Das Unternehmen ist der größte deutsche Gas- und Ölförderer.
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Düsseldorf Das Kasseler Unternehmen Wintershall Dea vermeldet operativ ein erfolgreiches Geschäftsjahr. Der Konzern steigerte seinen Betriebsgewinn (bei Wintershall Ebitdax genannt) im Vergleich zum Vorjahr um 91 Prozent auf 5,9 Milliarden Euro. Das teilte Wintershall am Donnerstag mit.
Doch dem hohen operativen Gewinn steht ein deutlicher Verlust gegenüber: Nach knapp einem Jahr Ukrainekrieg hat Wintershall im Januar verkündet, sich vollständig aus Russland zurückzuziehen. Das bringt dem Konzern einen satten Verlust von 4,8 Milliarden Euro für das Geschäftsjahr 2022 ein, nach einem Gewinn von 593 Millionen Euro im Vorjahr.
Das bereinigte Nettoergebnis von Wintershall ist, wenn man Russland herausrechnet, um 130 Prozent auf 928 Millionen Euro gestiegen. Wäre das Russlandgeschäft mitsamt seinen Einnahmen noch da, hätte das Nettoergebnis laut Wintershall gar bei 2,36 Milliarden Euro gelegen. Stattdessen muss sich das Unternehmen mit der Abwicklung des Bereichs beschäftigen.
Langes Zögern trotz massiver Kritik
Der Wintershall-Chef Mario Mehren sagte zum Rückzug im Januar: „In den vergangenen Monaten hat die russische Regierung die Tätigkeit westlicher Unternehmen im Land eingeschränkt.“ Die Gemeinschaftsunternehmen, die Wintershall mit dem russischen Energiekonzern Gazprom betreibt, seien de facto wirtschaftlich enteignet worden.
Wintershall ist ein Tochterunternehmen des Chemiekonzerns BASF und hat in der Vergangenheit zusammen mit Gazprom über drei Gemeinschaftsunternehmen in Sibirien Öl und Gas gefördert. Dieses Geschäft war lange lukrativ und könnte es angesichts der noch immer recht hohen Gaspreise auch weiterhin sein. Im Geschäftsjahr 2021 hat das Russlandgeschäft etwa ein Fünftel des Betriebsgewinns beigesteuert.
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Allerdings konnte Wintershall seit Kriegsbeginn nicht mehr vom Russlandgeschäft profitieren. Mehren hatte erklärt: „Unsere Einnahmen sind in Russland gefangen. Wir haben seit Februar dieses Jahres kein Geld mehr aus dem Land bekommen.“
Der Kritik am Russlandengagement von Wintershall durch Umweltorganisationen wie Urgewald und Greenpeace hatte das keinen Abbruch getan. Zudem gab es im November Medienberichte, laut denen eines der Gemeinschaftsunternehmen von Wintershall Gaskondensat an einen der wichtigsten Lieferanten der russischen Luftwaffe geliefert haben soll. Wintershall hatte die Vorwürfe als konstruiert zurückgewiesen.
Trotz der massiven Kritik und der wirtschaftlich unattraktiven Lage hatte Wintershall allerdings lange gezögert, sich vollständig aus Russland zurückzuziehen. Der Konzern hatte im vergangenen Jahr zunächst sein Russlandgeschäft rechtlich vom restlichen Geschäft getrennt. Wintershall-Chef Mehren hatte aber argumentiert, bei einem vollständigen Rückzug würde Wintershall seine Produktionsanlagen schlicht dem russischen Staat schenken. Damit sei niemandem geholfen. Jetzt hat Wintershall doch genau das getan.
Stattdessen schaut sich das Unternehmen nun weltweit nach neuen Geschäften um. So hatte es etwa im Oktober verkündet, 37 Prozent an einem Öl- und Gasfeld namens Hokchi in Mexiko übernehmen zu wollen. Auch aus seinen Feldern in Deutschland will Wintershall bis zu zehn Prozent mehr Gas und Öl fördern – sofern die nötigen Genehmigungen dafür vorliegen.
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