Berlin Ricarda Lang und Omid Nouripour sind die neuen Parteivorsitzenden der Grünen. Bei der Wahl auf der Bundesdelegiertenkonferenz erhielt Lang 75,9 Prozent der Stimmen. 552 der 727 Delegierten stimmten für sie, 137 gegen sie, 38 enthielten sich.
Nouripour kam auf 82,5 Prozent der Stimmen. Er hatte zwei Gegenkandidaten und erhielt 621 der 752 Stimmen. 38 stimmten mit Nein, 16 enthielten sich. Auf den Kandidaten Mathias Ilka entfielen 17 Stimmen, auf Thorsten Kirschke 60 Stimmen.
Für ihre Bewerbungsrede auf der Grünen-Delegiertenkonferenz blieb der neuen Parteichefin Ricarda Lang keine große Bühne, sondern eine schmucklose weiße Wand. Lang conflict aus dem Zimmer ihrer Wohnung ins Berliner Velodrom zugeschaltet, weil sie zuvor positiv auf Corona getestet wurde.
„Oh mein Gott, conflict mein erster Gedanke, als ich das Ergebnis erhielt“, sagte sie in ihrer Rede. Aber sie wisse, dass andere die Pandemie deutlich stärker getroffen hätten als sie – etwa Eltern und Pflegekräfte. „Bei der Corona- und der Klimakrise gibt es kein Abwarten.“ Damit gehe eine große Verantwortung einher – nämlich, den Menschen Sicherheit und Zuversicht zu geben. Deswegen sei Regieren keine Strafe, sondern eine „riesengroße Probability.“
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Die Partei müsse nun zeigen, dass Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit zusammengehören. „Die Klimakrise ist eine soziale Krise“, sagte sie. Sie appellierte an die Erfahrung, den Mut und den Veränderungswillen Partei, diese Aufgabe zu bewältigen. „Ich wäre sehr gerne bei euch“, schloss sie, während in der Halle vor Ort Applaus aufbrandete.
Der Grünenpolitiker sprach beim Bundesparteitag von Bündnis 90/Die Grünen.
(Foto: dpa)
Nach ihrer Rede wählten die Delegierten Lang – sie hatte keine Gegenkandidatin und tritt damit die Nachfolge von Annalena Baerbock an der Parteispitze an. Der Co-Vorsitzende Nouripour setzte sich in einem weiteren Wahlgang durch.
Lang erwartet „Sign der Geschlossenheit“
Vor dem Parteitag holte Lang ein Fehltritt des alten Bundesvorstands ein, dem sie angehört. Vergangene Woche wurden Ermittlungen wegen Corona-Bonuszahlungen in Höhe von 1500 Euro bekannt. Sie selbst gab sich allerdings gelassen. „Das ist ja bereits länger bekannt und die Boni wurden zurückgezahlt“, sagte sie. Sie gehe davon aus, dass das Thema bald abgeschlossen werde.
Vom Parteitag erwartete sie ein „Sign der Geschlossenheit“, wie sie der Deutschen Presseagentur sagte. „Trotzdem ist klar: Wir werden auch weiterhin lebendige inhaltliche Debatten führen. Das macht unsere Partei aus.“ Lang, 28 Jahre, gehört zum linken Flügel der Partei und conflict im November 2019 in den Bundesvorstand aufgerückt. Zuvor conflict die Stuttgarterin Vorsitzende der Grünen Jugend und vernetzte sich in dieser Zeit bestens in der Partei. Im September zog sie erstmals in den Bundestag ein. Sie ist die erste offen bisexuelle Abgeordnete im Parlament.
In ihrer politischen Laufbahn machte sie sich dafür stark, dass die Grünen vielfältiger werden – und forderte bessere Aufstiegschancen für Menschen, unabhängig von Herkunft, Geschlecht und sexueller Orientierung. Bis heute setzt sie sich für diese Themen ein, übernahm zuletzt für die Grünen die Leitung der Arbeitsgruppe Gleichstellung und Vielfalt in den Ampelsondierungen.
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Dass sie nun die zweitstärkste Regierungspartei anführt, dürfte viele überraschen. Sie habe sich früh in Stellung gebracht, heißt es in der Partei. Lang ist zwar keine aus der ersten Reihe, dafür ist sie einer größeren Öffentlichkeit noch zu unbekannt. Sie steht aber für die Zukunft der Grünen, sei darüber hinaus äußerst durchsetzungsstark. Auch in den sozialen Medien gehört sie zu den hörbarsten Grünen – auch wegen vieler Hassangriffe auf ihr Äußeres, denen sie sich immer wieder wortgewaltig entgegenstellt.
Nouripour will Parteistruktur neu ordnen
Nouripour dankte in seiner Rede im Berliner Velodrom den bisherigen Vorsitzenden Habeck und Baerbock für deren „unglaubliche Leistung“, die Grünen in eine neue Sphäre gebracht zu haben. Nun beginne die Umsetzung des Koalitionsvertrags, sagte Nouripour. Das bedeute einen „Knochenjob“, vor allem für die fünf grünen Minister. „Sie brauchen unsere Unterstützung, sie brauchen unsere Solidarität, aber sie brauchen auch die Impulse einer klugen und selbstbewussten Partei.“ Es werde kein Selbstläufer, „aber ich habe so Lust darauf“.
„Der Koalitionsvertrag ist sicherlich nicht das, was wir uns gewünscht haben“, sagte Nouripour weiter, „aber er trägt eindeutig eine grüne Handschrift.“
Der Grünen-Politiker wurde 1975 in Teheran im Iran geboren und besuchte dort die Grund- und Mittelschule. 1988 kam er nach Frankfurt am Fundamental, conflict dort auf dem Gymnasium und machte sein Abitur. In Mainz studierte er Deutsche Philologie, Politikwissenschaft, Philosophie und Rechtswissenschaft, machte aber keinen Abschluss.
Nouripour, der sich selbst als „Frankfurter Bub“ bezeichnet, ist seit 1996 bei den Grünen aktiv. Im Bundestag sitzt er seit 2006, er kam damals als Nachrücker für den früheren Außenminister Joschka Fischer ins Parlament. Er ist ein erfahrener Außenpolitiker, in den vergangenen acht Jahren conflict er außenpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr holte Nouripour als erster grüner Politiker in Hessen ein Direktmandat für seine Partei.
Die Grünenpolitikerin nahm am Bundesparteitag nur on-line teil, da sie mit Corona infiziert ist.
(Foto: dpa)
Künftig wird er auch bei innenpolitischen Themen verstärkt Flagge zeigen müssen. Die Parteistrukturen will er neu ordnen, zusammen mit dem neuen Bundesvorstand. Zu diesem Group gehört künftig auch Emily Büning, die am Samstag zur neuen Politischen Bundesgeschäftsführerin gewählt wurde und damit die Nachfolge von Michael Kellner antritt. Kellner conflict als parlamentarischer Staatssekretär ins Wirtschafts- und Klimaschutzministerium von Ex-Grünen-Chef Habeck gewechselt.
„Dieser Wahlkampf conflict Neuland für die Partei“, sagte Nouripour vor wenigen Tagen dem Handelsblatt. „Da sind Fehler passiert, auch mit einer Geschäftsstelle, die mit der Geschwindigkeit, in der Aufgaben und und Mitgliederzahlen gewachsen sind, nicht mithalten konnte.“ Das müsse aufgearbeitet werden, „um beim nächsten Mal noch mal anzugreifen und als führende Kraft der linken Mitte in der Okay-Frage mitzuspielen“.
Parteikollegen sehen in dem Gespann Nouripour/Lang ein „starkes Duo“. Er setze darauf, dass die beiden einen „handlungsfähigen Apparat“ aufbauten und auch die Krisenkommunikation verbesserten, sagte ein Abgeordneter dem Handelsblatt. Der Wahlkampf sei „verstolpert“ worden. Da müsse die Partei jetzt liefern.
Große Erwartungen richten sich auch darauf, die Partei programmatisch voranzutreiben. Nouripour kündigte bereits an, „eigene Fußspuren zu hinterlassen.“ Es sei falsch zu glauben, man könne in die Fußstapfen von Vorgängern treten und sie füllen, sagte er dem Handelsblatt.
In der Amtszeit von Habeck und Baerbock waren die Grünen erfolgreich wie nie. Auch wenn sie ihr Ziel, mehr als 20 Prozent der Wählerstimmen zu bekommen, nicht erfüllt haben, verbuchten die Grünen mit 14,8 Prozent das beste Ergebnis ihrer Geschichte und sitzen nach 16 Jahren erneut auf der Regierungsbank.
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