Die Bauern legen das Land lahm, der Kanzler hält an den abgeschwächten Kürzungsplänen fest. Wie geht es jetzt weiter? Ein Gespräch mit Bauernpräsident Joachim Rukwied.
Joachim Rukwied ist in diesen Tagen ein gefragter Mann. Sein Bauernverband hat am Montag Teile von Deutschland zum Stillstand gebracht, Autobahnauffahrten blockiert, bundesweit protestiert. Eine Woche lang soll es nun so weitergehen.
Das Ziel: die Bundesregierung zum Einlenken bewegen. Die geplanten Kürzungen bei den Agrarsubventionen soll die Ampel in Gänze zurücknehmen, wenn es nach den Bauern geht.
Doch die Bundesregierung will nicht einlenken – zumindest nicht noch mehr, als sie es schon getan hat. Zwar sollen Trecker und Mähdrescher auch künftig von der Kfz-Steuer befreit bleiben, die Rückerstattungen für den Agrardiesel aber will sie den Bauern weiter streichen, wenn auch nur schrittweise.
Und nun? Ein Gespräch mit Joachim Rukwied, dem Bauernverbands-Präsidenten, über verfehlte Förderprogramme und die Macht der Traktoren.
t-online: Herr Rukwied, wie lange bleiben Sie noch hart?
Joachim Rukwied: Bis alle Sparvorschläge zurückgenommen sind.
Danach sieht es aktuell aber nicht aus, das Kabinett hat die Subventionskürzungen beim Agrardiesel bereits verabschiedet.
Das stimmt, aber das parlamentarische Verfahren beginnt ja erst noch. Wir setzen darauf, dass es in der Haushaltsbereinigungssitzung am 18. Januar noch Bewegung geben wird. Unsere Landesverbände und wir sind im guten Austausch mit den Abgeordneten der Ampelkoalition. Wir hoffen, dass die Signale, die von den Ministerpräsidenten ausgehen, gesehen werden.
Zum Auftakt der Aktionswoche hat sich der Bauernprotest mancherorts verselbstständigt. Haben Sie die Lage unter Kontrolle?
Wir haben am Montag unter Beweis gestellt, dass wir die Lage im Griff haben. Die Demonstrationen sind ordentlich abgelaufen, es gab Rettungsgassen, die Krankenwagen kamen durch, die Feuerwehr auch. Solch einen Tag hat es so noch nie gegeben: Die Bäuerinnen und Bauern waren mit 100.000 Traktoren auf der Straße, um für ihr Anliegen – die Rücknahme der Steuererhöhungsvorschläge – zu demonstrieren. Das war der Protest der Bauernfamilien Deutschlands.
In Brandenburg haben Bauern unangemeldet ein Warenlager blockiert, der Landesbauernverband wusste von nichts. Wie blicken Sie darauf?
Wir decken in den älteren Bundesländern ungefähr 90 Prozent der Landwirte ab, in den jüngeren Bundesländern sind es circa 65 Prozent. Unsere Demonstrationen waren überall angemeldet und mit der Polizei besprochen. Natürlich gibt es aber auch Randgruppierungen und einzelne Landwirte, die sich spontan zu Aktionen entschließen. Dafür tragen wir als Bauernverband keine Verantwortung.
Und was ist mit der Demonstration in Dresden, wo die rechtsradikalen Freien Sachsen zum „Tag des Widerstands“ auf die Straßen gingen?
Der sächsische Bauernverband hat seine Veranstaltung bewusst auf Mittwoch gelegt, um sich nach außen klar abzugrenzen: Die Landwirte vom Bauernverband waren am Montag nicht in Dresden – das waren nicht unsere Bauern. Wir als Bauernverband stehen zur Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, zum Grundgesetz. Ich bin überzeugter Europäer, ich stehe für unsere Werte. Und das bringen auch unsere Landwirte zum Ausdruck.
Sie klingen zornig, wenn Sie das sagen. Wie sehr ärgert Sie es, dass Trittbrettfahrer versuchen, Ihren Protest zu kapern?
Ich bin in diesem Punkt durchaus emotional. Ich brenne für Demokratie und ich brenne für Europa. Das gilt für uns als Verband und für unsere Mitglieder.
Zur Person
Joachim Rukwied, 62 Jahre alt, ist gelernter Landwirt und hat Agrarwirtschaft studiert. Auf über 290 Hektar bewirtschaftet er in achter Generation einen Hof in Heilbronn. Seit 2012 ist er Präsident des Deutschen Bauernverbands. In dem Verband sind nach eigenen Angaben 90 Prozent der rund 300.000 deutschen Landwirtschaftsbetriebe organisiert. Seit 2017 ist er zudem Präsident des europäischen Bauernverbandes. Rukwied ist Mitglied der CDU.
Zur Demokratie gehört der Kompromiss: Die Bundesregierung hat die ursprünglichen Einsparungen bei den Landwirtschaftssubventionen nach Ihrem Protest weitgehend wieder revidiert. Ist das nicht bereits ein großer Erfolg für Sie?
Wir müssen das vom Ende her denken. Kommt die geplante Kürzung beim Agrardiesel, ist der Vorschlag ein Sterben auf Raten. Wir Landwirte denken in längeren Zeiträumen: In drei Jahren hätten wir damit – zusammen mit den Niederländern – die höchsten Steuern auf Diesel in der ganzen EU. Im Vergleich zu anderen Ländern ist das eine starke Wettbewerbsverzerrung. Mein Eindruck ist: Die Regierung in Berlin versteht gar nicht, worum es auf dem Land geht.