Zur Welt-Aids-Konferenz
Neues Medikament soll HIV-Infektion verhindern
Aktualisiert am 25.07.2024 – 13:03 UhrLesedauer: 3 Min.
Neue Forschungsergebnisse könnten in der Prävention von HIV bahnbrechend sein. Was das neue Medikament verspricht und welche Forderungen es nun gibt.
Ein halbjährlich gespritztes Medikament soll nach Forscherangaben eine HIV-Infektion zuverlässig verhindern. Die Studie, die im „New England Journal of Medicine“ (NEJM) veröffentlicht und auf der Welt-Aids-Konferenz in München vorgestellt wurde, weckt damit große Hoffnungen im Kampf gegen Aids.
Zugleich wird die Forderung an das Pharmaunternehmen Gilead laut, die Herstellung preisgünstiger Generika zuzulassen, um das Mittel vorwiegend in den stark von HIV betroffenen Gegenden des Globalen Südens kostengünstig zugänglich zu machen. Das Mittel Lenacapavir ist in mehreren Ländern – auch in Europa – bisher nur zur HIV-Therapie für bestimmte Patienten zugelassen.

Die beiden Begriffe werden oft synonym verwendet. Doch sie beschreiben unterschiedliche Dinge. HIV („Human Immunodeficiency Virus“), zu deutsch: menschliches Immunschwäche-Virus, bezeichnet das Virus, das bestimmte Zellen des Immunsystems schädigt und den Körper anfälliger für Erkrankungen macht. Unbehandelt kann eine Infektion mit dem HI-Virus zur Krankheit AIDS führen. AIDS steht für „Acquired Immunodeficiency Syndrome“, was übersetzt „Erworbenes Immunschwächesyndrom“ bedeutet.
An der Studie waren rund 5.338 Mädchen und junge Frauen in Südafrika und Uganda beteiligt, die ursprünglich HIV-negativ waren. Unter den gut 2.134 Teilnehmerinnen, die zweimal im Jahr Lenacapavir unter die Haut gespritzt bekamen, gab es keine einzige Infektion.
In den beiden anderen Gruppen mit rund 3.200 Teilnehmerinnen, die zwei unterschiedliche Medikamente zur Präexpositionsprophylaxe (PrEP) eingenommen haben, gab es hingegen insgesamt 55 HIV-Infektionen.
Lenacapavir sei zu 100 Prozent effektiv gewesen, sagte die Studienhauptautorin und Direktorin des Desmond Tutu HIV-Zentrums an der Universität von Kapstadt Linda-Gail Bekker. Sie wurde dabei vom Applaus der Zuhörer bei der Aids-Konferenz begleitet, dem weltgrößten wissenschaftlichen Treffen zum Thema HIV. Sharon Lewin, Präsidentin der Internationalen Aids-Society (IAS), sprach von einem bahnbrechenden Fortschritt.

Das weitere Medikament Cabotegravir, das zur Behandlung mit HIV lebender Menschen sowie zudem zur PrEP in Europa zugelassen ist, schützt für etwa acht Wochen vor einer Ansteckung. Hierzu gab es eine Studie im ländlichen Uganda und Kenia zur Umsetzbarkeit bei Männern und Frauen in Afrika, die zeigte, dass viele die Injektion bevorzugten, allein schon, weil sie Sorge hatten, die Tabletten zu vergessen.

Die UNAIDS-Exekutivdirektorin Winnie Byanyima sprach von Wundermitteln. Sie rief speziell Gilead auf, alles zu tun, dass Lenacapavir schnell und kostengünstig für Menschen vorwiegend in Asien, Lateinamerika und Afrika zur Verfügung gestellt werden könne.
Es gebe keine Zeit zu verlieren. Byanyima verwies auf das UN-Ziel, bis 2030 HIV nicht mehr als Bedrohung der öffentlichen Gesundheit zu werten. Das seien noch sechs Jahre – doch nach wie vor infizierten sich jährlich weltweit 1,3 Millionen Menschen neu mit dem Virus, jede Minute stirbt ein Mensch an den Folgen von Aids.
Jared Baeten, Senior-Vizepräsident für Klinische Entwicklung von Gilead Science, berichtete, eine zweite Studie mit Männern, unter anderem auch mit Transgender-Personen als besonders von HIV betroffene Gruppe, laufe bereits. Die Ergebnisse würden Ende dieses Jahres erwartet.
Eine Zulassung von Lenacapavir als Präexpositionsprophylaxe in vielen Ländern könne bis Ende 2025 möglich sein. Gilead sei schon jetzt mit Generika-Herstellern im Gespräch. Es müsse aber sichergestellt sein, dass das Medikament in hoher Qualität produziert werde.
Einen Preis könne er derzeit nicht nennen, sagte Baeten. Jedoch sei Gilead bemüht, Lenacapavir so schnell wie möglich zu einem günstigen Preis gerade auch in Ländern mit hoher HIV-Inzidenz und geringen Ressourcen verfügbar zu machen. Der von Aktivisten genannte Preis für Lencapavir in den USA von 40.000 Dollar für eine Jahresbehandlung betreffe nur bestimmte Patienten und werde nicht für die künftige Prophylaxe gelten.
„Das ist Musik in meinen Ohren“, kommentierte Byanyima die Aussagen. Sie erinnerte daran, wie schnell die Covid-19-Impfung zur Verfügung gestellt werden konnte und verlangte: „Bewegt Euch schnell.“ Shareholder Value dürfe nicht im Vordergrund stehen.
