Paris Die Kandidatur von Emmanuel Macron struggle ein offenes Geheimnis: Bereits Anfang des Jahres hatte der französische Präsident erklärt, er habe „Lust“ auf eine zweite Amtszeit. Die offizielle Ankündigung schob er aber wegen der Eskalation in der Ukraine immer weiter hinaus.
Nun hat sich Macron in einem Transient an die Franzosen erklärt, der am Freitag in den Regionalzeitungen des Landes abgedruckt ist und der am Donnerstagabend bereits öffentlich wurde. „Ich bitte um ihr Vertrauen für ein neues Mandat als Präsident der Republik“, schreibt er. „Ich bin Kandidat, um unsere Werte zu verteidigen, die von den Wirren der Welt bedroht sind.“
Die Ankündigung von Macron erfolgt intestine einen Monat vor dem ersten Wahlgang am 10. April – und kommt im letzten Second. Denn die Präsidentschaftsbewerber müssen ihre Ambitionen bis Freitagabend um 18 Uhr öffentlich machen sowie eine Liste mit mindestens 500 Unterstützungserklärungen von Bürgermeistern, Abgeordneten und anderen Amtsträgern einreichen.
Krieg in der Ukraine verändert den Wahlkampf
Der Krieg in der Ukraine wirbelt den französischen Wahlkampf durcheinander. Macron sieht zunächst von großen Kundgebungen ab. Pläne für einen Wahlkampfauftakt mit Tausenden Anhängern an diesem Samstag in Marseille wurden nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine wieder gestrichen. „Natürlich werde ich wegen der Umstände nicht so Wahlkampf machen können wie ich es mir gewünscht hätte“, schreibt er in seinem Transient.
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Auch thematisch dürften der Krieg und die Folgen für Europa die politische Debatte in den Wochen vor der Wahl in Frankreich überlagern. Umfragen deuten darauf hin, dass Macron von der Rolle als Staatschef in Kriegszeiten profitieren könnte: In jüngsten Erhebungen legte er um zwei bis drei Prozentpunkte zu und könnte demnach mit 28 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang rechnen.
„Ich bin Kandidat, um unsere Werte zu verteidigen, die von den Wirren der Welt bedroht sind“, schreibt Macron an die Franzosen.
(Foto: Reuters)
Seine Herausforderer haben dagegen ein Russland-Drawback – allen voran Marine Le Pen, die laut Umfragen die derzeit größten Chancen auf die Teilnahme an einer Stichwahl gegen Macron hat. Die Rechtspopulistin, die schon 2017 in der zweiten Wahlrunde gegen Macron unterlag, soll eilig 1,2 Millionen Kopien einer Wahlkampfbroschüre aus dem Verkehr gezogen haben. Ihre Partei dementiert das. Dort struggle sie lächelnd auf einem Foto mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu sehen, den sie vor einigen Jahren im Kreml besucht hatte.
Die Verbindungen zwischen Le Pens Rassemblement Nationwide und Russland haben in Frankreich immer wieder Fragen aufgeworfen. 2014 gab eine russische Financial institution der Partei, die damals noch unter dem Namen Entrance Nationwide auftrat, einen Kredit von rund neun Millionen Euro. Schon ihr Vater und Parteigründer Jean-Marie Le Pen struggle ein gern gesehener Gast in Moskau.
Wie Le Pen zeigte auch der Rechtsnationalist Éric Zemmour in den vergangenen Wochen viel Verständnis für die angeblichen russischen Sicherheitssorgen gegenüber dem Westen, auch wenn beide Putins Kriegsführung in der Ukraine am Ende verurteilten. Eine ähnlich ambivalente Haltung gegenüber Moskau nahm der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon ein, der als einziger Vertreter des zersplitterten linken Lagers in den Umfragen derzeit über zehn Prozent kommt.
Valérie Pécresse, die Kandidatin der konservativ-bürgerlichen Republikaner, vertritt wie Macron eine harte Haltung gegenüber Putin und unterstützt die Sanktionen der EU. Allerdings bescherte ihr Parteifreund François Fillon, einst Premierminister unter Präsident Nicolas Sarkozy und gescheiterter Kandidat der Republikaner bei der Wahl 2017, ein Imageproblem: Fillon trennte sich nur widerwillig von seinen Aufsichtsratsmandaten beim russischen Petrochemie-Konzern Sibur und bei der russischen Ölfirma Sarubeschneft.
Macrons Regierung räumt Corona-Debatte ab
Die hitzige Debatte um Einwanderung, den Islam in Frankreich und die nationale Identität, die unter anderem den unerwarteten Aufstieg von Zemmour begründet hatte, scheint in sich zusammenzufallen. Auch die Kontroversen von Macrons Amtszeit, etwa die Gelbwesten-Proteste gegen hohe Benzinpreise oder die Demonstrationen gegen die Impfregeln in der Pandemie, geraten angesichts der Kriegsgefahr in den Hintergrund.
Kurz vor der offiziellen Kandidatur des Präsidenten nahm seine Regierung ohnehin den Corona-Kritikern den Wind aus den Segeln: Premierminister Jean Castex kündigte am Donnerstag an, dass die 2G-Regel wegen der entspannteren Lage in der Pandemie ab dem 14. März ausgesetzt wird.
Gegen den „Gesundheitspass“, den die Franzosen in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens vorzeigen mussten, struggle eine lautstarke Minderheit monatelang auf die Straße gegangen. Auch die Maskenpflicht soll ab Mitte des Monats praktisch überall fallen – mit Ausnahme des öffentlichen Personenverkehrs.
Macron versuchte in dem Transient auch die wirtschaftliche Bilanz seiner Amtszeit hervorzuheben. „Dank der unternommenen Reformen hat unsere Industrie erstmals wieder Arbeitsplätze geschaffen und die Arbeitslosigkeit liegt auf dem niedrigsten Stand seit 15 Jahren“, schrieb er. Diesen Weg wolle er weiter gehen.
„Es gibt keine Unabhängigkeit ohne wirtschaftliche Stärke“, schrieb Macron. Die Steuerlast auf Arbeit und Produktion müsse weiter gesenkt werden, die Investitionen in Innovation und Forschung müssten erhöht werden. Nur so könne auch „unser Sozialmodell“ bewahrt werden.
Wahlkampfteam wartete auf Startsignal
Die erforderliche Zahl von 500 Unterstützern hat Macron schon seit Wochen zusammen. Bereits Ende November hatten sich die Parteien von Macrons Mitte-Bündnis in Paris versammelt, darunter natürlich auch „La République en Marche“ des Präsidenten. Unter dem Namen „Ensemble Citoyens!“ („Bürger, gemeinsam!“) gaben sie das Ziel aus, im Wahljahr erneut die Mehrheit zu erringen.
Auf größte Diskretion bedacht, bereiteten Vertraute des Präsidenten in einem Nebengebäude des Parteisitzes von „En Marche“ im achten Pariser Arrondissement die Kampagne vor. Das Wahlkampfteam wartete nur noch auf das Startsignal.
Ende Januar hatte es bereits eine Wahlkampfseite mit dem Slogan „Avec vous“ („Mit Euch“) ins Web gestellt. Dort berichten Bürger über ihre alltäglichen Sorgen und davon, wie sie von der Politik der vergangenen Jahre profitiert hätten. Zu Wort kommen in den Movies ein Schafzüchter, eine Krankenschwester, ein Kneipenwirt. Nur Bilder und der Title von Emmanuel Macron tauchten zunächst nicht auf.
Die Opposition verlor die Geduld und warf Macron vor, Wahlkampf auf Staatskosten zu machen. Der Präsident setzte die abwartende Haltung dagegen mit dem Verweis auf seine Amtspflichten fort. Zunächst führte er den Kampf gegen die Omikron-Welle in der Pandemie an, dann versuchte er in der Ukrainekrise zu vermitteln. Angesichts der Eskalation mit dem russischen Angriffskrieg sieht sich Macron bestätigt in seiner Einschätzung, sich „bis zur letzten Viertelstunde“ auf die Aufgaben als Präsident zu konzentrieren.
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