Start-ups locken talentierte Mitarbeiter oft mit einer Beteiligung am Unternehmen.
(Foto: Moment/Getty Images)
Berlin Bundesfinanzminister Lindner will es Start-ups leichter machen, Mitarbeiter am Unternehmen zu beteiligen. Wird die Reform der Mitarbeiterbeteiligung (ESOP) wie geplant umgesetzt, würde Deutschland für Talente im internationalen Vergleich deutlich attraktiver, zeigt eine neue Studie des US-Wagniskapitalgebers Index Ventures, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt.
Demnach wäre die Bundesrepublik in der Bewertung von 24 Ländern nicht mehr wie seit vielen Jahren Schlusslicht, sondern würde stattdessen auf den fünften Rang vorrücken. Damit befände sich Deutschland nur noch einen Platz hinter den USA und würde an den Niederlanden und Italien vorbeiziehen. Den Spitzenplatz teilen sich Estland, Litauen und Lettland.
Die drei baltischen Länder erhalten bereits die Höchstpunktzahl von 30, Deutschland käme nach der Reform auf 23 Punkte. Für die Studie hat Index Ventures untersucht, wie Anteilseigner rechtlich und steuerlich behandelt werden.
Bei den Details will die Bundesregierung nachbessern und unter anderem das sogenannte „Dry Income“-Problem lösen, um zu verhindern, dass Mitarbeitende Firmenanteile versteuern müssen, bevor sie sie zu Geld machen können. Darüber hinaus soll der Steuerfreibetrag deutlich erhöht werden.
Konkret soll für die Firmen, die ihre Mitarbeiter am Unternehmen beteiligen, nach der Reform unter anderem ein deutlich höherer Steuerfreibetrag gelten, und zwar von 5000 Euro pro Kopf statt wie bisher 1440 Euro. Laut dem Entwurf entlastet die Reform die Start-ups um gut 1,3 Milliarden Euro pro Jahr.
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Der Gesetzentwurf wurde zwar im August vom Bundeskabinett beschlossen, an Details wird aktuell aber noch gefeilt. Im kommenden Jahr sollen die Änderungen dann in Kraft treten.
„Start-ups können am Anfang nicht viel zahlen, aber Mitarbeitern einen Teil am Geschäft anbieten“, sagte Index-Ventures-Mitgründer Neil Rimer dem Handelsblatt. Dadurch binde man Menschen an das gemeinsame Vorhaben. Und das müsse den Unternehmen so einfach wie möglich gemacht werden, sagte Rimer, der in der Vergangenheit unter anderen in die Computerspiele-Entwickler Roblox und Supercell, das Fintech Revolut und den Lieferando-Konkurrenten Deliveroo investiert hat.
US-Investor Rimer wirbt für Reform – auch bei Lindner
Das Gesetz könne ein „Katalysator für das Start-up-Wachstum in Deutschland und Europa“ werden, sagt Index-Ventures-Partnerin Katharina Wilhelm. Viele Start-ups leiden derzeit unter der Zinswende, Konsumflaute und der Zurückhaltung der Investoren. Laut dem Start-up-Barometer der Beratungsgesellschaft EY hat sich das Investitionsvolumen im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf knapp drei Milliarden Euro halbiert.
Studienauftraggeber Index Ventures setzt sich schon länger für bessere ESOP-Bedingungen in Europa ein und hat sich dafür mit 500 Firmenchefs vernetzt, darunter auch die Gründer von Getyourguide, Raisin und Hellofresh. Mitgründer Rimer traf sich darum in der vergangenen Woche auch persönlich mit Bundesfinanzminister Lindner in Berlin, um über Details der neuen Vorgaben zu diskutieren.
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In Deutschland gilt der Chef des Münchener Personalsoftware-Start-ups Personio, Hanno Renner, als einer der bekanntesten Befürworter der Reform. „ESOPs ermöglichen finanzielle Teilhabe am Erfolg gleichermaßen für alle Mitarbeitenden – nicht nur für Investierende und Gründer“, sagt er. Es sei ein großer Hebel für Unternehmen, um Talente zu gewinnen. Bei Personio besitzen alle Mitarbeiter zusammen aktuell einen Gesamtanteil von 15 Prozent am Unternehmen, ebenso wie bei Getyourguide. In den USA liegt dieser Anteil in der Regel deutlich höher.
Der Vorsitzende des Bundesverbands Deutsche Startups, Christian Miele, sieht allerdings noch weiteren Handlungsbedarf, damit die Reform letztlich auch in der Praxis zum Tragen kommt. Anteile an Start-ups würden bisher meist über sogenannte vinkulierte Scheine vergeben, die nur eingeschränkt und reguliert verkauft werden könnten. Vorgaben zur Besteuerung seien für die Behandlung derartiger Anteile im Gesetzentwurf allerdings nicht zu finden. Das müsse nun schnell ergänzt werden, um Unsicherheiten aus dem Weg zu räumen, forderte Miele.
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