Merih Demiral sorgte mit seinem „Wolfsgruß“ bei der EM für Empörung. Am selben Tag zeigte auch Mesut Özil ein rechtsextremes Tattoo. Der Zeitpunkt ist auffällig.
Mesut Özil, der ehemalige Weltmeister und Star von Arsenal London, hat vor dem Spiel der Türkei gegen Österreich für Aufsehen gesorgt, als er nach einem Fitness-Workout ein Foto seines nackten Oberkörpers bei Instagram postete. Dabei kam auf seiner linken Brust ein Tattoo zum Vorschein, das das Symbol der rechtsextremistischen Gruppierung „Graue Wölfe“ zeigt.
Özil lacht in die Kamera, offenbar stolz auf seinen Trainingserfolg, präsentiert er die gestählte Brust – mit dem rechtsextremen Tattoo darauf. Er kann zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen, dass Stunden später der türkische Nationalspieler Merih Demiral einen veritablen Skandal bei der EM auslöst.
Demiral sorgte im Achtelfinale der EM für Empörung, als er nach einem Treffer für sein Team den Wolfsgruß zeigte, ein Handzeichen, das mit den „Grauen Wölfen“ in Verbindung gebracht wird. Diese Geste wird von vielen Beobachtern als Zeichen der Unterstützung für eine rechtsextreme Ideologie gewertet. Demiral distanzierte sich umgehend von dieser Interpretation. Er verwies darauf, dass er die Geste lediglich als Zeichen seiner Freude verstanden wissen wollte.
Özils Tattoo könnte die Debatte nun erneut entfachen. Denn sie wirft Bedenken hinsichtlich der Verbreitung extremistischer Symbole und Ideologien im Fußball und darüber hinaus auf. Sport, so die Position vieler Funktionäre, solle sich doch bitte nicht politisch geben. Politik habe im Sport nichts zu suchen, so argumentierte etwa seit Jahren der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, Thomas Bach. Oder auch der Fifa-Boss Gianni Infantino.
Nicht wenige Sportler sehen das anders. Sie engagieren sich politisch und zeigen ihre Gesinnung auch nach außen. Kritiker argumentieren, dass prominente Sportler eine besondere Verantwortung tragen, da sie Vorbilder für Millionen von Fans weltweit sind. Die Verbindung zu den „Grauen Wölfen“ ist besonders besorgniserregend, da diese Gruppierung für ihre ultranationalistischen und oft gewalttätigen Ansichten bekannt ist.
Innenministerin Nancy Faeser (SPD) forderte wegen des Vorfalls die Uefa auf, Sanktionen zu prüfen. „Die Symbole türkischer Rechtsextremisten haben in unseren Stadien nichts zu suchen“, schrieb Faeser im Onlinedienst X. „Die Fußball-Europameisterschaft als Plattform für Rassismus zu nutzen, ist völlig inakzeptabel“, fügte sie hinzu. Die Innenministerin verwies zudem darauf, dass die Grauen Wölfe vom Verfassungsschutz beobachtet werden.
Die Uefa hat auf die Geste Demirals im Spiel gegen Österreich jedenfalls eindeutig reagiert: Sie leitete ein Ermittlungsverfahren gegen den Spieler ein. Bei einer Verurteilung droht dem Doppel-Torschützen aus dem Achtelfinale eine Sperre für das laufende Turnier.
Die Türkei protestierte umgehend gegen die Reaktionen aus der Bundespolitik. Das Land des autokratisch regierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdogan bestellte den deutschen Botschafter in Ankara ein.
„Die Reaktion der deutschen Behörden gegenüber Herrn Demiral sind selbst fremdenfeindlich“, erklärte das türkische Außenministerium. Es verwies ebenfalls auf die Einschätzung des deutschen Verfassungsschutzes, wonach „nicht jeder Mensch, der den Wolfsgruß zeigt, als rechtsextrem bezeichnet“ werden könne.
Der Zeitpunkt von Demirals Jubelgeste oder Özils Tattoo-Posting ist jedenfalls durchaus auffällig, fallen sie doch auf den 31. Jahrestag des Massakers von Siva. Damals, am 2. Juli 1993, griffen türkische Ultranationalisten ein Hotel in der Stadt Siva an, in dem sich Teilnehmer eines alevitischen Literaturfestivals aufhielten. 35 von ihnen starben. Unter den Angreifern waren auch Mitglieder der „Grauen Wölfe.“