Robert Habeck will auf seiner Sommerreise durch Deutschland die Berliner Mühen hinter sich lassen. Doch die Krisen holen ihn immer wieder ein.
Robert Habeck hat Schnupfen, dabei will er endlich durchatmen. Der Vizekanzler steht am Montag im Innenhof eines Hotels in Stuttgart, Kameras und Mikrofone sind auf ihn gerichtet. Er muss den Journalisten jetzt etwas sagen, doch seine Stimme ist belegt, sein Gesicht etwas zerknautscht.
Habeck ist in dieser Woche „auf’m Platz“, so lautet das Motto seiner Sommerreise in Zeiten der Fußball-EM. Unternehmen besuchen, Hände schütteln, Fotos machen, reden, reden, reden. Oder wie er es sagt: „Das Land in seiner ganzen Breite erleben.“
Ein bisschen verschnaufen also nach dem Haushaltsmarathon? Dass daraus nichts wird, dürfte Habeck spätestens an diesem Morgen ahnen. Und das liegt nicht nur an seiner Erkältung. Die Berliner Politik verfolgt ihn durch die sieben Bundesländer seiner Tour.
Robert Habeck muss den schwierigen Haushaltskompromiss verteidigen, den er selbst zu verantworten hat, vor allem gegen Kritik aus den eigenen Reihen. Damit die Ampel eine Zukunft hat in all den Weltkrisen. Und als wäre das nicht genug, wird er bald viele davon überzeugen müssen, dass er selbst die politische Zukunft sein könnte. Auch in seiner Partei.
Früher war irgendwie mehr Sommer.
Es war verdammt knapp. Mehrfach stand es in der Nacht zum vergangenen Freitag Spitz auf Knopf, als Habeck mit Kanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner über den Haushalt verhandelte.
Die einen wollten die Milliardenlücke schließen, indem sie wegen der Ukraine die Notlage ausrufen und die Schuldenbremse aussetzen. Scholz und seine SPD vor allem, aber auch Habeck und die Grünen. Nur Lindners FDP wollte das auf keinen Fall.
Was also haben die drei gemacht? Sie kratzten in etwa die gleiche Summe mit diversen Tricks zusammen. Sie wollen künftig Zinsen später zahlen, der Bahn und der Autobahn an der Schuldenbremse vorbei viel Geld geben und die nächste Regierung dazu verpflichten, ab 2028 für Verteidigung plötzlich mal 28 Milliarden Euro mehr auszugeben. Denn dann ist das Sondervermögen aufgebraucht. Kreativ ist das, aber reicht es aus?
Die Ampel wäre nicht die Ampel, wenn darüber nicht längst diskutiert würde. Und das, obwohl viele Details noch gar nicht bekannt sind. Alle warten auf den 17. Juli, wenn es mit dem Gesetzentwurf endlich Zahlen, Daten, Fakten geben soll.
Doch schon das Wenige, das bekannt ist, reicht aus für viel Streit. Soll man ausländische Fachkräfte anlocken, indem man sie die ersten Jahre weniger Steuern zahlen lässt als Deutsche? Selbst der zuständige Minister Hubertus Heil findet das schwierig. Und ist es zumutbar, dass Bürgergeldempfänger Jobs annehmen müssen, für die sie drei Stunden fahren müssen?
Für Habeck besonders schwierig: Reicht es in Kriegszeiten, nächstes Jahr nur 1,2 Milliarden Euro mehr für Verteidigung auszugeben? Für den Verteidigungsminister Boris Pistorius, der sich 6,7 Milliarden Euro gewünscht hatte, ist die Antwort klar. Für den Vizekanzler Habeck ist sie komplizierter. Er findet auch, dass es viel zu wenig Geld ist. Aber er hat es eben ausgehandelt. Er ist verantwortlich.
Als er am Montag im Stuttgarter Hotelinnenhof steht und danach gefragt wird, versucht es Robert Habeck also mit zwei Botschaften. Die erste: Der Haushalt halte sich an die Finanzbedingungen, die man sich gegeben habe. Vulgo Schuldenbremse. Die zweite Botschaft: „Die Finanzbedingungen passen nicht zur Sicherheitslage Deutschlands.“ Das sei seine Meinung und die der Grünen. Aber eben nicht die Meinung aller in der Regierung. Soll heißen: Geht leider nicht anders mit der FDP, auch wenn es falsch ist.