Die Vorsitzende des Bündnis Sahra Wagenknecht möchte die Kontrolle behalten über die Ausrichtung ihrer Partei. Zwei Mitglieder aus Hamburg stellen das junge Bündnis aber auf die Probe – nun haben sie einen Landesverband gegründet.
Sieben Mitglieder des Bündnisses Sahra Wagenknecht haben am Wochenende ohne Kenntnis des Bundesvorstandes einen Landesverband in Hamburg gegründet. Diesen Landesverband nennen sie „Bündnis für Vernunft und Gerechtigkeit“, ohne den Namen der Gründerin der Bundespartei Sahra Wagenknecht – wie t-online erfuhr.
Der Landesverband hat auch direkt einen Kandidaten für die Bundestagswahl aufgestellt und heute dem Landeswahlleiter in Hamburg gemeldet. Das könnte zum Problem für die Partei werden. Denn eigentlich wurde der Gründungsparteitag auf kommenden Samstag geschoben. Wenn dort ein zweiter Landesverband gegründet wird, könnte es zwei konkurrierende Landesverbände der gleichen Partei geben.
Die Listen mit Vorschlägen von Bundestagskandidaten des BSW könnten so ungültig werden. Sahra Wagenknechts Partei steht vor der größten Zerreißprobe ihrer jungen Geschichte.
Die Norddeutschen sind für Ihre klare Kante bekannt. Dass diese klare Kante aber ein großes Problem für Sahra Wagenknecht werden könnte, hatte sie bei der Gründung ihrer Partei sicher nicht geahnt. In Hamburg sind die Beschwerden über die langsame und sehr selektive Aufnahmepraxis des Bündnisses Sahra Wagenknecht zuerst eskaliert. In der vergangenen Woche haben zwei Mitglieder, Nobert Weber und Dejan Lazić, aus Protest einen eigenen Bezirksverband der Partei gegründet: den Bezirksverband Hamburg-Nord/Mitte.
Diktat des Parteivorstandes
Sie wollten mit diesem Verband Mitglieder aufnehmen, die nun schon seit fast einem Jahr darauf warten, in die Partei aufgenommen zu werden. Und sie machten mit der Gründung des Bezirksverbandes auch klar, dass sie mit dem Diktat des Parteivorstandes nicht einverstanden sind. Denn nur der darf nach der Satzung entscheiden, wer Mitglied wird und wer nicht. Ein einmaliges Konstrukt in der deutschen Parteienlandschaft. Sonst gilt: Die kleinste Gliederung, also der Orts- oder Bezirksverband, nimmt Mitglieder auf. Lazić und Weber klagen nun vor einem Gericht gegen die Satzung.
Doch am Wochenende sind sie nach Informationen von t-online noch einen Schritt weitergegangen. Eigentlich sollte am Sonntag der Landesverband in Hamburg gegründet werden. Wie im Bündnis Sahra Wagenknecht üblich, standen sowohl der Vorstand als auch die späteren Bundestagskandidaten sowie die Kandidaten für die Bürgerschaftswahl schon vorher fest. Auf dem Parteitag sollte nur noch abgenickt werden. Doch die Vermieter des Veranstaltungsortes durchkreuzten den Plan
Denn die Alevitische Gemeinde Hamburg, in dessen Räumen der Parteitag stattfinden sollte, kündigte kurzfristig den Mietvertrag. Offenbar, weil der Mieter, eine Privatperson und BSW-Mitglied, nicht darüber informiert hatte, dass er die Räumlichkeiten für einen Parteitag des BSW angemietet hatte. Und weil die Partei dann angeblich gegen bestehende Absprachen verstieß, als sie die Alevitische Gemeinde auch in der Einladung erwähnte.
Der BSW-Bundesvorstand schob den Termin dann auf den kommenden Samstag, den 21.12.2024. Dabei hatten sie offenbar nicht mit den BSW-Rebellen Nobert Weber und Dejan Lazić gerechnet. Die sagen: „Die Gründungsversammlung wurde von Vorstandsmitglied Lukas Schön rechts- und satzungswidrig auf den 21.12. verlegt. Der Bundesvorstand hat daher zu verantworten, dass nicht alle Mitglieder bei der Gründungsversammlung durch das Chaos anwesend waren.“ Weber und Lazić hatten nämlich zwischenzeitlich einen Ersatzraum organisiert und mit einem Aushang bei der Alevitischen Gemeinde auf den neuen Raum verwiesen.
Dort gründeten sie dann gemeinsam mit insgesamt sieben BSW-Mitgliedern einen Landesverband. Ohne Kenntnis des Bundesvorstandes. Mit eigener Satzung und eigenem Schiedsgericht. Das heißt: Wenn der Bundesvorstand damit nicht einverstanden ist, müssen sie sich eigentlich zuerst an das Schiedsgericht des Landesverbandes wenden. Schiedsrichter dort: Dejan Lazić.
Doch es gibt noch ein größeres Problem für Wagenknechts Partei. Denn der neue Landesverband hat auch schon einen Kandidaten für die Bundestagswahl aufgestellt und dem Landeswahlleiter gemeldet. Sollte der geplante verlegte Parteitag des BSW also am Wochenende stattfinden und dort eigene Kandidaten für den Bundestag aufstellen und melden, gäbe es zwei konkurrierende Listen einer Partei. Und es wäre auch vollkommen unklar, welcher Landesverband rechtskräftig zur Bundespartei gehört. Dies könnte dazu führen, dass das BSW in Hamburg mit keiner eigenen Kandidatenliste zur Bundestagswahl antreten könnte.
Außerdem wäre es fraglich, welcher der Landesverbände für die Wahl der Hamburgischen Bürgerschaft antreten würde: das „Bündnis für Vernunft und Gerechtigkeit“ oder das „Bündnis Sahra Wagenknecht“.
Der Bundesvorstand teilte auf Anfrage mit: „Das ist ein aus unserer Sicht nichtiger Vorgang, der mit dem Parteivorstand nicht abgesprochen war und unserer Satzung widerspricht. Die Gründung des Landesverbands erfolgt am kommenden Samstag auf Beschluss des Parteivorstands unter einbeziehung aller Mitglieder – so wie es unsere Satzung vorsieht.“