Die Geschwister führen den Automatisierungstechnik-Hersteller Pilz.
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Stuttgart Der Automatisierungstechnikanbieter Pilz wächst weiter und hat 2022 mit 403,3 Millionen Euro den höchsten Umsatz der 75-jährigen Unternehmensgeschichte gemacht. Das sind 15,8 Prozent mehr als im Vorjahr, ein starkes Wachstum – doch den Geschäftsführenden ist nach eigener Aussage anderes wichtiger: „Wir wollen unser Unternehmen so führen, dass wir es mit gutem Gewissen unseren Kindern übergeben können“, sagt Thomas Pilz.
Die Höhe der Eigenkapitalquote hat er nicht gleich parat. Dabei ist sie mit 48 Prozent durchaus vorzeigbar. Zur Höhe des Gewinns sagt der Familienunternehmer nichts, betont nur: „Wir arbeiten immer profitabel.“
Thomas Pilz führt das schwäbische Familienunternehmen seit fünf Jahren mit seiner Schwester Susanne Kunschert. Sie nennen christliche Werte als Fundament des Miteinanders, des vertrauensvollen Umgangs bei Pilz. Das habe schon vor der Pandemie geholfen, als ein Hackerangriff mehrere Werke lahmlegte.
„Uns ist wichtig, wie gut unser Unternehmen zusammenhält, sei es bei dem Cyberangriff 2019, der Pandemie ab 2020, Lieferkettenproblemen vor allem bei Halbleitern oder den Folgen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine“, sagt Susanne Kunschert. Sie ist sichtlich stolz auf die weltweit 2400 Angestellten des Unternehmens: „Das war in den vergangenen Jahren eine ganz besondere Leistung unserer Leute.“
Pilz investiert 38 Millionen Euro in neue Produktionstechnik
Doch der schwäbischen Unternehmerin sind die Zahlen an anderer Stelle durchaus wichtig: 38 Millionen Euro will Pilz in neue Produktionstechnik und Software investieren, über die Hälfte am Stammsitz in Ostfildern bei Stuttgart. Die Investitionen aus den Rekordeinnahmen sollen den Mittelständler vor allem bei Sicherheitstechnologien für die Industrieproduktion voranbringen.
Pilz hat sich auf Technologien spezialisiert, die computergestützt und automatisiert die Sicherheit in der Industrieproduktion erhöhen. Vernetzte Sensoren stellen sicher, dass bei einem gefährlichen Gasaustritt in einer Feuerungsanlage sofort Sicherheitsmaßnahmen ergriffen und die Mitarbeiter gewarnt werden. Auch regeln Pilz-Systeme, dass nur befugte Mitarbeiter Zugang zu sensiblen Produktionsanlagen der Pharmaindustrie haben.
Sicherheitstechnologien für die Industrie
Auf die Industrie kämen beim Thema Cybersecurity in den nächsten Jahren große Herausforderungen zu, sagt Thomas Pilz: „Um die Produktivität zu sichern, müssen Maschinen gegen Manipulationen und vor unerlaubten Zugriffen geschützt werden.“ Die digitalisierten Fabriken müssen vor Angriffen auf die Produktion und dem Diebstahl von Daten geschützt werden. Dazu benötigen die Unternehmen eine sogenannte Industrial Firewall, bei Pilz heißt sie „Security Bridge“.
Eine Mitarbeiterin des Automatisierungstechnikers prüft Platinen.
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Die Industrieunternehmen müssten sich auch rechtzeitig auf neue gesetzliche Vorgaben einstellen, wie die neue Maschinenverordnung oder die zweite Netz- und Informationsrichtlinie der Europäischen Union (NIS 2). „Dabei unterstützen wir unsere Kunden“, sagt Thomas Pilz.
Pilz will auch Bahn-Stellwerke sicher digitalisieren
Ein weiterer Wachstumsbereich ist für Pilz die Sicherheit der Bahninfrastruktur. Hier entwickelt Pilz einerseits mit dem Partner Pintsch Systeme, um beispielsweise Stellwerke sicher zu digitalisieren. Aber auch die Produktion von Hochgeschwindigkeitsradreifen für ICEs kann mit Pilz-Technologien überwacht und gesichert werden.
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Für das laufende Jahr ist das Führungsduo weiter optimistisch, obwohl die Lieferkettenprobleme noch nicht ganz überwunden sind. „Wir haben uns in 75 Jahren immer an die unterschiedlichsten Bedingungen angepasst und gehen trotz aller Widrigkeiten optimistisch in die Zukunft“, sagt Susanne Kunschert. „Wir leben für Innovationen.“
In der Tat hat sich das Unternehmen bemerkenswert gewandelt. Gegründet als Glasbläserei wurde Pilz zum Elektronikunternehmen, schließlich zum Automatisierer und Digitalisierer.
Zudem starb Unternehmensgründer Peter Pilz 1975 bei einem Flugzeugabsturz. Seine Frau Renate Pilz zog zuerst die Kinder groß und übernahm dann jahrelang die Führung des Unternehmens.
Zu den Widrigkeiten des Unternehmerlebens zitiert Susanne Kunschert das Motto der am Mittwoch verstorbenen Sängerin Tina Turner: „Das Gift im Leben in Medizin umwandeln“.
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