Düsseldorf Während mit Tupperware der Pionier des Party-Direktvertriebs in finanzieller Not ist, verkaufte Vorwerk vom Thermomix 2022 wie im Vorjahr 1,5 Millionen Stück und erlöste damit 1,72 Milliarden Euro. So viel erwirtschafteten die Wuppertaler mit ihren Multifunktionskochern noch nie, die sie vor allem auf von den „Tupper-Partys“ inspirierten Kochveranstaltungen in Privathaushalten von selbstständigen Beraterinnen vertreiben lassen.
Das Geschäft sei „durch die enge Kundenbindung inflationsresistent“, sagt Thomas Stoffmehl, Vorstandssprecher der Vorwerk-Gruppe, im Gespräch mit dem Handelsblatt. Auch Martin Fassnacht, Professor für Strategie und Marketing an der WHU, bewertet die stabilen Absatzzahlen beim Thermomix positiv: „Das ist eine erfreuliche Entwicklung für den Direktvertrieb Vorwerk. Der Einzelhandel dagegen hat in Inflationszeiten schwer zu kämpfen.“
Insgesamt blieben die Zahlen von Vorwerk jedoch deutlich hinter den Erwartungen zurück. Zwar sank der Gesamtumsatz der Vorwerk-Gruppe zum Vorjahr nur leicht von 3,38 auf 3,17 Milliarden Euro, hauptsächlich wegen des Verkaufs des Kosmetikdirektvertriebs Jafra, der zuletzt rund 313 Millionen Euro zum Jahresumsatz beigetragen hatte. Der Gewinn nach Steuern brach jedoch um über zwei Drittel ein. Nach knapp 150 Millionen Euro Überschuss im Vorjahr waren es 2022 nur noch 45 Millionen.
Thermomix: Absatz in China bricht ein
Die Umsatzrendite sank um drei Prozentpunkte. Stoffmehl führt das auf „Sondereffekte“ zurück: „Wir hatten höhere Materialkosten von rund 70 Millionen Euro.“
Selbst der Hauptumsatzbringer Thermomix schwächelte im vergangenen Jahr – zumindest in China. „In der Pandemie haben sich nur noch wenige in unsere Kochstudios getraut“, so Stoffmehl. Thermomix habe in China 65 Prozent seiner Berater verloren, der Umsatz brach zum bereits schwachen Coronajahr 2021 um fast 37 Prozent auf 55 Millionen Euro ein.
Weil elektronische Bauteile aus Asien fehlten, gab es 2022 beim Thermomix Lieferzeiten von bis zu zwölf Wochen.
(Foto: Vorwerk)
Während der Absatz des Thermomix global aber trotz Lieferengpässen bei elektronischen Bauteilen aus Asien stabil blieb, wirkten sich die Schwierigkeiten in anderen Sparten stärker aus. „Wir konnten bestellte Staubsauger und Zubehör für etwa 30 Millionen Euro im Dezember nicht ausliefern“, sagt Stoffmehl etwa über die Saugermarke Kobold, den zweiten großen Umsatzbringer des Unternehmens. Es fehlten Batterien und Chips aus Asien, aber auch Staubsaugerbeutel eines Zulieferers aus Belgien. Der Umsatz von Kobold sank um 1,9 Prozent auf 803 Millionen Euro.
Auch das Geschäft mit Saugrobotern bereitet Vorwerk Sorgen. Das Start-up Neato aus dem Silicon Valley, das Vorwerk 2017 nach einer Beteiligung seit 2010 ganz übernommen hatte, konnte sich im Einzelhandel gegen die Konkurrenz von iRobot, Dyson, Roborock und Ecovacs aus China nie durchsetzen. Der Umsatz brach von 62 Millionen Euro 2018 auf zuletzt 8,5 Millionen Euro ein. Alle Sanierungsversuche, bei denen zuletzt knapp 100 Stellen wegfielen, schlugen fehl.
Vorwerk-Chef Stoffmehl schließt weiteren Geschäftsbereich
Das Geschäft stellt Vorwerk-Chef Stoffmehl daher zum Juni 2023 ein. „Der Einzelhandel ist nicht unsere Kernkompetenz und schwer umkämpft“, begründet der 52-Jährige die Schließung. Das Robotics-Know-how werde nun in den Elektrowerken in Laaken gebündelt. Stoffmehl, der vor seinem Antritt 2021 bei Bofrost und LR Health & Beauty tätig war, schließt damit nach der erfolglosen Teemaschine Temial das zweite unrentable Geschäftsfeld.
Abseits des Einzelhandels erhofft sich Vorwerk 2023 wieder positivere Impulse bei den Saugrobotern. Seit Mai gibt es den VR7 der Vorwerk-Marke Kobold, den Vorwerk vor allem im Direktvertrieb verkauft.
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Zudem bringt das von Vorwerk gegründete Start-up Nexaro im Juni einen Saugroboter für die professionelle Gebäudereinigung auf den Markt. Das Gerät soll Büroflächen mittels KI-Kartierung selbstständig reinigen. „Gebäudereiniger finden immer schwerer Personal. Unser Cobot macht Reinigungskräfte nicht überflüssig, aber unterstützt sie“, sagt Stoffmehl. So ließen sich in der Gebäudereinigung bis zu 35 Prozent Personalkosten einsparen. Nexaro will Vorwerk vor allem über Großhändler und Geschäftskunden vertreiben.
Der Vorwerk-Chef trennt sich von einem weiteren unrentablen Geschäftsbereich.
(Foto: Vorwerk)
Thomas Stoffmehl sieht die Zukunft des Unternehmens im Direktvertrieb. „Ohne Beraterwachstum kein Umsatzwachstum“, lautet seine Strategie, die er Ende 2019 angestoßen hat. Die Zahl der Beraterinnen für den Thermomix habe Vorwerk seitdem auf 83.000 fast verdoppelt.
Anders als Tupperware, einer „Ikone des Direktvertriebs“, wie Stoffmehl das US-Unternehmen nennt. Darin sieht er das Problem des Unternehmens: Statt von Mensch zu Mensch verkaufe Tupperware seine Produkte auch in Läden und online. Die Manager hätten Tupperware vom Direktvertrieb weggeführt und damit die wichtige Kundenbindung verloren.
Das Gerät soll Flächen in Büros und Hotels selbstständig saugen und so Reinigungskräfte entlasten. Die Branche leidet unter Personalnot.
(Foto: Getty Images)
Die Zahlen zeigen: Direktvertriebe sind 2022 trotz Krisen und Krieg gewachsen. „2022 haben sich die Umsätze unserer Mitgliedsunternehmen um 1,5 Prozent erhöht“, sagt Jochen Clausnitzer, Geschäftsführer des Bundesverbands Direktvertrieb Deutschland. In den letzten zehn Jahren sei der Branchenumsatz um 50 Prozent auf über 19 Milliarden Euro (2021) gestiegen.
Vorwerk-Chef Stoffmehl sagt: „Im Direktvertrieb ist man zwar immer in einer Nische unterwegs, aber in einer profitablen.“ Dieses Kerngeschäft will Vorwerk entsprechend weiter ausbauen – auch durch Zukäufe. „Das kann schon in diesem Jahr passieren“, verrät Stoffmehl. Er sei „in guten Gesprächen mit spannenden Direktvertrieben im In- und Ausland“. Er stellt jedoch augenzwinkernd auch klar: „Tupperware wollen wir jedenfalls nicht kaufen.“
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