So entschied die Bank of Japan am Mittwoch einstimmig, an ihren ultra-niedrigen Zinssätzen von 0,1 Prozent für kurzfristige Zinsen und an der Obergrenze von 0,5 Prozent für zehnjährige Staatsanleihen festzuhalten. Sie erhöhte lediglich leicht die Inflationsprognose für 2022 und 2024, auf drei und 1,8 Prozent, während sie für dieses Jahr von 1,6 Prozent ausgeht.
Im Dezember hatte sie die Anleger noch mit einer Verdopplung des Zinskorridors für zehnjährige Staatsanleihen (JGBs) auf eben 0,5 Prozent überrumpelt. Zuletzt war der Zins für zehnjährige JGBs den vierten Handelstag in Folge über das Limit der Notenbank gestiegen. Investoren hatten verstärkt darauf gewettet, dass die Notenbank ihre Geldpolitik weiter strafft.
Einen Teil dieser Wetten mussten die Investoren daraufhin auflösen. Das sorgte dafür, dass die Renditen japanischer Staatsanleihen so stark einbrachen wie seit Jahrzehnten nicht. Zehnjährige Bonds fielen von 0,505 Prozent auf bis zu 0,360 Prozent. Die Rendite zweijähriger Anleihen drehte von 0,046 Prozent in den negativen Bereich.
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Die Entwicklung ist eng verbunden mit den Erwartungen der Marktteilnehmer an die Zinsentwicklung. Strafft eine Notenbank ihre Geldpolitik, steigen im Allgemeinen die Anleiherenditen.
Auch der Yen geriet gegenüber vielen Währungen stark unter Druck. Zum Dollar und zum Euro gab die japanische Währung jeweils mehr als zwei Prozent nach. Schließlich haben Anleger in anderen Währungsräumen höhere Zinsen und damit eine höherer Rendite in Aussicht.
Im Gegenzug stiegen die Aktien der Großkonzerne deutlich, da ein schwächerer Yen ihre Umsätze im Auslandgeschäft antreibt. Der japanische Leitindex Nikkei sprang um 2,5 Prozent nach oben.
Umstrittene Geldpolitik der Bank of Japan
Die starken Ausschläge unterstreichen die Nervosität der Märkte, wenn es um die Geldpolitik der drittgrößten Wirtschaft der Welt geht. Seitdem die US-Notenbank Fed im Kampf gegen die Inflation die Zinsen angehoben hat, wetten Hedgefonds gegen die Bank von Japan. Sie erwarten, dass auf die japanischen Währungshüter ihre innovative Politik der Zinskurvenkontrolle aufgeben müssen, die das Fundament von Japans gegenwärtiger Geldpolitik bildet. Eine geldpolitische Wende würde bei der Bedeutung Japans weltweit spürbar sein.
Bei der Zinskurvenkontrolle setzt die Bank keinen Leitzins fest, sondern kontrolliert die gesamte Zinskurve. So drückt sie die Zinsen für kurzfristige Anleihen auf Minus 0,1 Prozent. Für zehnjährige JGBs liegt der Zinskorridor um den Nullpunkt.
Die Zinsen für längerfristige Bonds lässt sie stärker ins Positive steigen, um die Versicherer zu stabilisieren, die Anleihen mit langen Laufzeiten benötigen, um ihre langfristigen Verbindlichkeiten abzusichern. Diese Politik gilt als sehr umstritten, weil sie mit hohen Kosten verbunden ist und Experten zufolge den Markt verzerrt.
>> Lesen Sie hier: Lockere Geldpolitik, konsumfreudige Touristen – Japan hofft auf steigende Aktienkurse
Im Dezember hatte die BoJ den langfristigen Handelskorridor überraschend erweitert auf den Bereich zwischen minus und plus 0,5 Prozent. Man wolle die Funktionsfähigkeit des Marktes verbessern, hieß es. Der Schritt löste an den Märkten bereits heftige Reaktionen aus. Seit Dezember musste die Bank von Japan JGBs für etwa 33 Billionen Yen (rund 240 Milliarden Euro) kaufen, um die Obergrenze ihres Zinskorridors zu verteidigen. Auch ist es zunehmend schwieriger, Käufer für die Bonds zu finden.
All dies stärkte die Verwirrung um den künftigen Kurs. Der Investor Alliance Bernstein warnte in dieser Woche sogar, wegen sinkender Liquidität Investitionen in japanische Staatsanleihen ganz einzustellen. Bloomberg zitierte einen Portfolio-Manager mit den Worten, dass die Notenbank nur noch zwei Möglichkeiten habe, das Dilemma zu lösen: sie löst sich von der Kontrolle der Renditekurve oder sie dehnt die Laufzeit von Nullzinskrediten von zwei auf fünf Jahre aus, um die Banken weiter zum Kauf von Staatsanleihen zu ermuntern. Dies könne dazu beitragen, den Druck auf Staatsanleihen bis zur März-Sitzung der Notenbank zu reduzieren.
Ein weiteres Problem: Der gestiegene Einfluss ausländischer Anleger. Bislang galt Japan als immun gegen den Druck der internationalen Finanzmärkte. Denn die meisten Anleihen werden im Inland gehalten, während Ausländer nur 14 Prozent der Schulden besitzen. Doch wegen der riesigen Käufe der Notenbank sind sie nach Japans Versicherern nun der zweitgrößte Investor im nicht von der Notenbank kontrollierten Teil des Markts und bestimmen daher die Preise immer stärker.
Bank of Japan: Führungswechsel steht bevor
Notenbankchef Haruhiko Kuroda steht damit zum Ende seiner zehnjährigen Amtszeit – er scheidet im April aus dem Amt – mehr als je zuvor unter Rechtfertigungsdruck. Bislang wies er Zinserhöhungen stets zurück. Denn die Bank von Japan erwartet, dass die im internationalen Vergleich niedrige Inflation bald wieder unter ihr Inflationsziel von zwei Prozent fallen wird. Im November lag sie bei 3,8 Prozent.
Noch kommt er damit bei vielen Volkswirten durch. Stefan Anrick von Moody’s Analytics meint: „Die jüngsten volkswirtschaftlichen Daten schreien nicht nach einer Straffung der Geldpolitik.“ Zeichen für ein heißlaufende Nachfrage sieht er nicht. Die Inflation sei weitgehend importiert, der Yen erstarke nach seinem Einbruch im vergangenen Jahr wieder und die globale Inflation habe ihren Gipfel überschritten.
Er will zwar einen politisch motivierten geldpolitischen Kurswechsel mit dem neuen Führungsteam der Notenbank nicht ausschließen. Aber Anrick meint: „Es ist schwer zu erkennen, was eine breitere Abkehr von niedrigen Zinssätzen im Allgemeinen rechtfertigen könnte.“
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