Guten Morgen, sehr geehrte Leserinnen und Leser,
in die Beziehungen zu China und erst recht Russland ist eine gewisse Ernüchterung eingekehrt. Nun erinnert man sich in der deutschen und europäischen Handelspolitik plötzlich wieder an alte Bekannte, denen man lange Zeit höchstens mal eine Weihnachtskarte geschickt hat.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warb zum Auftakt seiner viertägigen Reise durch Südamerika für einen zügigen Abschluss des Freihandelsabkommens zwischen der EU und den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. „Die Verhandlungen haben nun schon lange genug gedauert“, sagte Scholz im Anschluss an ein Treffen mit dem argentinischen Präsidenten Alberto Ángel Fernández.
Ein Kanzlersatz, dem man uneingeschränkt zustimmen kann. Die Gespräche über das Freihandelsabkommen laufen seit 1999 und währen damit länger als manche Diplomatenkarriere. Ulrich Ackermann, Leiter Außenwirtschaft beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), mahnt: „Lateinamerika stand lange Zeit nicht im Fokus der Bundesregierung, wir verpassen da seit Jahren Chancen, die China ergriffen hat.“
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Chinas Handel mit Lateinamerika und der Karibik ist laut einer Analyse des Weltwirtschaftsforums von 2000 bis 2020 um das 26-fache gewachsen. Erst kürzlich hat auch China dem Mercosur ein Freihandelsabkommen vorgeschlagen.
U.S. Secretary of State Antony Blinken visits the American University in Cairo, Egypt, Sunday, Jan. 29, 2023. (Mohamed Abd El Ghany, Pool via AP)
(Foto: AP)
Die US-Regierung hat ein militärisches Vorgehen nicht ausgeschlossen, um den Iran davon abzuhalten, in den Besitz von Atomwaffen zu kommen. US-Außenminister Antony Blinken sagte am Sonntag in einem Interview dem Sender Al-Arabiya, alle Optionen seien auf dem Tisch. Ob das auch eine militärische Option beinhalte, wollte Blinken auf Nachfrage nicht ausschließen. „Alle Optionen sind auf dem Tisch“, wiederholte er. Er sagte aber auch, dass der bevorzugte Weg die Diplomatie sei. Bereits im Sommer 2022 hatte US-Präsident Joe Biden einen Angriff „als letztes Mittel“ nicht ausgeschlossen.
Seit Monaten stecken die Verhandlungen zur Wiederbelebung des Atomabkommens zwischen dem Iran und dem Westen in einer Sackgasse. Nachdem die USA im Jahr 2018 aus dem Abkommen ausgestiegen waren, hält sich auch Teheran nicht mehr an die in dem Deal vereinbarten Beschränkungen und verwehrt internationalen Kontrolleuren den Zugang.
Der interessanteste Satz des Wochenendes stammt für mich von Angela Stent. Die Russlandexpertin ist Senior Fellow an der Denkfabrik Brookings in Washington und blickt auf eine Karriere im US-Außenministerium und im Weißen Haus unter Präsident George W. Bush zurück.
Dem „Spiegel“ sagte sie auf die Frage nach Friedenschancen im Ukrainekrieg: „Es gab ja schon ein Abkommen, das im vergangenen März von den Türken vermittelt worden ist. Es sah vor, dass sich die Russen hinter die Linien vor der Invasion vom 24. Februar zurückziehen und die Ukrainer im Gegenzug zusichern, nicht der Nato beizutreten, wenn sie Sicherheitsgarantien aus dem Westen bekommen. Der Deal platzte, als bekannt wurde, welche Gräueltaten die russische Armee in Butscha begangen hat.“
All jene, die dem Westen Kriegstreiberei vorwerfen, führen die damaligen Gespräche in Istanbul gerne als Beleg für Russlands vermeintliche Friedensbereitschaft ins Feld. Wie weit die Verhandlungen wirklich gediehen waren, ist bis heute Anlass für wilde Spekulationen. Auch Frau Stent war in Istanbul nicht dabei, aber sie dürfte zumindest bessere Informationsquellen besitzen als die meisten, die sich sonst zu diesem Thema äußern.
Wohlgemerkt: Stent sagt nicht, dass Russland dem Abkommen damals zugestimmt habe. Dennoch ist ihre Aussage aufschlussreich. Sie zeigt, wo künftige Waffenstillstandsverhandlungen ansetzen könnten.
Insofern ist auch hilfreich, was Kanzler Scholz dem „Tagesspiegel“ einmal mehr bestätigt hat: Dass er bei Bedarf auch künftig mit Russlands Präsident Wladimir Putin telefonieren werde – „weil es nötig ist, dass miteinander gesprochen wird.“
So wichtig es für den Westen ist, Putin aus einer Position der militärischen Stärke zu begegnen, so wichtig ist es zugleich, auch leise Signale der Verhandlungsbereitschaft aus Moskau nicht zu überhören. Sollte es die denn geben.
Um leise Signale, die es keinesfalls zu überhören gilt, geht es in dieser Woche auch in der Geldpolitik. Am Mittwoch verkündet die US-Notenbank (Fed) ihre Zinsentscheidung, einen Tag später folgt die Europäische Zentralbank (EZB). Die Fed dürfte die Leitzinsen um einen Viertelprozentpunkt auf ein Band von dann 4,5 bis 4,75 Prozent erhöhen. Bei der EZB werden Zinserhöhungen von einem halben Prozentpunkt erwartet.
Die Experten sind sich in ihren Prognosen recht einig – was aber keineswegs bedeuten muss, dass es geldpolitisch vernünftig ist, den vorweggenommenen Hoffnungen der Börsen zu entsprechen. Schließlich liegen die Inflationsraten auf beiden Seiten des Atlantiks noch immer deutlich über der Zielvorgabe von zwei Prozent.
Steigende Zinsen sind dabei nicht für alle Branchen schlecht. Vor allem für Banken bedeuten sie höhere Margen im Kreditgeschäft. „Wir erwarten durch die steigenden Zinserträge positive Ergebnisse der europäischen Banken“, sagt DRBS-Morningstar-Analystin Sonja Förster.
Und dann sind da noch zwei Entscheidungen von nationaler Tragweite, auf die es sich am heutigen Montag hinzufiebern lohnt: Da ist zum einen das Urteil des Bundesfinanzhofs über die Rechtmäßigkeit des Solidaritätszuschlags.
Zum anderen wird in Wuppertal das Zootier des Jahres bekanntgegeben. Die Ehrung vergibt die Zoologische Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz (ZGAP). Sie will damit Bewusstsein für stark gefährdete Tierarten schaffen, die bisher kaum oder gar nicht im Fokus der Öffentlichkeit standen. Ein Ziel, dem die ZGAP im vergangenen Jahr in vorbildlicher Weise entsprach, als sie das Pustelschwein zum Zootier des Jahres wählte. Nicht geklärt ist allerdings, ob sich der philippinische Allesfresser im Fokus der Öffentlichkeit wohlgefühlt hat.
Ich wünsche Ihnen einen Wochenstart, an dem Sie Ihr inneres Pustelschwein überwinden.
Herzliche Grüße
Ihr Christian Rickens
Textchef Handelsblatt