Die Akte Kasia Lenhardt ist noch nicht geschlossen. Ein Medienbericht enthüllt neue Details über Jérôme Boateng und die Gewaltvorwürfe gegen ihn.
Es dürfte schon schlimm genug für Jérôme Boateng gewesen sein, dass sich sein Bruder öffentlich von ihm distanzierte. Kevin-Prince Boateng sagte 2021 nach einer Verurteilung Jérômes: „Ich habe mich schon vor längerer Zeit von Jérôme distanziert. Ich schätze und respektiere das deutsche Gesetz. Ich verachte Gewalt gegen Frauen. Ich identifiziere mich nicht mit den Taten meines Bruders, und deswegen habe ich nichts mehr mit ihm zu tun.“
Doch jetzt tauchen neue Aussagen von einem Familienmitglied auf, die den ehemaligen Bayern-Star und Ex-Nationalspieler belasten. Diesmal ist es die Mutter von Jérôme Boateng, die Vorwürfe gegen ihren eigenen Sohn erhebt. Der „Spiegel“ berichtet am Freitag darüber und zitiert aus einer E-Mail vom 25. März 2021 an eine Berliner Anwältin folgenden Satz: „Seit Jahren misshandelt mein Sohn Frauen psychisch und physisch, jetzt hat sich Kasia Lenhardt das Leben genommen und er will immer noch nicht die Konsequenzen für sein Verhalten tragen.“
Kasia Lenhardt starb im Alter von 25 Jahren
Kasia Lenhardt, das ist die Ex-Freundin Jérôme Boatengs. Sie starb am 9. Februar 2021 im Alter von 25 Jahren, nachdem eine öffentliche Schlammschlacht um sie, Boateng und die Trennung der beiden entbrannt war. Um ihren Tod ranken sich bis heute viele Spekulationen. Fakt ist: Die Obduktion, die von der Berliner Staatsanwaltschaft in Auftrag gegeben wurde, sah keine Hinweise für ein Fremdverschulden. Der zuständige Gerichtsmediziner Prof. Dr. Michael Tsokos bestätigte den Befund.
t-online sprach damals mit erfahren Kriminologen wie Dr. Martin Thüne und Prof. Dr. Christian Pfeiffer. Alle äußerten bei den Hinweisen einen eindeutigen Verdacht: Kasia Lenhardt hatte sich das Leben genommen.
Ob es am Druck der Öffentlichkeit lag, dem Hass, dem sie sich wegen der Vorwürfe Boatengs ausgesetzt sah, ist unklar. Die „Bild“-Zeitung kassierte damals eine Rüge für ihre Berichterstattung, der damals noch als Chefredakteur tätige Julian Reichelt hatte ein Interview mit Jérôme Boateng drucken lassen, in dem dieser seiner Ex unter anderem Alkoholmissbrauch unterstellte.
Nach dem Tod Kasia Lenhardts wurde viel über Gewaltvorwürfe gegen Jérôme Boateng berichtet. Das Model soll unter der Beziehung gelitten haben, sei jedoch zum Schweigen verdammt gewesen, weil sie eine sogenannte Verschwiegenheitsklausel unterschrieben hatte. Jérôme Boateng ließ stets sämtliche Vorwürfe zurückweisen.
Auch jetzt wird seine Anwältin auf eine „Spiegel“-Anfrage hin so zitiert: „Unserem Mandanten ist es aufgrund laufender Verfahren derzeit nicht möglich, auf Ihre Fragen im Detail einzugehen. Daher grundsätzlich: Sie sind in weiten Teilen schlicht falsch informiert; darüber hinaus werden Sie offenbar nur mit selektiven Informationen versorgt.“
Boateng muss sich auch im Fall Sherin S. rechtfertigen
Mit dem laufenden Verfahren ist ein Prozess um Boateng und eine andere Ex-Freundin gemeint: Shirin S. Nachdem das Bayerische Oberste Landesgericht den Revisionsanträgen unter anderem wegen Verfahrensfehlern stattgegeben hat, wird der Vorwurf der Körperverletzung in diesem Sommer erneut vor Gericht verhandelt. Boateng gilt insofern weiter als unschuldig.
Doch das ist nicht alles. Auch Kasia Lenhardt beschäftigt die Justiz weiter. Die Staatsanwaltschaft München hatte das Verfahren einen Tag nach ihrem Tod wieder aufgenommen, weil durch das Todesermittlungsverfahren in Berlin neue Erkenntnisse zutage gefördert wurden. Das bestätigte die Staatsanwaltschaft t-online auf Nachfrage. Wie der „Spiegel“ jetzt schreibt, sei das Verfahren wegen vorsätzlicher Körperverletzung gegen Jérôme Boateng auch drei Jahre nach dem Tod von Kasia Lenhardt noch nicht abgeschlossen.