Stuttgart Dafür, dass Krishna Rangasayee die wohl leistungsfähigsten Chips für Künstliche Intelligenz (KI) baut, spricht er gelassen über seinen Erfolg. „Wir sind angetreten, um in der Industrie für maschinelles Lernen führend zu werden. Jetzt haben wir die technische Bestätigung dafür“, sagt der Gründer des Start-ups Sima.ai. Die Bestätigung hat die MLPerf (Machine Learning performance) gebracht – eine Art alljährlicher Chip-Wettbewerb.
Erst vor gut vier Jahren startete der heute 53-jährige Stanford-Absolvent Sima.ai. Im jüngst erfolgten Leistungsvergleich schnitt sein Chip bei Geschwindigkeit und Stromverbrauch 50 Prozent besser ab als Nvidia – bislang das Maß aller Dinge für Hochleistungschips.
Mit dem neuen Chip können etwa Daten aus Kameras mit der zehnfachen Geschwindigkeit konventioneller KI-Chips verarbeitet werden. Und das bei einem deutlich reduzierten Stromverbrauch von fünf Watt. Damit ergebe sich in Zukunft bei Elektroautos mit hochwertigen Assistenzsystemen auch eine deutliche Erhöhung der Reichweite. „Sima.ai ist ein Gamechanger“, bestätigt Karl Freund, Gründer und Chefanalyst bei den Marktforschern von Cambrian-AI Research.
Im MLPerf-Wettbewerb waren bisher nur Chipgiganten aktiv – noch nie ist dort ein Start-up angetreten. Intel, Qualcomm, AMD oder zuletzt Nvidia haben für diesen Wettbewerb riesige Teams, die nur für dieses Testergebnis mit aufwendigen Tuning-Maßnahmen ihre Chips fit machen.
Chip für jede Elektronik- und Sensorumgebung
„Wir haben überhaupt nichts getunt, nur das Kabel angeschlossen“, sagt Rangasayee und zeigt auf ein kleines weißes Kästchen. Der darin verbaute Chip einschließlich Plattform beherrsche jedes neuronale Netz und KI-Framework und lasse sich damit auch in jede Elektronik- und Sensorumgebung einfügen.
Die vergangenen Jahre hatte immer Nvidia den Wettbewerb gewonnen. Kerngeschäft des Unternehmens sind Grafikkarten für Videospiele, davon abgeleitet konnten Chipsätze des Konzerns aber große Erfolge in Rechenzentren und zuletzt in der Autoindustrie erzielen. Bisher war keine vergleichbar leistungsfähige Alternative verfügbar. Kaum ein zentraler Fahrzeugcomputer kommt heute ohne Prozessoren von Nvidia oder Qualcomm aus. Das könnte sich bald ändern.
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„Bei uns sind Software und Architektur aus einem Guss speziell für KI-Anwendungen entwickelt“, erklärt Rangasayee. Seit mehr als 25 Jahren ist der Sima-Gründer im Silicon Valley in der Software- und Chipindustrie aktiv, besitzt 25 hochkarätige Patente.
Allein 18 Jahre arbeitete er als COO bei Xilinx. Das IT-Unternehmen wurde 2020 von AMD für 35 Milliarden Dollar übernommen. Sima hat bislang rund 180 Millionen Dollar Kapital eingesammelt und kommt bereits auf eine Bewertung von bald einer Milliarde Dollar. Geldgeber der Kalifornier mit etwa 150 Mitarbeitenden sind unter anderem Fidelity Investments, Amplify Partners oder Dell Technologies Capital.
An erste Kunden ist der Sima-Chip bereits ausgeliefert. Dabei handelt es sich um Hersteller militärischer Drohnen und von Robotik. Ein Hochfahren der Produktion ist laut dem CEO kein Problem, da der weltgrößte Auftragsfertiger TSMC bereits fest zugesagt hat, den neuartigen Chip auf seinen modernsten Linien zu produzieren. Auch das zeigt, wie ernst Sima in der Branche genommen wird.
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Der neue Chip soll maßgeblich den Durchbruch von KI im „Internet der Dinge“, also bei vernetzten Geräten bringen. Umfunktionierte Grafikkarten-Chips leisten in Rechenzentren gute Arbeit, sind aber nicht unbedingt perfekt in sogenannten „Edge Devices“, also Kameras, Robotern oder Fahrzeugen. Dafür sind die Grafikprozessoren zu teuer und stromhungrig.
„Sima.ai hat sich wirklich gleich im ersten Anlauf mit einem voll funktionsfähigen Chip etabliert und ist das Start-up der Stunde für Edge Devices“, sagte Kurt Keutzer, Professor an der UC Berkeley und Koryphäe auf dem Gebiet. Sogenannte Edge-Lösungen sollen in der Lage sein, beispielsweise Autos sicherer und komfortabler zu steuern – direkt im Fahrzeug, unabhängig von Datenströmen über die Cloud.
Gamechanger im Kampf ums Roboterauto
Als Türöffner für den Automobilmarkt hat der Sima-Gründer den Ex-Topmanager bei Mercedes und Bosch Harald Kröger gewonnen. „Mit dem anwenderfreundlichen Chip müssen Automobilzulieferer nicht erst eine Armee von KI-Spezialisten einstellen, bevor es losgehen kann“, sagt Kröger.
Deutsche Experten sehen Potenzial für Sima. „Ein wesentlicher Schlüssel zum Markterfolg ist das Element Software“, sagt Peter Fintl, Halbleiterexperte der Beratungsgesellschaft Capgemini. „Durch eine umfassende Softwareunterstützung wird die Technologie deutlich zugänglicher, weil Kunden ihre bestehenden Anwendungen und KI-Modelle leichter auf eine neue Hardwareplattform übertragen können.“
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Die Technologie von Sima.ai kann vor allem für die Autozulieferer wichtig werden. Denn es tobt derzeit ein gnadenloses Wettrennen um die digitale Vormachtstellung in künftigen autonomen Autos. Mercedes und BMW setzen bei diesen Fahrfunktionen auf die US-Riesen Nvidia oder Qualcomm mit engen Kooperationen.
Fintl zufolge existiert weltweit nur eine Handvoll ernst zu nehmender Anbieter in diesem zukunftsträchtigen Geschäftsgebiet. Die meisten Geräte würden in Zukunft eine gewisse Intelligenz bekommen, erläutert er. Die wichtigste Bedingung: „Dieses sogenannte Edge Computing muss einerseits leistungsstark sein, andererseits aber höchst energiesparend.“
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