Berlin. NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) will eine staatliche Fuel-Bevorratung einführen. Angesichts der niedrigen Füllstände der Erdgas-Speicher müsse man „als ultima ratio eine strategische nationale Gasreserve prüfen“, sagte Pinkwart dem Handelsblatt.
„Die sehr niedrigen Gasspeicherfüllstände in dieser frühen Part des Winters verdeutlichen ein grundlegendes Downside“, ergänzte er. Auf Foundation des aktuellen Marktdesigns sei „niemand dafür verantwortlich, frühzeitig ausreichende Gasmengen in Speichern einzulagern“, sagte Pinkwart.
Die deutschen Gasspeicher sind nach Branchenangaben aktuell zu 57 Prozent gefüllt. Dieser Wert liegt deutlich unter dem langjährigen Mittelwert zu dieser Jahreszeit. Nennenswerte Einspeisungen in die Gasspeicher finden derzeit nicht statt. Die Preissituation ist extrem angespannt.
Pinkwart empfahl, sich an der Erdölbevorratung zu orientieren. Beim Erdöl gibt es seit Jahrzehnten eine staatlich geregelte Bevorratung. Die Ölreserve wird vom Erdölbevorratungsverband (EBV) organisiert und überwacht.
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Im EBV sind alle deutschen Unternehmen Pflichtmitglieder, die Öl einführen oder verarbeiten, insbesondere die großen Mineralölkonzerne. Mit dem Vorrat soll der deutsche Erdölbedarf im Notfall für mindestens 90 Tage gedeckt werden.
Vorratshaltung nach den Regeln des Marktes
Anders beim Erdgas: Die Vorratshaltung folgt allein den Regeln des Marktes. Der derzeit niedrige Füllstand erklärt sich zum Teil auch damit, dass Gashändler nach einem kalten Winter 2020/2021 und einem seit dem Frühjahr 2021 steigendem Gaspreis den Sommer nicht genutzt haben, um Vorräte für den nächsten Winter anzulegen. Der hohe Gaspreis hat sie davon abgehalten.
Hinzu kommt, dass Russland seine Zusage nicht umsetzt, wieder verstärkt Fuel zu liefern. Präsident Wladimir Putin hatte Ende Oktober angekündigt, ab dem 8. November mehr Fuel nach Europa zu schicken. Diese Zusage haben die Russen aber nicht eingehalten.
Lediglich für wenige Tage lieferten sie nach dem 8. November mehr Erdgas. Nach Angaben des ukrainischen Transportnetzbetreibers nutzen die Russen die ihnen zustehenden Kapazitäten für den Gastransit durch die Ukraine nicht aus.
Pinkwart sagt, die aktuelle Lage mache deutlich, „dass wir erheblich zu wenige Bezugsquellen für Erdgaslieferungen und entsprechende Transportinfrastrukturen wie LNG-Terminals haben, die wir ja auch für Wasserstoffimporte benötigen werden“.
Zwar erfolgten in den vergangenen Jahren Anpassungen des regulatorischen Rahmens, um die Gasreservebeschaffung anzureizen. Nach Überzeugung Pinkwarts reichen sie aber nicht aus. Die Gasreserven müssten „frühzeitig und in ausreichender Höhe auch ausgeschrieben werden, um bei einem strengen Winter eine Mindestkapazität zum Ende der Heizperiode sicher zu stellen“, sagte Pinkwart.
Pinkwart sucht das Gespräch mit Habeck
Pinkwart will nach eigener Aussage „kurzfristig an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck herantreten und gemeinsam mit der Branche die aus meiner Sicht notwendige Nachschärfung vorhandener und auch die Entwicklung weiterer Instrumente angehen“. Das könne auch erratische Preisausschläge am Gasmarkt verhindern helfen.
Habecks Ministerium ist allerdings zurückhaltend. „Die Gasversorgung in Deutschland ist weiterhin sicher. Es gibt aktuell keine Versorgungsengpässe“, teilte das Ministerium auf Anfrage mit. Habecks Haus verwies darauf, man stehe kontinuierlich mit anderen EU-Staaten im Austausch, um das Krisenmanagement im Gasbereich weiter zu verbessern.
Auch seitens der SPD gibt es Vorbehalte hinsichtlich einer staatlichen Bevorratung. „Auch ohne eine kostspielige staatliche Erdgasreserve wird diesen Winter niemand in einer kalten Wohnung sitzen“, sagte Johann Saathoff, langjähriger Energiepolitikexperte der SPD-Bundestagsfraktion und seit wenigen Tagen parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium.
Es gebe ein vielfältiges Instrumentarium, um im Knappheitsfall zu reagieren. „Selbstverständlich könnte man in Anbetracht des sich wandelnden Marktumfeldes für Erdgas über regulatorische Änderungen nachdenken“, sagte Saathoff. So könnten beispielsweise Anreize zur Einspeicherung geschaffen werden, um eine ausbleibende Preis-Spreizung zwischen Sommer und Winter zu kompensieren, sagte er.
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