Der scheidende BASF-Chef könnte den Aufsichtsrat von Mercedes-Benz leiten.
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Wien, Düsseldorf An der Spitze des Aufsichtsrats von Mercedes-Benz steht ein Wechsel bevor. Der amtierende Chefkontrolleur Bernd Pischetsrieder wird im kommenden Jahr aus dem Gremium ausscheiden, wie der Autobauer am Mittwoch mitteilte.
Auf der Sitzung des Kontrollgremiums am Mittwoch hat der 75-Jährige auch gleich einen Nachfolger vorgeschlagen: Martin Brudermüller, der scheidende Vorstandschef des Chemiekonzerns BASF. Er wird sich 2024 als neuer Mercedes-Aufsichtsratschef zur Wahl stellen.
Brudermüller ist seit 2021 im Aufsichtsrat des Autobauers, international erfahren und krisenerprobt. Als langjähriger Chef eines Dax-Konzerns hat Brudermüller zudem ausreichend Strahlkraft, um von dem Vorstandsteam rund um Mercedes-Frontmann Ola Källenius ernst genommen zu werden.
Aufsichtsratschef Bernd Pischetsrieder galt als Notlösung
Die Wahl von Brudermüller ist jedoch auch heikel. Der Manager steht in der Kritik, weil BASF trotz steigender geopolitischer Spannungen weiter massiv in China investiert und zeitgleich in Deutschland spart. Investoren monieren zudem die schwache Aktienkursentwicklung unter seiner Führung seit 2018.
Der ehemalige VW- und BMW-Chef Pischetsrieder leitet das Kontrollgremium des Konzerns seit mehr als zwei Jahren. Seine Wahl galt als Notlösung, nachdem die geplante Berufung des langjährigen Mercedes-Chefs Dieter Zetsche am Widerstand einiger Aktionäre scheiterte. Der damalige Aufsichtsratschef Manfred Bischoff musste umdenken und ernannte dann Pischetsrieder als seinen Nachfolger.
Auch die Personalie Brudermüller wirkt etwas überraschend. Extern wie intern wurde immer wieder Telekom-Chef Tim Höttges als möglicher Aufsichtsratschef gehandelt. Der Manager stand aber offenbar nicht zur Verfügung. Auch Ex-Metro-Chef Olaf Koch galt als Kandidat, zumal er einst selbst für Mercedes gearbeitet hat.
Brudermüller scheidet Ende April 2024 bei BASF aus
Für Brudermüller wäre es die nächste große Aufgabe, wenn er Ende April 2024 als Vorstandschef von BASF ausscheidet. Einen direkten Wechsel in den Aufsichtsrat des Chemieriesen verbietet das Aktiengesetz. Ohnehin signalisierte der amtierende Chefkontrolleur Kurt Bock, 2024 für eine weitere vierjährige Amtszeit antreten zu wollen.
Über die nötige zeitliche Kapazität, die der Job des Mercedes-Chefkontrolleurs erfordert, verfügt Brudermüller. Er ist aktuell in keinem anderen Aufsichtsrat vertreten, die Ämter in Chemieverbänden wird er nach dem Ausscheiden als Konzernchef wohl abgeben.
Der 61-Jährige kennt die globale Autoindustrie aus Lieferantensicht bestens, denn die Hersteller sind die größte Kundengruppe des Chemiekonzerns. BASF verkauft ihnen nicht nur Lacke und Kunststoffe, sondern hat als neues Wachstumsgeschäft Batteriechemikalien ausgerufen, die für eine bessere Leistungsdauer von Elektroautos entscheidend sind.
Über die Arbeit des CEOs soll ab 2024 Martin Brudermüller wachen.
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Dieses Geschäft baut BASF in Deutschland und China aus. Brudermüller ist ausgewiesener Kenner Chinas und damit eines der entscheidenden Auslandsmärkte für Mercedes. Er verantwortete von 2003 bis 2006 beim Chemiekonzern die Region Asien-Pazifik mit Sitz in Hongkong. Als Konzernchef ist er seit Jahren regelmäßig im Land.
Der Fokus auf China war zuletzt jedoch umstritten. Brudermüller hat nach seinem Antritt als Vorstandschef 2018 die größte Investition der Konzerngeschichte umgesetzt: Für rund zehn Milliarden Euro baut BASF im Süden Chinas einen weiteren großen Verbundstandort, der die dortige Konsumgüter-, Elektronik- und Automobilindustrie beliefern soll.
Kritiker werfen Brudermüller vor, den Konzern mit Blick auf die geopolitischen Risiken in eine zu große Abhängigkeit zu führen. Der Manager hält die Risiken für beherrschbar und argumentiert, dass der chinesische Chemiemarkt in wenigen Jahren größer ist als die Märkte in Europa und Amerika zusammen. Dem könne sich BASF nicht verschließen.
Brudermüller gilt als krisenerprobt und zupackend
„Als ausgewiesener China-Experte steht Martin Brudermüller wie kein anderer im Mercedes-Aufsichtsrat für die Asien-Strategie der Stuttgarter“, kommentierte Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), den geplanten Wechsel. Der Manager müsse wegen Risikogesichtspunkten jedoch auf eine ausgewogene Aufstellung hinwirken. „Hier muss er über seinen eigenen Schatten springen.“
Brudermüller schlägt aber auch wachsende öffentliche Kritik von Arbeitnehmerseite entgegen, was in der Chemieindustrie ungewöhnlich ist. Denn parallel zum Ausbau in China hat Brudermüller dem Heimatstandort Ludwigshafen ein Sparprogramm samt Stellenabbau verordnet.
Im Vorstand und im Aufsichtsrat von BASF aber hat er absolute Rückendeckung. Eigentlich sollte er schon Ende April ausscheiden, doch die Kontrolleure baten ihn um eine einjährige Verlängerung: Der erfahrene Manager soll den Konzern noch durch das schwierige Jahr 2023 führen.
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