Russlands Wirtschaft gerät immer stärker unter Druck. Neue EU-Sanktionen sollen dem Kreml weitere Einnahmen wegnehmen. Ob sie den gewünschten Effekt erzielen, hängt von mehreren Faktoren ab.
Die westlichen Verbündeten der Ukraine ziehen die Schlinge immer enger, mit der sie Russlands Wirtschaft zu Fall bringen wollen. Nach den Drohungen von US-Präsident Donald Trump mit Sekundärsanktionen hat auch die EU ein neues Sanktionspaket beschlossen.
Das mittlerweile 18. Sanktionspaket zielt insbesondere auf Russlands Öl- und Gasexporte. So wird der bereits bestehende Ölpreisdeckel fortan „dynamisch“ reguliert, sodass der Preis auf 15 Prozent unter dem Weltmarktpreis gedrückt wird. Seit Dezember 2022 lag der Ölpreisdeckel bei 60 Dollar pro Barrel, nun soll er zunächst 47,60 Dollar betragen. Ferner werden 105 weitere Schiffe der russischen Schattenflotte mit Sanktionen belegt sowie die Reaktivierung der derzeit außer Betrieb befindlichen Nord-Stream-Gaspipelines verboten.
Zuletzt hatten sich die Anzeichen gemehrt, dass sich Russlands Konjunktur nach starken Jahren deutlich abkühlt. Zudem warnen immer mehr Politiker, Unternehmer und Finanzexperten vor erheblichen Problemen. Die neuen westlichen Sanktionen haben das Potenzial, der russischen Wirtschaft weitere Schwierigkeiten zu bereiten. Dass sie direkte Auswirkungen auf Putins Kriegsführung in der Ukraine haben werden, lässt sich jedoch bislang nicht absehen.
Kremlchef Wladimir Putin wischte bisher alle Bedenken hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung beiseite und betont stets Stärke sowie Resilienz der russischen Wirtschaft gegenüber Sanktionen. In diese Kerbe schlug auch sein Sprecher Dmitri Peskow, der am Freitag mit Blick auf die EU-Strafmaßnahmen behauptete, Russland habe „eine gewisse Immunität gegenüber Sanktionen entwickelt“. Moskau wolle das neue Paket der Europäer jedoch zunächst analysieren.
Führende Unternehmer sehen das offenbar anders. Ende Juni warnte Herman Gref, Vorstandsvorsitzender der halbstaatlichen Sberbank, Russlands größtem Finanzinstitut, dass sowohl die hohe Inflation als auch der Leitzins von 20 Prozent Probleme seien, die sich nicht schnell lösen ließen. Die Inflationsrate liegt derzeit bei über zehn Prozent und ist auch eine Folge der Sanktionen. Außerdem steige die Zahl „fauler Kredite“, so Gref. Geliehenes Geld wird also nicht wie vereinbart zurückgezahlt. Demnach beantragen immer mehr Privat- und Unternehmenskunden Umschuldungen.
Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet gar, dass gleich drei der größten russischen Banken darüber beraten haben, staatliche Rettungsmaßnahmen in Anspruch zu nehmen. Grund dafür ist die gestiegene Zahl „fauler Kredite“. Dem Bericht zufolge soll auch Russlands zweitgrößtes Institut VTB dazugehören. Dort belief sich der Anteil überfälliger Kredite laut der russischen Zeitung „Vedomosti“ bereits im Mai auf fünf Prozent – ein Anstieg um 1,2 Prozentpunkte seit Jahresbeginn.
Der VTB-Vizevorsitzende Dmtiri Pianow erwartet demnach einen Anteil „fauler Kredite“ in Höhe von sechs bis sieben Prozent im kommenden Jahr. Während der russischen Wirtschaftskrise zwischen 2014 und 2016 lag der Anteil bei acht bis zehn Prozent. Im folgenden Jahr pumpte der russische Staat damals rund eine Billion Rubel (heute umgerechnet rund 11 Milliarden Euro) zu ihrer Rettung in drei Privatbanken.
Deutlich wurde im Juni auch der russische Wirtschaftsminister Maxim Reschetnikow. Auf dem Sankt Petersburger Wirtschaftsforum warnte er, dass Russland wahrscheinlich in eine Rezession rutschen werde. Zentralbankchefin Elwira Nabiullina erklärte zudem, Russlands Wirtschaft sei zwei Jahre lang trotz der Sanktionen durch Programme zur Importverdrängung gewachsen – dank Geldern aus dem Wohlstandsfonds und bestehenden Kapitalreserven des Bankensystems. Diese Ressource sei nun aber „wirklich erschöpft“. Sie forderte ein „neues Wachstumsmodell“ für die Wirtschaft ihres Landes.