartungen zu erfüllen und Ziele zu erreichen.
Zur Person
Roland Kaiser gehört mit mehr als 90 Millionen verkauften Tonträgern zu den erfolgreichsten Künstlern Deutschlands. Allein sein Hit „Santa Maria“ ging 1,2 Millionen Mal über die Ladentheken. Seinen Durchbruch feierte der gebürtige Berliner Mitte der Siebziger. Zuvor arbeitete er unter anderem bei der Post und als Automobilkaufmann.
Es gibt Menschen, die Wert auf eine Work-Life-Balance legen. Das ist legitim und sicher auch richtig. Daraus kann ich keine fehlende Leistungsbereitschaft ableiten. Das halte ich für eine unhaltbare Unterstellung. Nein, der Leistungsstandort Deutschland hat kein Problem. Solche Dinge lassen sich nicht verallgemeinern.
Es gibt ein Zitat von Sokrates: ‚Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte.‘ Auch er hat schon den Irrtum begangen, zu glauben, die Generation nach ihm sei nicht gut. Man darf nicht nur kritisieren, man muss auch mal die positiven Dinge an der Zukunft sehen.
Ob ich als Musiker härter arbeiten muss als einst als Automobilkaufmann? Jedenfalls habe ich keinen mehr, der mich auffordert, zu arbeiten. Wenn Sie in einem Unternehmen arbeiten, haben Sie in der Regel Menschen, mit denen Sie arbeiten, die Forderungen und Erwartungen an Sie stellen. Als selbstständiger Musiker muss ich selbst festlegen, was ich erreichen will. Das erfordert sehr viel Disziplin.
Musik(er) in Deutschland
Rund 24.200 Beschäftigte arbeiten in den Bereichen Musik, Gesang und Dirigentschaft, davon rund 5.000 Sänger und Sängerinnen. Viele weitere sind freiberuflich als Künstler tätig. Nur die wenigsten schaffen es, zu Stars ihrer Branche zu werden, und doch ist die Hürde, Menschen mit Musik zu erreichen, so niedrig wie nie zuvor. Streamingportale wie Spotify oder YouTube eröffnen einen leichten Zugang zur Welt der Musik. Allerdings hat das einen Haken: Spotify zum Beispiel zahlt Künstlern im Durchschnitt 0,0041 Euro pro gespieltem Song – große Bekanntheit und entsprechend viele Abrufe sind daher notwendig, um von der eigenen Musik leben zu können.
Wenn man auf die große Bühne will, möchte man sich dort auch dauerhaft halten. Das erreichen Sie aber nur über Arbeit, über Qualität. Darüber, dass Sie schauen, nicht in eine falsche Routine zu fallen. Jedes Jahr Überraschungen anbieten, an dem Programm, an sich, an der Musik und an den Arrangements arbeiten: Das kann Ihnen keiner diktieren, das müssen Sie sich selbst abverlangen.
Niemand ist frei von seinen Wurzeln. Auch meine Vergangenheit als ’normaler Arbeiter‘ hat mich geprägt. Es kann sein, dass ich dadurch mehr Kämpfermentalität habe, aber ich bin ohnehin ein gnadenloser Optimist. Ich sage ständig, dass mein Glas halbvoll und nie halbleer ist. Vielleicht bin ich auch deshalb überzeugt: Es ist Nonsens zu sagen, junge Menschen wollen nichts leisten. Das stimmt alles nicht. Vielleicht sollten wir die Augen aufmachen, dann sehen wir besser.“