Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
ich melde mich aus Düsseldorf mit den besten Wünschen für 2022.
Dieses neue Jahr beginnt gleich mit einem Widerspruch: Während sich die neueste Corona-Variante Omikron in rasender Geschwindigkeit weltweit ausbreitet, blicken viele Unternehmen mit großem Optimismus auf die nächsten Monate.
Die Auftragsbücher der Industrie sind intestine gefüllt, wichtige Handelspartner wie USA, Frankreich oder Italien dürften 2022 kräftig wachsen, und die Lieferengpässe, die viele Unternehmen schwer getroffen haben, werden sich in vielen Fällen auflösen. Und so ist es kein Wunder, dass von 48 Wirtschaftsverbänden kein einziger einen Produktions- oder Geschäftsrückgang erwartet, wie eine Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ergab.
High-Jobs des Tages
Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.
Natürlich gibt es auch jede Menge Unsicherheiten. Die Lage an der russisch-ukrainischen Grenze ist ungelöst und die Omikron-Welle dürfte in den nächsten Monaten für massenhafte Krankmeldungen sorgen. Krankenhäuser, Feuerwehr-Stationen und Kraftwerksbetreiber arbeiten deshalb längst an Notfallplänen.
Doch es gibt auch jede Menge Gründe, optimistisch ins neue Jahr zu schauen. Hier eine ganz persönliche Auswahl:
1. 2022 ist das erste Jahr einer neuen Normalität. Wir werden Corona zwar nicht abhaken. Aber wir werden lernen, mit dem Virus zu leben. Im Dezember hat die europäische Arzneimittelbehörde Ema die ersten zwei Antikörper-Therapien gegen Covid-19 genehmigt. Weitere Medikamente stehen kurz vor der Zulassung. Zugleich wird das Virus zwar ansteckender, aber weniger gefährlich: Die aktuelle Omikron-Variante, die sich weltweit rasend schnell ausbreitet, sei nicht dieselbe Krankheit, wie die vor einem Jahr, sagen Wissenschaftler. Intestine möglich, dass das Coronavirus schon 2022 seinen Schrecken verliert – und von einem Angstgegner zu einem eher harmlosen, jährlich wiederkehrenden Ärgernis wird.
2. Vor uns liegt ein Jahr des Aufbruchs. Es sind nicht nur die Unternehmen, die optimistisch in das beginnende Jahr blicken. Viele Menschen nutzen die Corona-Zäsur als Likelihood: Laut aktuellen Zahlen ist rund die Hälfte der Angestellten in Deutschland auf dem Sprung – bei Führungskräften ist die Lage ähnlich, wie mein Kollege Lazar Backovic kürzlich analysierte. Eben battle noch von einer großen Resignation die Rede, wenn Arbeitspsychologen über den Zustand in den Unternehmen sprachen. Was für ein Irrtum. Corona wirkt wie ein biografischer Veränderungskatalysator.
Die Zeit für den Schritt ins Ungewisse battle nie besser. Jobbörsen melden quick im Monatstakt neue Rekordzahlen von offenen Stellen. Früher einmal haben Menschen ihr Leben für den Job passend gemacht. Jetzt suchen sie den zu ihrem Leben passenden Arbeitsplatz. Das hat Folgen: Unternehmen fragen nicht mehr nur, was die Angestellten für sie tun können. Sie überlegen viel ernsthafter, was sie – neben einem attraktiven Gehalt – für ihre Angestellten noch tun können. Sie verstehen, dass sie den Kampf um die guten Leute mit kostenlosen Obstkörben nicht gewinnen werden.
Die große Machtverlagerung von den Unternehmen hin zu den Angestellten hat längst begonnen: Viele Firmen erfahren gerade, dass sich nicht mehr die Mitarbeiter bei ihnen bewerben, sondern sie um die besten Köpfe streiten müssen. Apple, das wurde vor wenigen Tagen bekannt, schenkt seinen „Excessive Performers“ kurz vor Jahresende Aktienoptionen von bis zu 180.000 Greenback, wenn sie bleiben. Grund für das unerwartete Weihnachtsgeschenk ist die Angst, dass Leistungsträger zur Fb-Muttergesellschaft Meta wechseln könnten.
3. Die Medizin macht riesige Fortschritte. Es ist klar, dass unsere Kinder deutlich älter werden als wir. Einer der Gründe dafür sind die enormen Fortschritte im Kampf gegen den Krebs. Wissenschaftler rüsten dafür körpereigene Immunzellen genetisch auf, um Tumore zu vernichten. Zelltherapien gegen Krebs etwa erleben einen wahren Forschungsboom.
Die Zahl der Entwicklungsprojekte in diesem faszinierenden Feld hat sich zwischen 2019 und 2021 auf weltweit mehr als 2000 nahezu verdoppelt, wie unsere Unternehmensreporter Siegried Hofmann und Maike Telgheder vor wenigen Tagen eindrucksvoll beschrieben haben. Vorn mit dabei: mehrere deutsche Biotech-Unternehmen wie Biontech, bekannt durch seinen Corona-Impfstoff, sowie Gemoab, Immatics, T-Knife und Miltenyi. Eine Entwicklung, die Mut macht.
4. Der neue Tech-Increase ist europäisch. Nie zuvor haben Investoren aus aller Welt so viel Geld in deutsche Begin-ups gesteckt wie 2021. Rund 12,4 Milliarden Euro waren es bis September – und zu der Zeit schon mehr als doppelt so viel wie im bisherigen Rekordjahr 2019. Besonders gefragt: Deeptech-Firmen wie Raketenhersteller, Flugtaxibauer, Quantencomputer oder Kernfusionsreaktoren. Oder Begin-ups, die Softwaresysteme für Unternehmen und ihre Produktionsanlagen entwickeln.
In all diesen Feldern sind europäische Gründerinnen und Gründer stark – das erkennen die größten Investoren der Welt gerade. Trotz der gewohnte Klagen aus der Szene: Jede gute Idee wird mittlerweile finanziert. Um die innovativsten Begin-ups zu besuchen, muss man nicht mehr ins Silicon Valley reisen. Ein Journey nach München, Berlin oder Paris genügt.
5. Die Verkehrswende gelingt, aber… nicht mit der Deutschen Bahn. Nur 69 Prozent der Züge fahren pünktlich durch den lauen Winter – man magazine sich kaum vorstellen, was passieren würde, wenn wir auch noch winterliche Temperaturen, Schnee und Eis haben würden. Die Verkehrswende findet derweil anderswo statt: Mit Flixbus hat Deutschland einen echten International Participant auf dem Markt für Fernbusse, dem energieeffizientesten Massenverkehrsmittel überhaupt.
Noch nie wurden in Deutschland zudem so viele Elektroautos zugelassen wie 2021. Nächstes Jahr sollen ein Drittel aller neu zugelassenen Fahrzeuge entweder rein elektrisch oder von einem Hybridmotor angetrieben werden, schätzen Experten. Wie ernst die Lage für die deutschen Verbrenner-Followers ist, zeigen die Zahlen der Benzin-im-Blut-Apologeten von Porsche: In den ersten neun Monaten des Jahres hat Porsche mehr vollelektrische Taycans abgesetzt als 911er. Wenn nun noch Ladesäulen und grüner Strom kämen, könnte das Projekt Verkehrswende auf der Straße tatsächlich gelingen.
6. In vielen Ländern ist die Gefahr des Populismus gebannt: Viel wurde diskutiert über die Schwäche westlicher Demokratien und Werte, und mit Sorge blickte die Welt auf Wladimir Putin oder Xi Jinping und ihre kleinen Brüder im Geiste wie Ungarns Premier Viktor Orban. Doch die politische Mitte ist widerstandsfähiger als befürchtet, das hat nicht nur die Bundestagswahl gezeigt. Bei den französischen Präsidentschaftswahlen sieht es intestine aus für Emmanuel Macron. Und in der Türkei könnte die lange Herrschaft von Recep Tayyip Erdogan 2023 zu Ende gehen, wie unser Türkei-Korrespondent Ozan Demircan kürzlich beschrieb: Der Präsident wankt nur noch von einer Krise zur nächsten.
7. Technologien entwickeln sich in exponentieller Geschwindigkeit weiter. Viele Jahre galt in der Computerindustrie das Mooresche Gesetz, wonach sich die Leistung von Computerchips alle 12 bis 24 Monate verdoppelt. Diese Regel springt nun auf andere Bereiche über: Denn schnellere Rechner ermöglichen mächtigere Algorithmen, deren Leistung noch viel schneller zunimmt als die von Computerchips. Diese Algorithmen wiederum machen wissenschaftliche Fortschritte in der Biotechnologie möglich, was wiederum hilft wirksamere Medikamente, selbstfahrende Autos und autonome Fabriken zu entwickeln.
Ohne die Verknüpfung von Biotech und KI wäre es nicht gelungen in einem Jahr rund ein Dutzend Covid-Impfstoffe auf den Markt zu bringen. Technologie-Experten sehen die Welt am Beginn des Zeitalters einer Technologieentwicklung in exponentieller Geschwindigkeit. Das hat allerdings auch seinen Preis: Laut des Edelmann Belief Barometers geht der technologische Wandel 60 Prozent der 30.000 weltweit Befragten zu schnell.
8. Das ist die Likelihood für eine neue Era an Führungskräften. Nun beginnt die Zeit von denjenigen, die Unternehmen durch diese immer schnelleren Veränderungen führen können, die diesen Prozess erklären und ihre Kolleginnen und Kollegen auf diesem Weg mitnehmen. Das ist alles andere als leicht. Viele Menschen werden umlernen, sich bewegen müssen. Einige werden die immer höhere Geschwindigkeit nicht mitgehen können, wieder andere werden es nicht wollen.
76 Prozent der Befragten des Edelmann Belief Barometers gaben an, dass CEOs bei Veränderungen die Führung übernehmen und nicht darauf warten sollten, dass die Regierung dies tue. Der Administration-Vordenker Reinhard Sprenger sagte im Handelsblatt: „Führungskräfte erleben um sich herum eine nie gekannte Komplexitäts- und Kommunikationsexplosion“. Die müsse gesteuert werden, „um gemeinsame Orientierungs-Landkarten aus diffusen Signalen zu erstellen“.
9. Viele dieser neuen Führungskräfte sind weiblich. Jahrelang wurde der niedrige Anteil von Frauen in Führungspositionen beklagt. Nun ist die Trendwende da: Noch nie wurden in deutschen Konzernen mehr Frauen auf Vorstandsebene rekrutiert als in den vergangenen zwölf Monaten. 28 Prozent der neu besetzten Führungsposten wurden von den größten börsennotierten deutschen Unternehmen den vergangenen zwölf Monaten mit Frauen besetzt. Wenn man mit Headhuntern spricht, dürfte das nur der Anfang gewesen sein. Und was die Zahlen auch noch zeigen: In vielen Fällen sind Frauen in Vorständen sogar besser als ihre männlichen Kollegen.
Nun wünsche ich Ihnen einen kraftvollen Begin ins neue Jahr. Lassen Sie uns in Kontakt bleiben. Schreiben Sie mir, was Ihnen am Handelsblatt gefällt und in welchen Feldern wir besser werden müssen. Denn auch wir, liebe Leserinnen und Leser, befinden uns in diesem langen Prozess der Veränderung. Unser Antrieb dabei ist, für Sie möglichst spannenden, abwechslungsreichen und nützlichen Wirtschaftsjournalismus zu machen.
Herzlichst,
Ihr
Sebastian Matthes
Chefredakteur Handelsblatt
Das Morning Briefing plus können Sie im Rahmen Ihres Handelsblatt-Digitalabonnements kostenfrei erhalten oder hier separat abonnieren.