Verteidigungsminister Pistorius reist in den Pazifik, um die deutsche Flagge in einer immer wichtiger werdenden Region zu zeigen. Dass ihn die Querelen in seiner SPD sogar am anderen Ende der Welt einholen, scheint dem Minister dabei fast egal zu sein.
Von Daniel Mützel, Honolulu
Es herrscht absolute Stille, als Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) die Gedenkstätte der „USS Arizona“ betritt und einen Kranz für die gefallenen US-Soldaten niederlegt. Die Wand vor ihm ist übersät mit den Namen der Toten, über 1.000 sind es.
Beim Besuch der kalkweißen Ruhestätte mitten im Meer, erbaut auf dem Wrack des Schlachtschiffes, wird Pistorius von Samuel Paparo begleitet, dem Kommandeur der US-Indopazifikflotte. Der Admiral erinnert Pistorius mit sonorer Stimme an den Tag im Dezember 1941, als japanische Torpedobomber die „Arizona“ innerhalb weniger Minuten versenkten. Der Überraschungsangriff auf Pearl Harbor führte zum Kriegseintritt der USA und entscheidenden Wendepunkte im Zweiten Weltkrieg.
Der deutsche Verteidigungsminister, der in Hawaii eine multinationale Marineübung mit deutscher Beteiligung besichtigt, hat sich Zeit genommen für die Gedenkstätte. Hört Paparos Geschichten zu, stellt Fragen, wenn er mehr wissen will, nickt bedächtig. Erinnerungsarbeit als gelebte Solidarität unter Partnern, das soll das Signal sein.
Pearl Harbor, der Pazifik als alter und vielleicht neuer Kriegsschauplatz, ein Mega-Manöver unter der Beteiligung deutscher Kriegsschiffe: Es hätte viele Themen gegeben, zu denen ein deutscher Verteidigungsminister an diesem Tag hätte sprechen können.
Doch die Berliner Politik holt den Minister auch am anderen Ende der Welt ein. Insbesondere Pistorius‘ eigene Partei lässt ihm keine Ruhe. Die Genossen wollen die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland nicht einfach akzeptieren und sammeln ihre Kräfte. Vor Kurzem warnte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich vor einer möglichen „unbeabsichtigten militärischen Eskalation“ durch die Stationierung. Nun ziehen andere Sozialdemokraten nach, etwa der Außenpolitiker Ralf Stegner und der frühere SPD-Chef Norbert Walter-Borjans, die eine Debatte im Bundestag fordern.
Pikant: Vor allem Walter-Borjans schien die Debatte eskalieren zu wollen, indem er Kanzler Olaf Scholz (SPD) persönlich angriff und diesem einen „Alleingang“ vorwarf. Scholz hatte beim Nato-Gipfel im Juli die Entscheidung verkündet, konventionelle US-Marschflugkörper und -Raketen in Deutschland stationieren zu wollen.
Doch von dem Sturm im Epizentrum der SPD-Fraktion zeigte sich Pistorius am Dienstag in Hawaii wenig beeindruckt. Der Minister beantwortete brav die Fragen der mitgereisten Journalisten und verwies etwa auf den Unterschied zum Nato-Doppelbeschluss in den 80er-Jahren. Damals sei es um atomar bestückbare Waffen gegangen, heute gehe es um konventionelle Systeme, so Pistorius: „Von daher sollten wir hier die Dinge sorgfältig auseinanderhalten.“ Auch für eine Bundestagsdebatte zeigte er sich offen, auch wenn dies eigentlich kein Thema für das parlamentarische Verfahren sei.
Doch alles in allem scheint Pistorius an andere Dinge zu denken als an die Fraktionsrevolte zu Hause. Etwa daran, weswegen er überhaupt die lange Reise nach Hawaii angetreten ist: wegen des wachsenden deutschen Engagements im Indopazifik. So zumindest lautet die Botschaft, die Pistorius aussenden will.
Ob das bei den Partnern auch so ankommt, muss am Ende der Reise beurteilt werden. Klar ist: Der Indopazifik ist als geopolitischer Großraum von überragender Bedeutung für den Welthandel. Schon allein deswegen hat die Exportnation Deutschland ein originäres Interesse an Stabilität in der Region sowie an freien Handelswegen.