Countdown für die „Ampel“ in der Nikolaus-Woche: Nach der SPD und der FDP werden heute die Grünen, vielleicht unter den relativ größten Rücken-, Kreuz- und Bauchschmerzen, für den neuen Koalitionsvertrag stimmen, der dann am Dienstag zur Signatur ausliegt. Vorher – um 10 Uhr – wird Olaf Scholz, die sozialdemokratische Raute, noch offenbaren, welche sieben Ministerinnen und Minister seine Partei stellt. Als gesetzt gelten: Svenja Schulze (Bau), Christine Lambrecht (Innen), Wolfgang Schmidt (Kanzleramt), Hubertus Heil (Arbeit). Für den Relaxation der zu verteilenden Ressorts (Verteidigung, Gesundheit, Entwicklung) müssten mindestens zwei, besser drei Frauen benannt werden. Ex-Parteichefin Andrea Nahles ist nicht dabei, sie soll die Bundesagentur für Arbeit leiten.
Karl Lauterbach, ungekrönter Talkshowkönig (siehe gestern „Anne Will“), wiederum ist wohl auch nicht dabei. Für ihn wird ein Prime-Platz im neuen Corona-Expertenrat der Scholz-Regierung reserviert. „Dann gab’s ein Gerede, man weiß nicht wie: Das nennt man eine Akademie“, hat Dichterkönig Johann Wolfgang von Goethe getextet.
Na ja, ein paar Hausaufgaben zum Fortschreiten muss die Fortschrittsregierung auch noch lösen. Zum Beispiel, wie das wichtige Zukunftsthema Digitalisierung verabreicht wird. Markig klingt der Titel, den FDP-Stratege Volker Wissing führen wird: „Minister für Verkehr und Digitales“. Nach seinen Planungen gibt das SPD-geführte Kanzleramt den Bereich der bisher als Digital-Stimmungskanone geführten Dorothee Bär genauso ab, wie das Grünen-Ministerium Wirtschaft und Klima seine Abteilung VI („Digital- und Innovationspolitik“). Dessen Leiter Stefan Schnorr würde einfach zu seinem alten Weggefährten Wissing im Vary eines Staatssekretärs wechseln.
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Und schließlich steht in dem FDP-Wünsch-Dir-Was-Katalog, aus dem SPD-geführten Innenministerium die Themen E-Authorities, IT-Sicherheit und digitale Gesellschaft aufzuklauben. Dass sich der um seinen Federschmuck bemühte Robert Habeck gegen Wissings Zugriffe wehrt, wird wohl nur bei einem Gespräch unter Häuptlingen zu klären sein.
Wenn wir schon bei Personalien sind, schauen wir mal auf die Münchner Sicherheitskonferenz, wo der langjährige Leiter Wolfgang Ischinger, 75, nach 13 Jahren nun im Handelsblatt seinen Rückzug erklärt. Es übernimmt der langjährige Merkel-Berater Christoph Heusgen, 66. „Es muss die nächste Era ran“, findet Ischinger. Im Einzelnen sagt er über…
- einen russischen Ukraine-Einmarsch: „Moskau weiß, dass der Preis dafür viel höher wäre als der Ertrag. Es ist aber intestine, Russland daran zu erinnern, was die Nato dieser Tage ja auch getan hat.“
- die China-Politik von Annalena Baerbock: „Wenn Olaf Scholz bei seinem ersten Treffen mit Xi Jinping die Forderungen zu Taiwan und Hongkong aus dem Koalitionsvertrag vorliest, dann wird der sagen: Vielen Dank, aber ich sehe das ganz anders. Der Koalitionsvertrag ist aus meiner Sicht keine Kampfansage an Peking, und Scholz kann und wird keinen Bruch mit China anstreben.“
- die richtige Amerika-Politik: „Europa muss auch dem Trump-Wähler in Idaho zeigen können, dass wir für die USA ein wichtiger Associate sind.“
Bei solch hehren Zielen sei daran erinnert, was einst Invoice Clinton über die USA sagte: „Ein Präsident ist wie ein Friedhofsverwalter. Er hat eine Menge Leute unter sich, aber keiner hört zu.“
Während Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron in Saudi-Arabien mit dem als „Khashoggi-Mörder“ übel beleumundeten Kronprinzen Mohammed bin Salman über Aufträge redete, wuchs ihm in der Heimat eine veritable Gegenkandidatin für die Wahl im Frühjahr heran. Überraschend gewann Valérie Pécresse, 54, die Vorwahlen der konservativen Partei Les Républicains (LR).
„Ich kann Emmanuel Macron schlagen“, glaubt die Präsidentin der Hauptstadtregion Île-de-France, die mit 60,95 Prozent gegen den südfranzösische Rechtsaußen Éric Ciotti siegte. Sie teilt schon mal mit Schwung gegen den „Zick-Zack-Präsidenten Macron“ aus, der gefallen wolle, „statt zu handeln“. Dessen Schuldenpolitik sei „unverantwortlich“, er habe „die Reserven verbrannt“, befürchtet die erste Bewerberin für den Élysée-Palast aus der früher gaullistischen Partei. Das Versprechen von „Madame Non“: Frankreich wieder zu reparieren.
Eine interessante Nachricht für diesen Personalien-Weckdienst steuert Volkswagen bei. Der männerlastige und Testosteron-gesteuerte Autokonzern mustert nach fünf Jahren die verdiente Vorständin Hiltrud Werner, 55, aus, behält aber immerhin entgegen früherer Überlegungen ihr Ressort Integrität und Recht. Dort schlägt der acht Jahre ältere Rechtsgelehrte Manfred Döss auf, der bei den Eigentümerfamilien Porsche und Piëch einen Stein im Brett hat.
Als Chefjustiziar dämmte er den Dieselskandal ein und durfte danach auch als Rechtsvorstand der Porsche SE in Stuttgart wirken, wo die Familien ihre VW-Aktien bündeln. Vor VW hatte Döss bei MG Applied sciences und RWE als „Mann fürs Grobe“ mit harten Bandagen gekämpft. Auf einer Liste der einflussreichsten deutschen Juristen stand: „Was immer es im Leben eines Company Counsel geben kann, Manfred Döss hat es erlebt.“
Wirtschaft ist die Kunst der Zahlen, nicht des Voodoo, weshalb wir das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln (EWI) gebeten haben, einmal nachzurechnen, wie viel Strom das Land angesichts der kräftigen „Ampel“-Pläne braucht. Im Jahr 2030 sollen ja 80 Prozent des Stroms von erneuerbaren Energien kommen und 15 Millionen E-Autos auf Deutschlands Straßen schnurren.
Das EWI kommt zu dem Ergebnis, dass bis 2030 einige Gaskraftwerke mit einer installierten Gesamtleistung von 23 Gigawatt (GW) zu bauen seien, was rechnerisch einer Leistung von 23 Atomkraftwerken entspräche. Es handelt sich um das Zehnfache der bisherigen Planung. Auch müssten allein die Photovoltaik-Kapazitäten von derzeit 54 GW auf 200 GW steigen. Wie sagt es Kerstin Andreae, Chefin des Energieverbands BDEW, so schön: „Es muss allen klar sein: Die Erneuerbaren-Ziele des Koalitionsvertrages sind äußerst ambitioniert.“
Gestörte Lieferketten, hohe Rohstoffpreise und steigende Inflationsraten verunsichern Verbraucher und Investoren. Was können Anleger jetzt tun? Was bedeuten die hohen Verbraucherpreise für die Geldanlage? Darüber spreche ich morgen um 17.30 Uhr bei Funding Stay mit NTV-Börsenmoderatorin Katja Dofel, mit Ulrich Stephan, dem Chef-Anlagestrategen der Deutschen Financial institution, sowie mit dem Ökonomen Peter Bofinger. Möchten Sie dabei sein? Welcome! Dann bitte anmelden oder Fragen einreichen.
Und dann ist da noch Elon Musk, Tausendsassa der Disruption, der mit allen Mitteln arbeitet, offenbar auch mit dem Kommunikationsinstrument absichtlich geleakter E-Mails. So warnt er jetzt vor einer möglichen Pleite seines Raumfahrtunternehmens SpaceX. Dahinter steht, dass sich Musk nicht damit begnügen will, bei SpaceX Satelliten und Astronauten mit einer Falcon 9 zu näheren Zielen im All zu transportieren. Man träumt vom Mars und braucht hierfür eine deutlich größere und vollständig wiederverwendbare Rakete.
Misslich nur, dass bei dem geplanten „Starship“ die Entwicklung des Raptor-Triebwerks ins Stocken geraten ist. Die Produktionskrise sei leider „wesentlich schlimmer, als es noch vor ein paar Wochen schien“, heißt es in Musks Mail: „Wir laufen ernsthaft Gefahr, pleitezugehen, wenn wir nächstes Jahr nicht mindestens alle zwei Wochen ein Starship starten.“
Angesichts einer Firmenbewertung von mehr als 100 Milliarden US-Greenback dürfte es sich eher um ein Motivationsschreiben für die Mitarbeiter als um eine echte Alarmmeldung handeln. Es kommentiert Altbundeskanzler Konrad Adenauer: „Wir leben alle unter dem gleichen Himmel. Aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont.“
Ich wünsche Ihnen einen himmlisch guten Begin in die Woche.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Hans-Jürgen Jakobs
Senior Editor
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