Zürich/Frankfurt Die angeschlagene Schweizer Großbank Credit Suisse steht vor einem Showdown. Nach Informationen aus Finanzkreisen wollen die Schweizer Regierung, die Finanzaufsicht und die Notenbank des Landes bis spätestens zur Öffnung der Märkte am Montag eine tragfähige Lösung für das zweitgrößte Schweizer Geldhaus finden.
Eine Option wäre die Übernahme im Ganzen oder in Teilen durch den Zürcher Konkurrenten UBS. Mehrere mit dem Geschehen vertraute Personen bestätigten, dass UBS und Credit Suisse eine Reihe von Varianten eines Deals durchrechnen würden und Gespräche aufgenommen hätten. Zuerst hatte die „Financial Times“ (FT) über eine mögliche Übernahme der Credit Suisse berichtet.
Die Schweizer Finanzaufsicht habe laut der FT ihre Kollegen in den USA und Großbritannien darüber informiert, dass dies die bevorzugte Lösung für die Krise der Credit Suisse sei. Die Führungsgremien beider Banken sollen am Wochenende zunächst individuell über den Zusammenschluss beraten. Nach Informationen aus Finanzkreisen ist es jedoch unsicher, ob es zu einem Deal kommt. Die Bedenken seien bei den Management-Teams auf beiden Seiten groß.
Insider erwarten daher, dass die UBS mit Maximalforderungen in die von der Schweizer Nationalbank und Finanzaufsicht Finma organisierten Verhandlungen mit der Credit Suisse eintritt. So könnte die UBS beispielsweise versuchen, eine Art Verlustbegrenzung auszuhandeln, für die der Schweizer Staat garantiert.
Die Intervention der Schweizer Notenbank und der Finanzaufsicht war nötig geworden, weil die Credit Suisse aufgrund einer Vertrauenskrise mit einem Kundenexodus zu kämpfen hatte. Die Mittelabflüsse der Bank beliefen sich zuletzt auf 10 Milliarden Franken pro Tag, wie das Handelsblatt von zwei mit den Zahlen vertrauten Personen erfahren hat.
Credit Suisse und UBS lehnten einen Kommentar ab. Die Börse reagierte prompt auf die Nachricht: In den USA gelistete Aktien der Credit Suisse verteuerten sich schlagartig um rund neun Prozent.
Sollte die UBS tatsächlich die Credit Suisse übernehmen, hätten sich die Schweizer Aufseher gegen den Widerstand der UBS durchgesetzt. Angesprochen auf Übernahmegerüchte hatte UBS-Chef Ralph Hamers stets betont, sich auf das Wachstum der eigenen Vermögensverwaltung konzentrieren zu wollen. Auch in der Schweiz galt der Schritt mit Blick auf mögliche Arbeitsplatzverluste als politisch unpopulär.
Fusion mit großen Risiken
Am Mittwoch hatte die unbedachte und womöglich missverständlich kolportierte Aussage eines saudischen Großaktionärs die Credit Suisse ins Chaos gestürzt. Die Aktie brach zeitweise um über 30 Prozent ein. Eine Liquiditätsspritze der Schweizer Nationalbank (SNB) über 50 Milliarden Franken (50,7 Milliarden Euro) verschaffte der Bank nur kurzzeitig Luft.
Dass die Aufseher nun eine Übernahme durch die UBS durchsetzen wollen, spricht dafür, dass die Abflüsse von Kundengeld im Laufe der vergangenen Woche zu große Ausmaße angenommen hatten.
Eine Übernahme der Credit Suisse durch die UBS war zuletzt von Investmentbankern und Analysten immer wieder durchgerechnet worden. So hält Kian Abouhossein, Bankenanalyst von JP Morgan einen Verkauf an den Lokalrivalen für die wahrscheinlichste Option.
Der Zusammenschluss der beiden Großbanken könnte Synergien auf dem Schweizer Heimatmarkt verringern.
(Foto: imago images/Just Pictures)
Sollte es zu diesem Szenario kommen, würde aus wettbewerbsrechtlichen Gründen wohl ein Börsengang oder eine Abspaltung des Schweiz-Geschäfts folgen, da UBS und Credit Suisse gemeinsam auf ihrem Heimatmarkt eine beherrschende Stellung hätten. Die Sparte könnte etwa zehn Milliarden Franken wert sein, schätzen die Analysten.
Ein Argument gegen einen Zusammenschluss der beiden größten Schweizer Geldhäuser war stets, dass sich beide Banken im Fall einer Fusion kannibalisieren könnten. Viele Schweizer Firmen aber auch vermögende Privatleute haben sowohl ein Konto bei der UBS, als auch bei der Credit Suisse.
Sie wollen es vermeiden, den gesamten Bargeldbestand oder das liquide Vermögen bei einem Geldhaus zu parken. Viele Kunden dürften daher nach der Fusion einen Teil ihres Vermögens abziehen. Etwaige Synergien auf dem Schweizer Heimatmarkt würden so verringert. Die Schweizer Kantonalbanken einerseits sowie die Privatbanken andererseits könnten die Gewinner einer solchen Fusion sein.
Zu groß zum Scheitern
Hinzu kommt: Sollte die UBS die Credit Suisse schlucken, entstünde ein Bankgigant, der viel zu groß würde, um scheitern zu können. Ein Kauf der Credit Suisse durch die UBS wäre der bedeutendste Bankenzusammenschluss in Europa seit der Finanzkrise. Aus der Fusion entstünde ein europäischer Riese.
>> Lesen Sie hier: Wie es zum tiefen Fall der Credit Suisse kommen konnte
Die Bilanzsumme der UBS belief sich 2022 auf umgerechnet 1.030 Milliarden Euro, die der Credit Suisse auf umgerechnet 535,44 Milliarden Euro. Die UBS hatte 2022 einen Gewinn von 7,6 Milliarden Dollar erwirtschaftet. Credit Suisse wies dagegen einen Verlust von 7,3 Milliarden Franken aus. Die UBS beschäftigt gegenwärtig über 72.000 Mitarbeiter, die Credit Suisse über 50.000.
Finanziell wäre der Zukauf für die UBS wohl kein größeres Problem: Der kleinere Rivale ist an der Börse nur noch 7,4 Milliarden Franken wert, die UBS etwa 60 Milliarden Franken. Die Übernahme einer Großbank gilt allerdings als hochkomplex, langwierig und risikoreich.
Eine Übernahme durch die UBS wäre allerdings nicht die einzige mögliche Lösung der Credit-Suisse-Krise. Zweitweise machten am Samstag Gerüchte über ein weiteres Kaufangebot die Runde. Die „FT“ schrieb, dass der Fondsriese BlackRock an einer Konkurrenzofferte für die Credit Suisse arbeite. Ein Sprecher des US-Konzerns dementierte den Bericht allerdings: „BlackRock ist nicht an Plänen beteiligt, die Credit Suisse ganz oder teilweise zu übernehmen, und hat auch kein Interesse daran.“
Theoretisch käme nach Meinung von Investmentbankern auch die Beteiligungsgesellschaft Apollo als möglicher Bieter für Credit Suisse in Frage. Die Amerikaner haben bereits Teile der Investmentbank der Schweizer übernommen. Bislang gebe es aber keine Anzeichen für ein konkretes Interesse von Apollo, heißt es in Finanzkreisen.
Staatsrettung als Alternative
Die Übernahme durch eine ausländische Großbank halten Experten für eher unwahrscheinlich und für eine Aufspaltung in mehrere Teile könnte die Zeit zu knapp sein. Ein auf Finanzdeals spezialisierter Investmentbanker hält eine Staatsbeteiligung für die wahrscheinlichste Lösung.
Eine vorübergehende Staatsbeteiligung würde die Nachteile einer Übernahme durch die UBS vermeiden und der Credit Suisse genügend Zeit geben für die geplante tiefgreifende Restrukturierung. Eine Staatsrettung wäre für die Schweizer Regierung allerdings eine Niederlage, denn nach der Beteiligung an der UBS in der Finanzkrise 2008 haben die Behörden große Anstrengungen unternommen, in Zukunft ähnliche Stützungsmaßnahmen zu verhindern. So wurden etwa die Kapitalvorschriften verschärft und Vorbereitungsmaßnahmen für eine Abwicklung von Banken getroffen.
Auch Bankenanalyst Abouhossein hält eine direkte Beteiligung des Staates für eher unwahrscheinlich, weil dadurch die Anteile der bisherigen Aktionäre verwässert würden. Außerdem würde die Regierung das Geld der Steuerzahler für eine gestrauchelte Bank riskieren und es sei fraglich, ob sich das heute noch politisch durchsetzen lasse.
Mehr: Alle Entwicklungen zu Bankenkrise lesen Sie im Newsblog.