Seit Monaten läuft der Prozess gegen eine Gruppe, die Karl Lauterbach entführen und die Regierung stürzen wollte. Mitschnitte zeigen jetzt, dass sie für ihre Pläne auch gezielt um Landwirte buhlten.
Die Landwirte haben sich bei ihren aktuell laufenden Protesten weitgehend gegen Vereinnahmungen von Extremisten wehren können und protestieren friedlich für ihr Anliegen. Mitten in ihrer Aktionswoche zeigt aber ein abgehörtes Telefonat auch: Eine mutmaßliche Terrorgruppe setzte Hoffnung auf Unterstützung durch Bauern und führte dazu Gespräche mit Personen, die für einen Teil der Bauern sprechen wollten. Die Hoffnungen wurden enttäuscht.
„Wir wollen die Traktoren“: Das sagte Michael H. in einem Mitschnitt des Telefonats von Verschwörern. Er ist angeklagt als einer der mutmaßlichen Rädelsführer bei den Plänen, nach einer Lauterbach-Entführung und einem Blackout eine konstituierende Versammlung nach der Verfassung des Deutschen Reichs von 1871 einzusetzen. Am Oberlandesgericht Koblenz läuft seit Mai 2023 der Prozess gegen fünf Angeklagte, sie sind als „Vereinte Patrioten“ bekannt geworden. Fünf weitere Personen sind seit Prozessbeginn verhaftet worden. Es gibt zudem diverse Bezüge zur noch größeren Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuss und die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann, denen der Prozess erst noch gemacht werden soll.
Telefonüberwachung seit Oktober 2021
Der laufende Prozess zeigt bislang, dass zumindest ein Teil der Beteiligten weitgehende Pläne hatte. Er zeigte aber auch, dass ihr Vorhaben vielfach noch unausgereift war und die Beteiligten sich sehr überschätzten. Die Gruppe wurde hochgenommen, nachdem Thomas O., eines der Mitglieder, zwei Kalaschnikow AK47 und vier Pistolen mitsamt Munition von verdeckten Ermittlern gekauft hatte.
Das Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz hatte nach einem Hinweis des Verfassungsschutzes die Gruppe seit Wochen auf dem Radar, war bei Treffen dabei – und hörte mehrere Mitglieder von Oktober 2021 an ab. Ermittler schnitten mit, als sich drei Mitglieder der mutmaßlichen Putschgruppe am 16. Januar 2022 am Telefon austauschten. Es war ein Telefonat, in dem es auch um die Bauern ging.
Zum einen nahm die „Terror-Theologin“ Elisabeth R. teil, die an den Fortbestand des Deutschen Reichs glaubt, an jüdische Mächte, die das verhindern wollen, und die verbissen daran arbeitete, es wieder zu aktivieren. Im Telefonat mahnte sie: „Wir müssen jetzt ran, wir haben nicht mehr viel Zeit.“
R. drängte auf einen baldigen Termin für eine konstituierende Versammlung mit Männern mit deutscher Abstammung nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913. Sie solle dann die Regierung der Bundesrepublik ersetzen, ohnehin nur ein Firmenkonstrukt für R. Für die Versammlungen sollte der Mitangeklagte Sven Birkmann bewaffnet mehrere Schutzringe gegen Einschreiten der Polizei organisieren.
Telegram-Vernetzer führte das Wort
Birkmann ist voll geständig, hatte auch die Idee, Karl Lauterbach als vermeintlich unbeliebtesten Politiker zu entführen. Im Telefonat sagte R. zu ihm: „Sie machen Ihre Aufgabe hervorragend. Wir müssen dafür sorgen, dass Leute ausreichend da sind mit entsprechendem Equipment.“
Das Wort führte im Telefonat aber Michael H., ein Alleinunterhalter aus Bad Zwischenahn, der der Gruppe einen Finanzier vermittelt hatte, der noch gesucht wird und sich offenbar nach Dubai abgesetzt hat. Wie Elisabeth R. war H. bei einer Reichsbürgergruppe „W.I.R.“ aktiv. H. hatte ein großes Netzwerk, ein Talk-Format auf YouTube und Telegram, er kannte viele – und zog in dem Telefonat am 16. Januar 2022 ein Zwischenfazit, woher Hilfe kommen könnte.
H. sprach davon, man habe „schon ein paar Landwirte, die sind schon bei uns drin“. Über eine bekannte Person aus der Szene gebe es weitere Verbindungen in die Landwirtschaft: Gernot H. Gernot trat mit einem Markus L. auch zeitweise als Vertreter eines deutschen Ablegers der rechtsradikalen russischen „Nationalen Befreiungsbewegung“ auf, sie präsentierten sich mit schwarz-orangenen Georgs-Bändchen. Mit dem Zeichen der Verbundenheit mit der russischen Regierungspolitik war auch Birkmann unterwegs: Russland und Putin waren für die Umsturzpläne große Hoffnungsträger.
„60 Prozent der Bauern sind Impflinge“
Gernot H., Nebenerwerbslandwirt aus dem Raum Kiel, reist zu nicht öffentlichen Vorträgen durch die Republik als Kopf einer Gruppe „Arminius Erben“, bei der es sehr völkisch zugeht, mit Anklängen an NS-Ideologie. Aus diese Gruppe heraus wird auch aktuell versucht, die laufenden Proteste zu unterwandern: Mitglieder betreuen große Telegram-Gruppen „Verbraucher und Bauern geeint“ zur Unterstützung der Bauern, wie t-online enthüllte.
In dem mitgehörten Telefonat sagte H., man wolle die Traktoren, solches Equipment sei wichtig. Zugleich beklagte er, man habe das schon „am 18. September probiert und gemerkt, denen kann man nicht trauen“. Vor dem 18. September 2021 war mit pompösen Videos für eine Aktion „Zeit es zu beenden“ in Berlin mobilisiert worden. In Sprachnachrichten hieß es, auch die Bauern kämen, sie spielten in den Aufrufen auch eine große Rolle. Birkmann war dann dort, H. war dabei, aber weder erhoffte Menschenmassen noch Bauern kamen. Im überwachten Telefonat zeigte sich H. enttäuscht: „60 Prozent der Bauern sind Impflinge.“