Duisburg Fahrerloses autonomes Fahren auf öffentlichen Straßen sollte bei Lkw eigentlich noch früher serienreif werden als bei Autos. Denn die hohen Anschaffungskosten für intelligente Kameras, Radar und auch Laserscanner (Lidar) sollten sich bei gewerblichen Kunden schneller amortisieren. Doch diese Erwartungen haben sich offenbar nicht erfüllt.
Der Hype ums autonome Fahren ist in der Truck-Branche abgekühlt. „Die gesamte Industrie ist nach der anfänglichen Euphorie gerade in einer Phase der Desillusion“, sagte ZF-Nutzfahrzeugchef Peter Laier am Rande der Fachtagung Automotive Logistics in Duisburg. Sein Unternehmen ist nach eigenen Angaben der weltgrößte Zulieferer für Nutzfahrzeuge.
Die Entwicklung selbstfahrender Lkw gehe zwar weiter, aber in kleineren Schritten. Und sie werde länger dauern als ursprünglich noch vor wenigen Jahren prognostiziert.
Denn Systeme, die als Level 3 und 4 bezeichnet werden, erfordern hohe Investitionen. Nur sie erlauben es dem Fahrer, zeitweise die Hände vom Steuer zu nehmen. „Wenn der Gesetzgeber beispielsweise längere Lenkzeiten der Fahrer erlauben würde, dann wäre der wirtschaftliche Anreiz, solche Systeme serienreif zu entwickeln und einzusetzen, deutlich höher“, betont Laier.
Bei den Entwicklungsbudgets bleibt den Zulieferern aktuell wenig Spielraum. Insbesondere die hohen Kosten für die Transformation zur Elektromobilität belasten. Gespart wird an anderer Stelle: ZF und Bosch wollten das Radarsystem Lidar eigentlich selbst entwickeln und bauen. Diese Pläne haben die Zulieferer auf Eis gelegt.
„Unternehmen brauchen Planungssicherheit“, betonte ZF-Vorstand Laier. Doch die gebe im Augenblick in vielen Bereichen nicht – weder für automatisiertes Fahren, noch für die Antriebsarten und die dazugehörigen Emissionen oder für die Datensicherheit. „Wir brauchen sinnvolle und konsistente politische Vorgaben in der EU“, sagt Laier. Dabei müsse die Politik Anreize schaffen und technologieoffen bleiben, statt auf neue Verbote zu setzen.
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Mit seiner Kritik steht der ZF-Vorstand nicht allein da. „Ständig neue Regulierungen verhindern Innovationen“, sagt auch Daimler-Truck-Chef Martin Daum. „Wenn sich jeder nur an die Vorgaben hält, kommen wir keinen Schritt weiter.“ Es werde mindestens bis zum Ende des Jahrzehnts dauern, bis Daimler-Laster voll automatisiert fahren, hatte Daum zuletzt immer wieder betont. Ob dieser Zeitplan aufgeht, ist allerdings unsicher.
Auch ZF will angesichts der begrenzten Mittel die Prioritäten auf die Komponenten setzen, die den größten Erfolg versprechen. Das sind derzeit Aufträge für den elektrischen Antriebsstrang mit einem Volumen von fünf Milliarden Euro, wie ZF-Vorstand Laier bestätigt. Auch in der Nutzfahrzeugsparte sollen die elektrischen Aufträge dafür sorgen, dass die Sparte in diesem Jahr überproportional wächst. Im vergangenen Jahr hatte die neu formierte Sparte 7,5 Milliarden Euro Umsatz erzielt.
Platooning gilt vorerst als gescheitert
Wie schwierig der Weg zum selbstfahrenden Lkw ist, zeigt das Beispiel Platooning. Bei dieser Technik schließen sich mehrere teilautonom fahrende Trucks zu einem Konvoi zusammen, wobei sie über ein gemeinsames WLAN miteinander kommunizieren. Noch vor fünf Jahren setzte die Transportbranche große Hoffnungen ins Platooning, um die steigenden Kosten und den akuten Fahrermangel in den Griff zu bekommen.
Der Zulieferer fordert klarere Vorgaben der Politik.
(Foto: imago images/photothek)
Denn gesteuert wird nur das voranfahrende Fahrzeug, während die übrigen Lastwagen per Computertechnik folgen. Sobald sie sich in die Gruppe eingereiht haben, die Fachleute in Anlehnung ans Militärische als „Platoon“ bezeichnen, halten die hinteren Fahrzeuge automatisch die Spur. Ihre Computersysteme messen den jeweiligen Abstand und bremsen, sobald das Tempo gedrosselt wird, unmittelbar ab. Weil die Trucks mit einem Abstand von nur 15 Metern fahren – die deutsche Straßenverkehrsordnung schreibt bei üblichen Lkws 50 Meter Mindestabstand vor – soll die Fahrt im Windschatten zusätzlich Diesel einsparen.
Mit einem derart verringerten Abstand pendelten im Jahr 2018 vernetzte Konvois für neun Monate auf der A 9 zwischen München und Nürnberg. Beteiligt waren der Truckhersteller MAN, die Spedition DB Schenker und die Fachhochschule Fresenius. Doch die Ergebnisse enttäuschten: Gerade einmal drei bis vier Prozent Spritersparnis notierten die Tester, weil nach jeder Autobahnabfahrt die Platoons wieder neu zusammengestellt werden mussten. Die jeweilige Aufholfahrt der hinteren Lkws erhöhte dabei den Dieselverbrauch.
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Spätestens Ende 2021, nachdem die EU Platooning-Tests mit mehr als 20 Millionen Euro gefördert hatte, erklärten die meisten Logistikexperten die Idee für gescheitert. Zuvor schon hatte Daimler Trucks einen Schlussstrich unter ein Testverfahren in den USA gezogen. Für Platooning gebe es kein Geschäftsmodell, ließ der Lkw-Hersteller wissen. Einer der Gründe: Weil sich die teilautonomen Trucks durchschnittlich alle 2000 Kilometer einen Fahrfehler leisteten, müssen auch die nachlaufenden Lkws mit Fahrern besetzt werden. Die Personalkosten reduzieren sich deshalb bestenfalls mäßig.
Eine Studie der University of Western Australia gelangte zudem zu dem Ergebnis, dass die teilautonomen Lkw auf Autobahnen oft erhebliche Lücken erzeugten, um den nötigen Sicherheitsabstand zu schaffen. Dies habe häufig eine Stop-and-go-Welle ausgelöst, fanden die Forscher 2021 heraus.
Entsprechend setzen die Lkw-Techniker nun verstärkt auf autonome Fahrzeuge. Doch auch hier läuft die Entwicklung eher schleppend. Zwar erhielt das schwedische Start-up Einride bereits 2019 in seinem Heimatland die Genehmigung, für DB Schenker öffentliche Straßen zu nutzen, und auch die US-Behörde NHTSA erteilte Einride Mitte 2022 eine solche Erlaubnis. Doch die E-Fahrzeuge ohne Führerhaus verkehren aus Sicherheitsgründen kaum schneller als in Schrittgeschwindigkeit. Zudem stören Regen und Nebel die automatische Orientierung.
Selbst Google-Ableger Waymo, der gemeinsam mit Daimler fahrerlose Lkw testet, erklärte vor zwei Monaten, sich künftig auf das autonome Taxi konzentrieren zu wollen.
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