Wachsende Wolfspopulationen sind ein Problem für Schaf-Halter – in der Schweiz und in Deutschland.
Ein grausamer Anblick vor dem Sitz der Waadtländer Kantonsregierung in Lausanne in der Schweiz: Vor dem Regierungsgebäude liegen die Kadaver von zwölf Schafen und Lämmern. Hintergrund der Aktion: Die Schafe sind in der Nacht zuvor von Wölfen gerissen worden – und die betroffenen Schafzüchter aus Saint-Barthélémy nahe Echallens wollen so demonstrieren, dass die Regierung handeln müsse.
Die zehn Schafzüchter kritisierten, dass Wölfe in der Region Gros-de-Vaud verheerende Schäden anrichteten. Vor zehn Tagen seien im Dorf Poliez-Pittet 17 Schafe getötet worden. Vergangene Nacht habe es in der Region 13 Risse gegeben, in der Nacht auf Mittwoch zwei, berichtet die Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Konflikte mit der Landwirtschaft
Die Züchter wollen Druck auf den zuständigen Grünen-Stadtrat Vissilis Venizelos ausüben. Sie kritisieren die Schutzvorschriften gegen Wölfe als realitätsfern. Mit der zunehmenden Wolfspopulation in der Schweiz kommt es vermehrt zu Konflikten mit der Landwirtschaft. Wölfe waren seit der Mitte des 19. Jahrhunderts fast ausgestorben und sind in der Schweiz – und in Deutschland – eine streng geschützte Tierart. Aber auch eine, die Konflikte hervorruft.
Andere Kantone der Schweiz setzen auf „proaktive Wolfsregulierung“. In Graubünden etwa wurden 31 Wölfe zum Abschuss freigegeben, ein Drittel der Wolfspopulation. 20 von ihnen wurden erlegt, bevor der Protest einer Naturschutzorganisation den Abschuss stoppte. Trotzdem zeigte sich der Kanton zufrieden, dass immerhin 20 Wölfe erlegt werden konnten, bevor sie Schaden an Nutztieren anrichteten.
„Wolfsregulierung“ versus Wolfsschutz
Schon länger praktiziert das Kanton Wallis die „Wolfsregulierung“. Hier wurden im letzten Jahr etwa 27 Wölfe von 71 Wölfen im Kanton erlegt. Die Zahl der vom Wolf gerissenen Nutztiere ging 2023 im Vergleich zum Vorjahr von 415 auf 401 zurück. Die Besitzer werden vom Kanton entschädigt, wenn ihre Tiere gerissen werden.
In der Schweiz ist die Anzahl der Wölfe in den vergangenen Jahren rasant gestiegen. So wurden laut „NZZ“ im September 2023 insgesamt 31 Wolfsrudel gezählt, davon neun, die auch über die Grenzen hinweg in Italien und Frankreich unterwegs sind. Insgesamt streifen etwa 240 Wölfe durchs Land.
Auch in Deutschland sind Wölfe für Schafe gefährlich
Auch in Deutschland sind Wölfe für Nutztierhalter ein Problem. Hier lebten im Jahr 2022/2023 184 Wolfsrudel, 47 Paare und 22 Einzeltiere. Vor allem kommen sie in Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern vor. In Deutschland soll ein „Wolfsmanagement“ helfen, dass Menschen und Tiere durch die wachsenden Wolfspopulationen nicht zu stark gefährdet werden.
Erst am Freitag hatte die Nachrichtenagentur dpa berichtet, dass 19 Schafe einer großen Herde bei Bad Sülze in Mecklenburg-Vorpommern mutmaßlich Opfer eines Wolfsangriffes geworden seien. „Mindestens 15 Tiere wurden zudem verletzt“, berichtete Schäfermeister Ingo Stoll am Freitag. Es war nicht der erste Übergriff auf die insgesamt 1.300 Tiere zählende Herde des Schäfers.
In diesem Jahr sei es schon die vierte Wolfsattacke gewesen, so Stoll. Die Herde sei mehr als vorschriftsgemäß mit einem 110 Zentimeter hohen Elektrozaun gesichert gewesen. Pro Schaf rechne er mit einem finanziellen Verlust von 600 Euro. „Als Entschädigung bekomme ich nur rund 100 Euro“, sagte Stoll. In Mecklenburg-Vorpommern gab es in diesem Jahr nach Angaben des Ministeriums bisher 23 Rissvorfälle, bei denen ein Wolf nachgewiesen oder nicht ausgeschlossen wurde.
„Wolfsmanagement“ reicht Tierhaltern nicht
Die vom Wolf betroffenen Länder beraten Weidetierhalter im Umgang mit dem Wolf, sind bei Investitionen für Schutzeinrichtungen wie Zäune und andere Abwehrmaßnahmen behilflich und können Schäden durch Wolfsrisse mit bis zu 100 Prozent der Kosten ersetzen, so das Bundesumweltministerium.
Die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) berichtet, dass Herdenschutzmaßnahmen zwar viele Schäden verhindern können, dass Wölfe aber auch „an nicht ausreichend geschützten Schafen“ gelernt hätten, dass diese einfache Beute seien und deshalb auch lernen, Schwachstellen von Schutzmaßnahmen auszunutzen. Im Jahr 2022 wurden fast 4.500 Tiere in Deutschland von Wölfen getötet, ein Großteil davon (88 Prozent) sind Schafe und Ziegen. Pferde und Rinder seien dagegen wehrhafter, nicht nur aufgrund ihrer Größe, sondern auch aufgrund ihres ausgeprägten Rudelverhaltens. Das sei aber vielen Schafen und Ziegen in der Domestikation abgewöhnt worden, um die Nutztierhaltung zu erleichtern.