Die großen Tech-Konzerne leiten enorme Datenmengen durch europäische Netze. Die Monopolkommission der Bundesregierung spricht sich dennoch gegen eine zusätzliche Abgabe an die Netzbetreiber aus.
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Berlin Die Monopolkommission spricht sich in einem Kurzgutachten gegen die Einführung einer sogenannten Datenmaut aus. Das Dokument des wichtigen Beratungsgremiums der Bundesregierung wird am Mittwoch veröffentlicht und lag dem Handelsblatt bereits am Dienstag vor.
„Aus unserer Sicht liegt – zumindest zum jetzigen Zeitpunkt – kein Marktmachtmissbrauch vor. Also gibt es auch keinen Regulierungsbedarf“, sagte der Kommissionsvorsitzende Jürgen Kühling. Derzeit bereitet die EU-Kommission eine entsprechende Infrastrukturabgabe vor, die große US-Tech-Konzerne zum Vorteil der europäischen Netzbetreiber leisten müssten.
Betroffen wären nach derzeitigem Stand nur die fünf bis sechs größten Verursacher von Datenverkehr in Europa, also zum Beispiel der Streaminganbieter Netflix oder der Facebook-Konzern Meta. Diese müssten dann mit der europäischen Telekomindustrie über „angemessene“ Zugangspreise verhandeln. Einigt man sich nicht, würde ein Schiedsrichter der EU eingreifen. Es geht um potenzielle Zahlungen in Höhe von mehreren Milliarden Euro.
Während andere EU-Staaten wie Frankreich oder Spanien Wohlwollen signalisierten, nahm die Bundesregierung bislang eine kritische Haltung ein, positionierte sich aber nicht definitiv.
Kühling und seine Kommissionskollegen stellen in ihrem Aufsatz die Idee einer Datenmaut grundsätzlich infrage, die in Brüssel vor allem von Binnenmarktkommissar Thierry Breton vorangetrieben wird. So sei etwa nicht nachzuvollziehen, dass nicht genügend Mittel für den Ausbau von Mobilfunk- und Festnetzen zur Verfügung stünden, wie von den Telekomkonzernen mitunter behauptet werde. Eine Infrastrukturabgabe berge zudem das Risiko einer Marktverzerrung, da kleinere Netzbetreiber wie Deutsche Glasfaser oder Netcologne womöglich nicht von den Zahlungen profitieren würden, sagte Kühling. Eine Abgabe würde „vielmehr zu Überrenditen bei den Großen führen“.
Die europäischen Telekommunikationskonzerne fordern, große Tech-Konzerne an den Kosten des Netzausbaus zu beteiligen.
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Die Argumentation der Monopolkommission zielt im Kern auf den für die Öffentlichkeit weitestgehend unsichtbaren „Maschinenraum“ des Internets – und darin auf die Märkte für sogenanntes Peering und IP-Transit. Dabei geht es um Entgelte, die große Datenproduzenten wie der Facebook-Konzern Meta für ihre Anbindung ans Internet an die Netzbetreiber zahlen. Die Deutsche Telekom streitet sich gerade mit Meta vor Gericht, weil die europäische Niederlassung im irischen Dublin diese Zahlungen eingestellt hatte.
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Unabhängig von diesem Einzelfall lasse sich zwar eine zunehmende Marktmacht der Tech-Konzerne feststellen, diese würden Alphabet und Co. jedoch bislang nicht „missbrauchen“. Eine Legitimation für einen wie auch immer gearteten „Kostenbeitrag“ sei deshalb nicht zu erkennen, so die Argumentation der Monopolkommission.
Das müsse indes nicht immer so bleiben. In Zukunft könnte sich das Gebaren der Tech-Konzerne durchaus ändern, sagt Kühling. „In diesem Fall müssten die Behörden jedoch kartellrechtlich dagegenhalten.“
Die europäische Politik führt seit Jahren eine Debatte um die Mitverantwortung der US-Tech-Industrie für die wachsenden Datenmengen, die sie durch europäische Telekommunikationsnetze leitet. Netzbetreiber wie Deutsche Telekom und Vodafone wollen die großen Internetunternehmen nun an den Kosten des Ausbaus von schnellem 5G-Mobilfunk und Glasfaserinternet beteiligen, der in die Milliarden geht.
Der Kampf der Lobbyisten brachte im letzten Herbst die aktuell diskutierte Version der Datenmaut hervor, nach der nur die Firmen zahlen müssten, die allein für mehr als fünf Prozent des Datenverkehrs in Europa verantwortlich sind. Apple oder Tiktok könnten demnach verschont bleiben.
Das Ziel der EU ist ein schnelles Gigabitnetz bis 2023
Die EU-Kommission unter Präsidentin Ursula von Leyen (CDU) hatte bereits im vergangenen Jahr erkennen lassen, dass sie einer Regulierung offen gegenübersteht. Es geht dabei auch um die Finanzierung ihres ambitionierten Ziels, bis 2030 alle EU-Bürger an das schnelle Gigabitnetz anzuschließen.
Mitte Februar hat Kommissar Breton offiziell die Konsultationsphase für das Vorhaben eröffnet und entsprechende Fragebögen an die Beteiligten verschickt. Auch wenn die Umsetzung und einige Details noch offen sind: Den Formulierungen ließ sich entnehmen, dass er es ernst meint und die Tech-Konzerne mit einer solchen Abgabe rechnen müssen.
Regierungsberater Kühling erkennt in Bretons Plänen allerdings vor allem ein geopolitisches Vorhaben. Es gehe, so sein Eindruck, „um eine plumpe Verlagerung von Renditen von den amerikanischen Tech-Konzernen hin zu den europäischen Telekommunikationsnetzbetreibern“. Wenn man das so wolle, solle man „eher eine Steuer einführen“.
Kühling hat den Lehrstuhl für öffentliches Recht an der Universität Regensburg inne. Neben ihm gehören vier weitere Experten der Monopolkommission an, darunter Dagmar Kollmann, die im Aufsichtsrat der Deutschen Telekom sitzt.
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