Die Deutsche Bahn sperrt ab Mitte Juni für fünf Monate die meistbefahrene Strecke des Landes. Droht das große Ersatzverkehr-Chaos? Die Bahn gibt sich nach einem Testlauf optimistisch.
Es ist die größte Bahnbaustelle seit Jahrzehnten: Mit Abpfiff des Finales der Fußball-EM beginnt die Deutsche Bahn (DB) am 15. Juli mit der Generalsanierung der Strecke Frankfurt-Mannheim, auch bekannt als Riedbahn.
Für fünf Monate, bis zum Fahrplanwechsel am 14. Dezember, fahren dann auf dem meistgenutzten Schienenabschnitt des Landes weder ICEs noch Regional- und S-Bahnen. Millionen Fahrgäste werden von der Komplettsperrung betroffen sein. Während sie im Fernverkehr umgeleitet werden, sich die Fahrtzeit dadurch um 30 Minuten erhöht, müssen die Reisenden im Regionalverkehr auf Busse ausweichen.
Chaos und Ärger scheinen da vorprogrammiert, zumal im heißen Sommer. Und überhaupt: Wer glaubt schon, dass der Bahn-Konzern am Ende nicht doch viel länger braucht für die sogenannte Korridorsanierung? Irgendetwas wird doch wieder schiefgehen – oder?
Bahn nach Generalprobe optimistisch
DB-Infrastruktur-Vorstand Berthold Huber ist der Letzte, der solche Sprüche nicht zur Genüge kennt. Und doch gibt er sich am Donnerstag vor Journalisten in Berlin optimistisch. Grund dafür: die aus Bahn-Sicht ermutigende Bilanz der Generalprobe der Generalsanierung, die der Konzern im Januar über die Bühne gebracht hat. Vier Wochen lang fuhren auf der Strecke Busse statt Züge, auf einem Abschnitt von neun Kilometern erneuerte die Bahn in dieser Zeit alle Gleise, Kabelstränge und Signalanlagen.
„Wir haben geschafft, was uns keiner zugetraut hat“, sagt Huber. „Insgesamt ist es uns gelungen, 400 Prozent mehr Bauvolumen ins Gleis zu bringen als mit der konventionellen Bauweise, bei der wir unter ‚rollendem Rad‘ mit einzelnen Teilsperrungen vorgehen.“
Dass die Bahn die eigentlich nur für drei Wochen geplante Aktion um eine ganze Woche hat verlängern müssen, immerhin eine Verzögerung um ein Drittel der veranschlagten Zeit, habe unter anderem mit den Bahnstreiks zu tun gehabt, aber auch mit den Witterungsbedingungen: „Das Glatteis hat uns mindestens einen Tag gekostet.“ Zudem habe die Wiederinbetriebnahme der alten Technik länger gedauert als ursprünglich vermutet. „Die wäre dann nach der Komplettsanierung aber ohnehin weg, das sollte im Herbst kein Problem sein.“
Die meistbefahrene Strecke Deutschlands
Wie nötig die Riedbahn die Sanierung hat, wird an ein paar Zahlen deutlich: Täglich 16.000 Fahrgäste nutzen die knapp 70 Kilometer lange Nord-Süd-Achse allein im Regionalverkehr, hinzu kommt der Fern- und Güterverkehr. Insgesamt rollen pro Tag mehr als 300 Züge über die Strecke. Die Trasse ist die meistbefahrene in der gesamten Republik. Die Folge, so Huber: „Die Strecke ist zu voll, zu alt, zu kaputt.“
Deshalb hat sich die Bahn erstmals zu einer Generalsanierung entschlossen, bei der für einen überschaubaren Zeitraum der gesamte Bahnkorridor gesperrt und nicht wie sonst für teils Jahre der Zugverkehr für Bauarbeiten nur eingeschränkt wird. Alle Gleise, Stromanlagen und Signale sowie die Leit- und Sicherheitstechnik sollen grunderneuert werden.
Ziel: Nach der Kernsanierung soll erst einmal Ruhe sein für einige Jahre – und die vielen Verspätungen, etwa durch Signalstörungen, sollen der Vergangenheit angehören. Nach der Riedbahn sollen schon bald weitere Strecken in ähnlicher Manier repariert werden. 2025 folgt die Strecke Berlin-Hamburg, bis 2030 will die Bahn so rund 4.000 Streckenkilometer wieder fit machen.
Bis dahin müssen Bahnreisende aber gute Nerven beweisen und das über Monate. Denn – natürlich – dauert nicht nur die Umleitungsstrecke für die ICEs länger, sondern auch der Regio-Ersatzverkehr mit Bussen. Und klar ist ebenso, dass trotz aller Zeitpuffer der Bahn immer noch irgendetwas Unvorhergesehenes passieren und schiefgehen kann. Optimismus hin oder her: Am Ende kann niemand ausschließen, dass sich die Bauarbeiten nicht doch noch verzögern.