Die Risse in der westlichen Welt werden in Madrid noch sichtbarer werden.
(Foto: dpa)
Dass auf den Gipfel der sieben mächtigsten Industrienationen (G7) gleich der Gipfel des mächtigsten Verteidigungsbündnisses der Welt folgt, ist kein Zufall. Das G7-Treffen in Elmau und die Zusammenkunft der 30 Nato-Mitglieder in Madrid signalisieren den Ernstfall für den Westen.
Putins Angriffskrieg hat die westlichen Demokratien wirtschaftlich und vor allem sicherheitspolitisch herausgefordert. Der barbarische Raketenangriff Putins auf ein Einkaufszentrum im ukrainischen Krementschuk hat noch einmal allen vor Augen geführt, dass Gefahr für Frieden und Freiheit im Verzug ist.
Der doppelte Gipfel gibt darauf gleich mehrere Antworten: Der Westen zeigt sich auf den ersten Blick einig, ist wirtschaftlich jedoch nicht mehr in der Lage, eine weltumspannende Koalition der Willigen gegen den Aggressor im Kreml auf die Beine zu stellen. Deshalb konnte die G7 nicht einfach einen Preisdeckel für russisches Öl beschließen, unter dem sich dann der Rest der Welt versammeln würde.
Die „Whatever it takes“-Attitüde, um Putin in die Schranken zu weisen, spiegelt eine sehr westliche Sichtweise wider. In anderen Regionen der Welt ist das Bild komplexer. Die wirtschaftlichen und auch die geopolitischen Interessen Indiens etwa sind nicht deckungsgleich mit dem eurozentrischen Weltbild. Und wenn wir ehrlich sind, ist die Front gegen Putin selbst in Europa und Amerika keineswegs so geschlossen, wie die harmonischen Bilder aus dem Alpenschloss Elmau glauben machen wollen.
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Diese Risse werden beim Nato-Gipfel in Madrid noch sichtbarer werden. Ja, das Verteidigungsbündnis stockt seine schnelle Eingreiftruppe von 40.000 auf 300.000 Soldaten auf. Das ist sicher ein Signal der Stärke, das man auch in Moskau wahrnehmen wird. Zumal die Nato damit deutlich machen will, dass es ihr in erster Linie um Abschreckung, im Notfall aber auch um die Verteidigung insbesondere der baltischen Mitgliedsländer geht. Gerade in Deutschland hinken Politik und Befindlichkeit noch weit dieser militärischen Aufrüstung hinterher.
(Foto: Burkhard Mohr)
Für die Ukraine gilt die vertragliche Bündnispflicht der Nato nicht. Dass westliche Regierungschefs in Kiew Schlange stehen, um zu betonen, dass in der Ukraine auch über das Schicksal der westlichen Demokratien entschieden wird, ändert nichts an der Tatsache, dass der Krieg, je länger er dauert, die Geschlossenheit des Westens auf eine harte Probe stellen wird.
Es ist deshalb mehr als ein semantischer Unterschied, ob man wie Bundeskanzler Olaf Scholz davon spricht, Putin dürfe den Krieg nicht gewinnen. Oder ob man, wie seine Außenministerin Annalena Baerbock und mit ihr viele andere, darauf pocht, die Ukraine müsse aus diesem Krieg als Sieger hervorgehen. Hinter diesem Disput lauert die heikle Frage nach dem Kriegsziel und möglichen Kompromissen mit Putin, auf die im Moment niemand eine Antwort geben mag.
Wie hält der Westen es mit China?
Das ist bei Weitem nicht das einzige Streitthema für die Nato. Die Türkei sperrt sich gegen den Nato-Beitritt von Schweden und Finnland. Uneinigkeit herrscht auch darüber, wie sehr sich die Nato auf die Gefahr durch Putin konzentrieren soll, ohne dabei andere Sicherheitsrisiken wie den Klimawandel, Flüchtlingsströme und vor allem China aus dem Blick zu verlieren.
Das jetzt beim G7-Gipfel verkündete Infrastrukturprogramm in Höhe von 600 Milliarden Dollar wird kaum reichen, um den weltweit wachsenden Einfluss Pekings Paroli zu bieten. Genauso wichtig ist eine schlüssige Strategie gegenüber der bald größten Volkswirtschaft der Welt. Die Debatte darüber, welchen wirtschaftlichen Preis der Westen zu zahlen bereit ist, um seine Werte auch gegenüber einem autoritär auftretenden China zu verteidigen, hat noch gar nicht begonnen.
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