Der ukrainische Präsident bittet um Unterstützung.
(Foto: dpa)
Berlin Eineinhalb Tage battle das Land Gesprächsthema Nummer eins auf der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC). Dann endlich durfte Wolodymyr Selenskyj als demokratisch gewählter Präsident der Ukraine selbst zur unmittelbaren Kriegsgefahr für sein Land Stellung nehmen. Und der 44jährige nutzte den Auftritt auf der Weltbühne für eine harsche Kritik an der seiner Meinung zu zögerlichen Abschreckung des Westens.
„Warum wird die Liste möglicher Sanktionen nicht jetzt schon veröffentlicht?“, fragte Selenskyj. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass einerseits viele sagten, der Krieg sei sicher, die Reaktion darauf aber unklar bleibe. „Worauf warten wir?“, fragte der Ukrainer die anwesenden Politiker aus Europa und den USA.
Angesprochen dürfte sich dabei auch Olaf Scholz gefühlt haben. Der deutsche Bundeskanzler weigert sich bislang stets, konkrete Angaben zu möglichen Sanktionen wie zum Beispiel den Stopp der umstrittenen Ostseepipeline Nordstream 2 zu machen. Man wisse, was zu tun sei, ist seine Standardantwort. Selenskyj hingegen verlangte mehr Klarheit und Entschlossenheit von seinen Partnern.
Der ukrainische Präsident bemühte sich, einerseits den Ernst der Lage nicht zu leugnen und gleichzeitig eine Panik zu vermeiden. Man könne nicht tagtäglich den unmittelbar bevorstehenden Kriegsausbruch voraussagen und regular weiterleben.
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Keine Wirtschaft könne unter dieser Drohung funktionieren. Die Menschen würden sonst in Panik ihr Geld von der Financial institution holen. Er kritisierte in diesem Zusammenhang auch, dass die Finanzhilfen des Westens für sein Land mit vielen Reformforderungen verbunden seien. Kein Land der Welt könne gleichzeitig eine Invasion abwehren und umfangreiche Wirtschaftsreformen durchführen.
„Europa braucht eine neue Sicherheitsarchitektur“
Der Regierungschef wies die Vorwürfe Russlands zurück, dass die Ukraine den im Minsker-Abkommen vereinbarten Waffenstillstand in der Ost-Ukraine verletze. „Das sind Lügen“, sagte Selenskyj. Seine Regierung sei zur Umsetzung des Minsker Abkommens bereit und werde alles tun, um den Frieden zu erhalten. Seit Tagen kommt es im Donbass zu Scharmützeln zwischen den ukrainischen Separatisten und den Regierungstruppen. Selenskyj berichtete von neuen Todesopfern und sprach von bewussten Provokationen.
Über die aktuelle Unterstützung hinaus forderte der Ukrainer eine neue Sicherheitsarchitektur für Europa. „Wie kann es nach all den Lehren des 20. Jahrhunderts sein, dass wir wieder an diesem Punkt (eines Krieges) stehen?“, fragte er. Der Westen könne nicht ewig den Fragen einer Mitgliedschaft seines Landes in der Nato und der EU aus dem Wege gehen. Offene Türen seien zwar intestine, aber die Ukraine brauche auch offene Antworten.
Sein Land habe auf Nuklearwaffen verzichtet und durch die Annexion der Krim bereits Teile seines Territoriums verloren. Er hoffe, dass die Beistandsverpflichtung der Nato effektiver sei als das Budapester Memorandum von 1994, durch das der Ukraine auch von Russland die politische Souveränität zugesichert worden battle. „Das Budapester Memorandum ist gescheitert, wir brauchen Sicherheitsgarantien“, forderte der Präsident.
Der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki warnte, ein Entgegenkommen bei einigen der russischen Forderungen werde die Sicherheit in Europa nicht verbessern. „Wir müssen aufwachen aus diesem geopolitischen Schlaf der letzten Jahrzehnte.“ Die Nato müsse eine starke und vereinte Antwort bieten auf die russischen Drohungen.
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