Peter Bofinger bleibt auch nach seiner Zeit als „Wirtschaftsweiser“ eine einflussreiche Stimme in der Volkswirtschaftslehre. Was er zur Rolle des Staates in der aktuellen Wirtschaftslage sagt und wie er über Steuersenkungen denkt.
Keiner war länger „Wirtschaftsweiser“ als er: Bis 2019 vertrat Peter Bofinger im Beratergremium der Bundesregierung Minderheitspositionen, sprach sich aus für eine nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik, womit er bei seinen marktliberalen Kollegen immer wieder aneckte.
Auch heute noch ist Bofinger ein viel gefragter Ansprechpartner, regelmäßig tritt er als Experte abseits seiner Universität in Würzburg auf. Vergangene Woche hat der Volkswirt am Unternehmertag am Tegernsee teilgenommen, einem Treffen von Wirtschaftslenkern, Investoren und Politikern, die sich zu den großen Fragen der Gegenwart austauschen.
t-online war mit dabei und traf Bofinger vor Ort zum Gespräch. Im Interview erklärt der Ökonom, warum Steuersenkungen für alle Unternehmen schlechter sind als gezielte staatliche Förderungen, um die Wirtschaft zu beleben, und bringt eine interessante Idee für Rentner ins Spiel.
t-online: Herr Bofinger, wie sehr fürchten Sie als Ökonom, dass Donald Trump erneut US-Präsident wird?
Peter Bofinger: Als Ökonom gar nicht so sehr. In der Wirtschaftspolitik ist der Unterschied zwischen Donald Trump und Joe Biden weniger groß, als manche vermuten. Biden verfolgt wie Trump eine America-first-Politik – er nennt es „Made in America“. Sein „Inflation Reduction Act“ fördert ganz gezielt die heimische Wirtschaft. Das würde Donald Trump genauso fortsetzen, da würde sich für die deutsche Wirtschaft wenig ändern.
Aber Trumps Politik dürfte doch vermutlich noch protektionistischer werden, etwa durch höhere Einfuhrzölle.
Das mag sein, aber das wäre immerhin derselbe Kurs, die bekannte Richtung. Was viel schlimmer ist als das: Trumps Politikstil ist insgesamt erratischer, er ist nicht verlässlich. Vor allem die politische Unsicherheit kann negative Auswirkungen haben, auch auf die deutsche Wirtschaft. Auch deshalb plädiere ich dafür, dass wir unser deutsches Geschäftsmodell überdenken.
Deutschland ist traditionell eine Exportnation. Der Verkauf von Autos und Maschinen ins Ausland hat uns großen Wohlstand beschert, das war sehr lange unser Geschäftsmodell. Dieses Geschäftsmodell aber gerät nun zunehmend unter Druck. Der Höhepunkt der Globalisierung liegt hinter uns, wir können uns nicht mehr allein auf unsere Exportstärke verlassen, sondern müssen mehr von innen heraus wachsen.
Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, droht uns ein Teil der Bauwirtschaft komplett wegzubrechen.
Peter Bofinger
Indem wir die Nachfrage in Deutschland stärken. Am schnellsten wirken würde dabei ein umfassendes staatliches Wohnungsbauprogramm. Die Lage auf dem Bau ist dramatisch. Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, droht uns ein Teil der Bauwirtschaft komplett wegzubrechen. Mit einem Bauprogramm lassen sich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Es würde sowohl die Konjunktur beleben als auch die Wohnungsnot in vielen Städten mindern. Und es hätte sogar noch einen dritten Vorteil.
Die Menschen in Deutschland würden damit sehen: Der Staat tut was für uns, er kümmert sich um eines der drängendsten Themen, das viele Menschen beschäftigt. Wohnraum ist vielerorts sehr knapp, die Mieten stark gestiegen. Das führt zu sozialen Spannungen.
Wie groß müsste ein solches Wohnungsbauprogramm sein?
Das Bündnis „Soziales Wohnen“ fordert 13 Milliarden Euro für die Jahre 2024 und 2025.
Das ist viel Geld – das der Staat angesichts der aktuellen Haushaltslage kaum wird aufbringen können.
Mir ist bewusst, dass das Geld im Staatshaushalt nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts knapp ist. Umso drängender ist deshalb eine Reform der Schuldenbremse. Der Finanzminister feiert sich dafür, dass Deutschland im internationalen Vergleich eine der niedrigsten Staatsschuldenquoten hat. Aber das ist eine falsche Prioritätensetzung, weil es uns am finanziellen Spielraum fehlt, den wir für die anstehende Transformation unseres Geschäftsmodells benötigen. In keiner anderen wichtigen Volkswirtschaft der Welt werden Zukunftsinvestitionen zurückgestellt, weil man Angst vor der Staatsverschuldung hat.
Was kann neben mehr Wohnungsbau zusätzlich zu einer Belebung der Wirtschaft führen, wie es gerade sowohl Finanzminister Lindner als auch Wirtschaftsminister Habeck wollen?
Alles, was der Transformation unseres Landes dient. Schon jetzt verlagern große Unternehmen ihre Investitionen in die USA und nach Kanada, weil sie dort umfassend durch den Staat gefördert werden. Also ähnlich, wie es der „Inflation Reduction Act“ in den USA vorsieht, zum Beispiel gezielte Förderungen für Unternehmen, die in erneuerbare Energien und Elektromobilität investieren wollen.