Lars Winkelsdorf ist Waffenexperte – und von den Funden in der Wohnung von Daniela Klette in Kreuzberg beeindruckt: Sie zeigen die Professionalität des Tötens der RAF.
Die HK P7 ist eine auffällige Pistole, die technisch erheblich von üblichen Modellen abweicht und eine besonders intensive Ausbildung erfordert. Im Prinzip stellt sie gegenüber herkömmlichen Pistolen ein Update dar. Die Besonderheit der Waffe: Die Bedienung erfolgt ohne Hebel oder Knöpfe. Wer sie in der Hand hält, ist im Prinzip sofort schussbereit. Nur eine Leiste am Griff muss gedrückt werden.
Zur Person
Lars Winkelsdorf ist ein deutscher Journalist, Autor und Sachverständiger für Schusswaffen und Munition. Er ist etwa für Rechtsanwälte bei waffentechnischen und waffenrechtlichen Fragestellungen tätig.
Bei normalen Streifenpolizisten in Bayern und Niedersachsen war sie bis zu ihrer Ausmusterung vor gut 15 Jahren immer wieder für schwere Unfälle verantwortlich und eher unbeliebt. Dafür kam sie seinerzeit gut an bei Spezialeinheiten und Personenschützern mit entsprechend intensiver Ausbildung. Hier galt sie als Statussymbol, wie eine Rolex-Uhr. Die HK P7 wurde über Jahrzehnte von der GSG9 verwendet, so auch 1993 bei dem Einsatz in Bad Kleinen gegen die RAF-Terroristen Wolfgang Grams und Birgit Hogefeld. Sie gehörten ebenfalls der Dritten Generation der RAF an. Grams wurde bei dem Einsatz getötet.
Klettes Arsenal ist professionell
Die rechtsextremen Terroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) waren bei ihrer Waffenauswahl nach dem Motto „Hauptsache, es schießt“ verfahren. Sie nutzten alte Weltkriegspistolen und wieder schussfähig gemachte Maschinenpistolen als Bastelarbeiten vom Schwarzmarkt. Das bei Klette gefundene Arsenal dagegen zeigt eine Professionalisierung, die für die dritte Generation der RAF geradezu typisch war. Die Linksterroristen versuchten, mit der „Gegenseite“ polizeilicher Spezialeinheiten technisch gleichzuziehen. Dazu passend wurden in Bad Kleinen bei Grams und Hogefeld auch „Wondernines“ sichergestellt. Das sind 9-mm-Pistolen mit hohem Magazininhalt, die damals als hochmodern galten. In den Magazinen wurden Deformationsgeschosse verwendet, die erst Jahre später bei Polizeibehörden flächendeckend eingeführt wurden. Wer solche Waffen verwendet, der will auch töten.
Die italienische Maschinenpistole passt dabei in dieses Bild. Auch Daniela Klettes falsche Identität als „Claudia Ivone“ mit italienischem Pass wirft ebenso Fragen auf zu der Zusammenarbeit zwischen der dritten Generation der RAF, den italienischen Roten Brigaden und der französischen Action Directe in den 1980er-Jahren. Die Gruppen unterstützten sich gegenseitig mit Geld, Waffen, falschen Papieren und Sprengstoffen.
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Quelle: dpa
In Bezug auf die Pistole Heckler und Koch P7 ist unklar, woher Daniela Klette ausgerechnet eine solche Waffe hatte. Sie ist selbst auf dem illegalen Markt kaum zu bekommen. Für die seit etwa 20 Jahren nicht mehr gebaute Waffe werden inzwischen hohen Preise verlangt. Sie ist derart selten, dass dem Autor bei seinen Recherchen seit 2005 noch keine einzige illegale P7 begegnet ist.
Allerdings gibt das gefundene Arsenal schon jetzt einen Eindruck davon, wie gefährlich die ehemaligen Terroristen tatsächlich waren: An der Panzerfaust PG7L, deren Granate in der Wohnung von Klette gefunden wurde, wurden Terroristen der Roten Armee Fraktion Anfang der 1980er-Jahre von der Stasi in der Nähe von Fürstenwalde ausgebildet.
Staub und Garweg könnten noch gefährlich bewaffnet sein
In der bisherigen Gesamtschau ist es möglich, dass sich das Trio um Daniela Klette, Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg aus alten Depots bedient hat, die der Roten Armee Fraktion bis zu ihrer Selbstauflösung 1998 zur Verfügung standen. Angesichts der weiterhin verschwundenen Sturmgewehre, die bei dem RAF-Anschlag auf die US-Botschaft 1991 verwendet wurden, und mit Blick auf die Pistole Colt 1911, die beim Überfall auf einen Supermarkt in Hildesheim verwendet wurde, wie auf den Überwachungsbildern zu erkennen war, müssen die weiterhin gesuchten Staub und Garweg als nicht nur für die Fahnder tatsächlich hochgefährlich eingeschätzt werden: Ein Geschoss aus einem solchen Nato-Sturmgewehr G1 kann schlimmstenfalls bis zu 5.000 Meter weit fliegen und auf diese Entfernung unter ungünstigen Bedingungen noch tödlich wirken.